Toter lag 11 Tage im Andachtsraum einfach so herum

Mark Grünewald kann es auch zwei Jahre danach kaum fassen. Die Anfrage dieser Seite weckt bei ihm unerfreuliche Erinnerungen. Am 2. April 2020 fiel dem erfahrenen Bestatter die Aufgabe zu, einen Leichnahm im Pro-Seniore-Haus im Salinental abzuholen. Im Andachtsraum der Einrichtung fand er einen “verschimmelten” männlichen Körper vor. Es handelte sich dabei um den bereits am 22. März 2020 verstorbenen A. Lleingelassen (Name von der Redaktion geändert). Nach der Ausstellung des ärztlichen Totenscheines wurde der Verstorbene im Andachtsraum vom Heimpersonal schlicht vergessen.

Laut Landesamt hat die Einrichtung alles getan, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann.

Das kühl-feuchte Raumklima und biologische Prozesse bewirkten dann den Übergang des Leichnams in einen “desolaten Zustand”. Am 3. April 2020 erfuhr die zuständige Heimaufsicht, das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung in Koblenz, durch die Stadtverwaltung Bad Kreuznach von dem Vorfall. Die Stellungnahme der Behörde fällt nüchtern aus: “die daraufhin eingeleitete Recherche ergab, dass es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände, personeller und organisatorischer Unzulänglichkeiten in der Informationsstruktur seitens der Einrichtung, in der Tat vor zwei Jahren zu dem von Ihnen beschriebenen Vorfall gekommen ist”.

Auch 2 Jahre danach zeigte Mark Grünewald noch eine tiefe Betroffenheit.

Das Landesamt hat in seiner Untersuchung eine weitgehende Kooperation durch Pro Seniore erlebt und die Hintergründe wie folgt aufgeklärt: “Die Einrichtung räumt hier ein organisatorisches Verschulden ein und bedauert dieses tragische Versäumnis sehr. Erläutert wird dies, dass es durch den Krankheitsfall des zuständigen erfahrenen Verwaltungsmitarbeiters und einer nachfolgenden unerfahrenen Vertretung dazu kam, dass der Leichnam des Bewohners über diesen langen Zeitraum, ohne die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten, im Andachtsraum verblieb”.

Pro Seniore hat zur Verhinderung ähnlicher Vorgänge in Zukunft in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde “umgehend organisatorische Maßnahmen ergriffen. So wurde der Meldezettel aufgearbeitet und um die Zeile “Meldung an das Ordnungsamt / Bestattungsinstitut” und um eine Abzeichnungsverpflichtung des Mitarbeiters der Einrichtung ergänzt, sowie eine zusätzliche Sichtungsprüfung eingeführt. Weiterhin erfolgt nunmehr an festgelegten Tagen mehrmals in der Woche eine Kontrolle des Andachtsraums mit entsprechender Dokumentation.

“Vergessene Verstorbene”

Zudem wurde im April 2020 ein zusätzlicher Verwaltungsmitarbeiter für die Einrichtung eingestellt”. Aus Sicht des Landesamtes sind “diese Maßnahmen geeignet, ähnliche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern”. Bestatter Mark Grünewald hat im Jörg-Fechner-Interview mit Nahe-TV sowohl zum konkreten Fall als auch zum Gesamtproblem bemerkenswerte Aussagen getroffen. Diese gehen weit über den Fall in Bad Kreuznach hinaus und stimmen nachdenklich. Im Gespräch mit der Redaktion dieser Seite prägte Grünewald diesbezüglich die Aussage “Vergessene Verstorbene”:

Das Ordnungsamt der Stadtverwaltung Bad Kreuznach und das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Bad Kreuznach wurden vom Landesamt über das Ergebnis informiert. Seitens des Ordnungsamtes wurde nach Information des Landesamts die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geprüft. Das Landesamt erhielt die Rückmeldung, dass hier trotz des Vorfalls kein Tatbestand vorliegen würde, der seitens der Stadt als Ordnungswidrigkeit oder seitens der Staatsanwaltschaft als Straftat zu würdigen wäre”. Das Landesamt faßt zusammen:

“Ein vergleichbarer Fall ist dem Landesamt bislang nicht bekannt geworden. Es handelt sich hier um einen besonders tragischen Einzelfall, aus welchem die Einrichtung die notwendigen Konsequenzen für die Zukunft gezogen und auch hinreichende Vorkehrungen zur Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse getroffen hat. Zusätzliche spezielle Kontrollen vor Ort zur Sicherstellung sind nicht geboten, da die Einrichtung durch diesen tragischen Fall bereits sehr sensibilisiert ist und die eingeleiteten Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Vorkommnisse geeignet waren.

Im Rahmen jedes Beratungs- und Prüfbesuchs durch das Landesamt erfolgt ein Durchgang durch die Einrichtung einschließlich des Andachtsraums”. Die Redaktion dieser Seite hat auch Pro Seniore um eine Stellungnahme gebeten. Pressesprecher Peter Müller hat den Eingang der Anfrage zwar bestätigt. Eine Antwort haben wir allerdings nicht erhalten. Die positive Bewertung der Heimaufsicht zur Art und Weise, wie Pro Seniore mit dem Vorgang im Nachhinein umgegangen ist, soll wohl für sich und Pro Seniore sprechen (weiterer Bericht folgt).