Dr. Marlene Marthaler: “2021 kein gutes Jahr für den Baum- und Denkmalschutz”

Gastbeitrag von
Dr. Marlene Marthaler

Um es gleich vorweg zu sagen: das vergangene Jahr 2021 war für den Denkmal- und Umweltschutz in Bad Kreuznach kein gutes Jahr. Erhaltenswerte, denkmalgeschützte Gebäude wurden oder sind geplant abgerissen zu werden. Wichtige Umweltthemen kamen nicht voran. Um mit dem Letzteren zu beginnen: das Jahr 2021 geht zu Ende und noch immer hat die Stadt keine Baumschutzsatzung. Diese war im September 2020 vom Stadtrat an den Planungsausschuss zurückverwiesen und dort im April 2021 erneut abgelehnt worden. Gestritten wurde über den Baumumfang, ab dem ein Baum geschützt werden sollte.

Es gab aberwitzige Vorschläge, z.B. ab 100 cm oder gar ab 120 cm. Nach dieser Vorgabe wird wohl kaum ein Baum geschützt werden. Seitdem ruht das Thema. Die Stadt erlaubt sich diese Untätigkeit in Zeiten von fortschreitendem Klimawandel noch dazu als Kurstadt in einer ohnehin regenarmen Region. Das ist für die Verantwortlichen im Stadtrat und im Planungsausschuss. die eine effektive Baumschutzsatzung ab 80 cm abgelehnt haben ein Armutszeugnis und zeugt nicht von positivem Gestaltungswillen für das Wohl der Bürger. Zum Vergleich: Unsere Landeshauptstadt Mainz hat schon seit 2003 eine Baumschutzsatzung und seit Oktober 2021 auch Koblenz mit 80 cm Stammumfang.

Dass unsere OB zu einer Baumspende aufgerufen hat, ist lobenswert, ersetzt aber keine Baumschutzsatzung. Auch ein damit verwandtes Thema ist die bedenkenlose Zersiedelung des Umlandes. Wo andere Städte – hier beispielhaft zu nennen Speyer – keine Baugebiete in der Peripherie mehr ausweisen, sondern stattdessen die Innenstädte neu beleben, macht es Bad Kreuznach gerade andersherum: an den Stadtgrenzen sollen neue Baugebiete ausgewiesen werden, z.B. am Kauzenberg, während die historische Neustadt ein jämmerliches Aschenputteldasein fristet. Womit wir jahresrückblickend beim Denkmalschutz angekommen wären.

Trotz großem Echo in der Presse, kritisch-mahnender Berichterstattung im Fernsehen (SWR-Landesschau) und eines Protestspaziergangs im Mai 2021 durch die Neustadt: das denkmalgeschützte Haus Lämmergasse 5 wird abgerissen werden, nachdem man es sehenden Auges hat verkommen lassen und der Denkmalschutz damit passe war. Auch wenn „umgebungsgerecht“ neu gebaut werden sollte: es bleibt ein Neubau, der niemals die Atmosphäre eines historischen Hauses einfangen kann: spätbarock, straßenbildprägend, tonnengewölbter Keller mit noch älterem Brunnen…

Es steht zu befürchten – und dafür gibt es zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit – dass dies kein Einzelfall bleiben wird. Und das in einer Zeit, in der andere Städte längst den Wert und den Charme ihrer Altstädte erkannt haben und auch Anstrengungen unternehmen, diese zu erhalten und herausputzen. Erinnert sei an den niederschmetternden Kommentar des Vorsitzenden des Vereins „ Pro Altstadt“ in Frankfurt, Andreas Weber, anlässlich seines Besuchs in Bad Kreuznach im Herbst des vergangenen Jahres: „habe mich nicht wohlgefühlt“, Pressemitteilung im November 2021. Das Städtebauförderprogramm “Aktive Stadtzentren“, in dem Bad Kreuznach seit 2009 aufgenommen war, ist Ende 2021 ausgelaufen.

Die Förderung privater Eigentümer, so das Stadtbauamt, Abteilung Stadtplanung und Umwelt, könne somit nicht mehr erfolgen. Es ist die Frage, was an Fördermitteln in der Neustadt zwischen Gerbergasse und Mannheimer Straße angekommen ist in den vergangenen 12 Jahren. Die Antwort wäre interessant. Wenig hilfreich ist es, immer wieder zu betonen, was man alles veranlasst habe. Das Ergebnis zählt und in anderen Städten kann man mehr erfolgreiches Wirken vorweisen. Bad Kreuznach hat mit seinen Brückenhäusern nahezu ein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt solche baulichen Raritäten nur noch in Erfurt und eben in Bad Kreuznach.

Während Erfurt seine Brückenhäuser herausgeputzt und zu einer Touristenattraktion gemacht hat, geht man hier sehr achtlos mit diesem bauhistorischen Schatz um : das Brückenhaus über dem Ellerbach (Mannheimer Straße 52) ist ( denkmal-) schutzlos geworden, da man seinem Zerfall über die letzten Jahre achtlos und untätig zusah. 2018 rutschte das Gebäude fast 30 cm tiefer Richtung Ellerbach.Seitdem stehen Stützbalken in der Mannheimer Straße. Der Warnmeldung von seiten unseres Vereins im Frühjahr 2021 an die Untere Denkmalschutzbehörde, dass in dem Dach ein großes Loch sei, folgten keinerlei „Rettungsmaßnahmen“. Lediglich hieß es, man habe diese Information an den Eigentümer weitergegeben. Auch hier gilt wie oben:

Selbst ein umgebungsgerechter Neubau stellt das historische Gebäude nicht wieder her. Auch dieses Haus hätte gerettet werden können. Die jetzt bewilligten 90.000 € aus dem Städtebauförderprogramm hätte man für eine denkmalgerechte Sanierung einsetzen müssen, um den Denkmalschutz zu erhalten. Und was ist mit dem Brückenhaus, dem über die Nahe mit der Schwedenkugel? Nicht nachzuvollziehen und nicht gutzuheißen ist die Entscheidung der Stadt, dieses Wahrzeichen der Stadt – beworben in allen Prospekten und Autobahnschildern – nicht in städtische Hand zu übernehmen. Eine große Chance vertan:

Bis zu 90% der Sanierungskosten wären gefördert worden aus dem Förderprogramm „Aktive Stadt“, hätte die Stadt das Brückenhaus zum Verkehrswert von 1 € gekauft und es öffentlich genutzt. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz hatte 50.000 € jährlich ( ! ) für die Erhaltung des Kulturdenkmals in Aussicht gestellt. Aber Herr Endemann wollte 300.000 €. Hat die Stadt mit dem nötigen „Herzblut“ verhandelt, um Eigentümerin von dem „Kleinod von Bad Kreuznach“ (OB Kaster-Meurer) zu werden? Die Bürger wünschten sich das, das sah auch unsere OB so. Aber das Brückenhaus verblieb in privater Hand.

Im Sommer 2021 wurden dem Eigentümer von der Stadt 95.000 € zugesagt bei geschätzten Sanierungskosten von 900.000 €. Im Oktober teilte der Eigentümer in einem SWR-Beitrag mit, er werde jetzt mit der Sanierung beginnen Laut Pressemitteilung vom 17.11.21 hat unsere OB Herrn Weber vom Verein „Pro Altstadt“, Frankfurt, mitgeteilt, dass nun endlich mit der Sanierung begonnen werde. Erkennbar geschehen ist bisher nichts. Leerstehende Häuser seien eine schlechte Botschaft, sagt unsere OB im oben erwähnten SWR-Beitrag. Recht hat sie. Eine schlechte Botschaft aber sind auch dauereingerüstete Gebäude, z.B. der denkmalgeschützte Turm der ehemaligen Wilhelmskirche.

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Eigentümerin, nämlich die Sparkasse Rhein-Nahe, jahrelang es nicht fertig gebracht hat, den Turm zu sanieren. Stattdessen erwartet das Geldinstitut Sparkasse Fördermittel vom Land und entschuldigt damit bedauernd ihr Nichtstun. Es ist auch nachzufragen, warum OB Kaster-Meurer, in ihrer Funktion als Verwaltungsratsmitglied, hier nicht interveniert und es zur Chefsache gemacht macht. Dem Stadtbild hätte es gutgetan. Bevor der Jahresrückblick die Nahe überquert noch ein letztes Abschiedswort zum Abriss der einst prachtvollen Villa Stöck im Brückes: ihr Abriss steht symbolisch für den gleichgültigen Umgang mit denkmalgeschützten stattlichen Gebäuden und die desolate Situation des Denkmalschutzes hier in Bad Kreuznach.

Und was ist mit dem Kurmittelhaus in Bad Münster? Allenfalls Gelder für die Dachsanierung stehen zur Verfügung. Und ganz in der Nähe auch in der Denkmalzone: Warum hatte man sich nicht rechtzeitig bemüht,das zusammenfallende Wasserrad zu sanieren bzw. denkmalgerecht zu ersetzen? Vorbild hätte das noch intakte Wasserrad vor dem Kurmittelhaus sein können, das 1993 von Zimmerermeister Bernd Kossmann restauriert wurde. Warum bemüht sich die Stadt nicht – wenn sie schon kein Geld hat – um Sponsoren? Fehlt es den Verantwortlichen an Interesse? an Phantasie? an Mut?

In jedem Falle fehlt es an dem überzeugenden Willen, sich für Denkmal- und Umweltschutz einzusetzen und dafür- auch gegen Widerstände – eine Lanze zu brechen. An willfährigem Entgegenkommen für Investoren fehlt es hingegen nicht- man schaue sich die Zubetonierung des Brückes an. Solange es keine Baumschutzsatzung gibt, die Ersatz für gefällte Bäume verbindlich fordert, solange es keinen Denkmalschutz gibt, der den Verantwortlichen am Herzen liegt, solange es keine aktuelle Bauleitplanung gibt, die eine nachhaltige Stadtentwicklung zum Ziel hat, also z.B. das charakteristische Erscheinungsbild der Stadt zu erhalten, wird sich an der Nicht-Wohlfühl-Situation nichts ändern.

Dr. Marlene Marthaler ist ehrenamtliche Pressesprecherin des denk-mal: Bad Kreuznach e.V. für Denkmal- und Umweltschutz