“Stadtratsbeschluß zur Schließung des Bosenheimer Bades ist rechtswidrig”

Am 19. Mai 2022 hatte der Stadtrat auf Antrag der CDU beschlossen das Bosenheimer Bad ab dem 1. Oktober zu schliessen. Der Punkt kam damals nur auf die Tagesordnung, weil der Stadtrat einmütig seine Eilbedürftigkeit beschloss. Schon in der Stadtratssitzung, vor der Beschlußfassung, hatte Nicola Trierweiler vom Stadtrechtsamt darauf hingewiesen, dass diese Einschätzung einer gerichtlichen Überprüfung kaum Stand halten werde, da eine Eilbedürftigkeit im juristischen Sinne nicht gegeben sei. Gestern Abend war dieser Beschluß Hauptthema der Beratung im Bosenheimer Ortsbeirat.

Rechtsanwalt Herbert Emrich nahm als Sachverständiger an der Sitzung teil. Sein Fazit zur Vorgehensweise der Stadt fiel vernichtend aus. “Der Beschluß ist zwar nicht nichtig, aber rechtswidrig”. Die Oberbürgermeisterin müsse ihn eigentlich nach § 42 Gemeindeordnung aussetzen. Würde ein Stadtratsmitglied gegen den Beschluß klagen, wäre die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes absehbar. Weil aber der Beschluß ja auch beinhalte, dass das Bad bis zum 30. September betrieben werde, riet Emrich von rechtlichen Schritten gegen den Beschluß ab.

Und dann legte Herbert Emrich dar, was bis heute in keiner einzigen öffentlichen Sitzung der städtischen Gremien je bekannt gemacht wurde. Nämlich wie ein Eingemeindungsvertrag tatsächlich auch noch Jahrzehnte nach seinem Abschluß geändert werden kann. Emrich erläuterte zunächst, dass es sich bei derartigen Verträgen um “öffentlich-rechtliche” handele. Deren Veränderung sei in § 60 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) “Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen” geregelt. Demnach müsse die Stadt im vorliegenden Fall an den Ortsbeirat des Stadtteiles Bosenheim herantreten, die Unzumutbarkeit des Unterhaltes des Bades umfassend darlegen und in Verhandlungen eintreten.

Sollten diese Verhandlungen scheitern, könne die Stadt den Vertrag kündigen. Wohl gemerkt den gesamten Eingemeindungsvertrag, nicht isoliert die Klausel, in der sie sich zum Erhalt des Bades verpflichtet hat. Diese schriftliche Kündigung sei im vorliegenden Fall mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Dagegen könne der Ortsbeirat dann mit einer Klage gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Angesichts der im konkreten Fall bekannten Tatsachen schätzt Emrich die Bosenheimer Chancen den Erhalt des Bades zu sichern als gut ein.

Bei dem Stadtratsbeschluss vom 19. Mai handele es sich “um eine unschöne politische Absichtserklärung”, die aber verfahrensrechtlich – unabhängig von dem Rechtsfehler bei der Einschätzung der Eilbedürfigkeit – keine Bedeutung habe. Demzufolge riet Rechtsanwalt Emrich dem Ortsbeirat von einem Beschluss gegen diesen Stadtratsbeschluss ab. Ortsbeiratsmitglied Martin Korrell mochte eine vollkommen passive Rolle des Gremiums allerdings nicht akzeptieren: “die Zeit läuft uns weg.” Korrell bat darum “Wege aufzuzeigen, was wir tun müssen, um vorbereitet zu sein”.

Diesen Hinweis griff Rechtsanwalt Herbert Emrich (Planig) gern auf. Den Stadtratsbeschluß tatenlos hinzunehmen führe durch Zeitablauf dazu, “im nächsten Jahr ins Hintertreffen zu geraten”. Auf seinen Rat hin faßte der Ortsbeirat daraufhin einstimmig den Beschluss, die Stadt in Zugzwang zu setzen. Die Bad Kreuznacher Zentralverwaltung soll demnach bis zum 20. Juli 2022 das von Emrich beschriebene Verfahren zur Vertragsänderung in Gang setzen, um eine Schließung des Bades ab dem 1.10.2022 zu verhindern (Stand 2.6.2022, 4 Uhr).

§ 60 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) “Anpassung und Kündigung in besonderen Fällen” im Wortlaut:

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.