Putinfreunde plärren durch die Innenstadt

Am gestrigen Sonntagnachmittag gingen die Bilder aus dem ukrainischen Butscha, 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew, um die Welt. Diese zeigen hunderte tote Zivilisten, abgeschlachtet von russischen Soldaten. Die mißhandelten Körper liegen im Strassendreck. Ein Massaker mitten in Europa. In Berlin macht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Moskau direkt für schwere Kriegsverbrechen verantwortlich: “die Bilder aus Butscha erschüttern mich”. Zeitgleich findet in Bad Kreuznach eine Demonstration statt.

Wieder mal ein Opfer für die Demokratie: die Polizei sicherte den russischen Demonstrationszug mitten in Bad Kreuznach.

Nach Polizeiangaben bis zu 450 Putinfreunde, allesamt ausgestattet mit russischen Fahnen, treffen ab 13 Uhr nach und nach auf der Pfingstwiese ein. Laut Autokennzeichen angereist aus Duisburg, Bonn, St. Goar, Frankfurt, Stuttgart, Nürnberg, aber auch aus den Kreisen Mainz-Bingen, Alzey-Worms, Rhein-Hunsrück, Birkenfeld und Bad Kreuznach. Angemeldet war eine Demonstration “gegen die Diskriminierung der russischsprachigen Mitbürger in Deutschland, gegen Krieg/Kriege, gegen Faschismus/Nazismus”.

Gemäß Ordnungsdezernent Markus Schlosser wollten “80 bis 100” Fahrzeugführer einen Autokorso durch Bad Kreuznach, auf der B48 bis Hochstätten, über die B420 und die B 428 zurück nach Hackenheim und zur Pfingstwiese fahren. Weil viel mehr Teilnehmende festzustellen waren, setzten Schlosser und der Chef der Bad Kreuznacher Polizeiinspektion, Christian Kirchner, kurzfristig eine Änderung durch. Der Autokorso wurde offiziell abgesagt (fand in kleinem Umfange aber trotzdem statt). Statt dessen wurden die Russen zu einem Demonstrationszug zu Fuß durch die Innenstadt veranlaßt.

Dieser führte über die Jahrmarktsbrücke, Heidenmauer, Gensinger-, Viktoria- und Kreuzstrasse durch die Innenstadt und dann über den Naheuferweg wieder zurück zur Pfingstwiese. Auf ihrem Weg sangen die Russen die russische Nationalhymne, schwenkten russische Fahnen, auch die Hammer-und-Sichel-Flagge der UdSSR, dazu Banner ultranationaler Kräfte und plärrten immer wieder – ausschließlich auf russisch – Kriegshetze, u.a. “Za Pobedu” (für den Sieg). Der Demonstrationszug wurde von Polizeikräften vollständig gesichert.

Am Bourger Platz wurden von der Polizei Filmaufnahmen gemacht. An der Ecke Bleich- und Viktoriastrasse beobachtete ein Flüchtling aus Eritrea den Demonstrationszug. Als er erfuhr, dass die Russen gegen ihre “Diskriminierung” marschieren, brach er in schallendes Gelächter aus. Vor dem Geschäft Schuh-Frank verfolgte ein einzelner Ukrainer fassungslos die russischen Fahnenschwenker und Sprechchöre. Immer wieder rief er den Spaziergängern auf deutsch zu: “da werden Frauen und Kinder umgebracht. Warum macht ihr das?”

Primitiver russischer Nationalismus
Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Der erste Impuls einfacher Menschen angesichts der gestrigen Kriegshetze in der Bad Kreuznacher Innenstadt ist verständlich: “ab mit diesem Pack nach Sibirien”. So formulierte es eine Anwohnerin in der Viktoriastrasse, bevor sie mitten am Tag den Rolladen runterknallen ließ. Aber da wir ja eben nicht sind, wie diese Russen, die gestern ihr niedriges Bildungsniveau und primitiven Nationalismus zur Schau gestellt haben, weisen wir darauf hin: ja, es gibt gebildete und anständige Russen. Ein Teil von ihnen sitzt, wie Alexej Nawalny, in russischen Strafanstalten.

An Ihren Fahnen …

Ein anderer Teil hat in den vergangenen vier Wochen zu hunderttausenden die russische Förderation verlassen, weil schon die schlichte Feststellung, dass Russland in der Ukraine Krieg führt, zur Bestrafung von Russen durch Russen in Russland führt. Anders als die feigen Brüller, die sich geschützt vom deutschen Recht gestern durch die Bad Kreuznacher Innenstadt trollten, nehmen diese Russen persönliche Nachteile in Kauf, um sich an den Verbrechen ihres Vaterlandes nicht mitschuldig zu machen.

… sollt ihr Nationalisten und …

Angesichts dieses Mutes und dieser Aufrichtigkeit verbietet sich jede pauschale Vorverurteilung von russischsprachigen Menschen in Bad Kreuznach. Denn auch ein – hoffentlich – großer Teil der an der Nahe lebender Russen erkennt das von ihrem Heimatland ausgehende Unrecht als solches an. Immerhin mußten die 450 russischen Nationalisten gestern aus halb Deutschland auf die Bad Kreuznacher Pfingstwiese zusammengekarrt werden.

… Kriegstreiber erkennen.