Gefährlicher Abfall steht noch immer auf der Pfingstwiese

Weltkriegsbomben im Boden der Pfingstwiese: bereits im Frühjahr 2019 hatte die Redaktion dieser Seite die Stadtverwaltung auf die tödliche Gefahr hingewiesen. Trotz der Einschaltung mehrerer zuständiger Stellen geschah monatelang nichts. Am 23. Februar 2021 wurden dann vier US-Brandbomben aus dem II. Weltkrieg gefunden. In einer Tiefe von nur 30 bis 40 Zentimetern. Mitten im vom Jahrmarkt benutzten Bereich. Jahrzehntelang hatten alle Beteiligten lediglich Glück. Wäre an dieser Stelle der Bodenanker eines Festzeltes oder einer Attraktion eingehämmert worden, hätte sich eine Katastrophe abgespielt.

Das Bild zeigt die Sprengung am 23.2.2021. Dabei wurde sowohl das Erdreich im Boden als auch das aufgeschüttete Dämpfmaterial mit den Bombeninhaltsstoffen kontaminiert.

Wegen der zu großen Gefahr beim Transport wurden die Bomben noch am Auffindetag um 15:09 Uhr vor Ort gesprengt. Zuvor hatte der damit befaßte Kampfmittelräumdienst der ADD tonnenweise Sand über das Sprenggut gehäuft. Dieser sollte sowohl einen Teil der Energie aufnehmen. Als auch die bei der Explosion freigesetzten Gift- und Gefahrenstoffe. Das ist jetzt über zehn Monate her. Das durch die Sprengung kontaminierte Material – und noch einiges mehr – wurde in Container verfüllt. Mit “maximal 150 Tonnen Boden und Steine, die gefährliche Stoffe enthalten”, gibt die Stadt Menge und Konsistenz an.

Die steht seit dem am Zaun zum Moebus-Stadion. Unser Bild des Containerlagers enstand am gestrigen Silvesternachmittag 2021. Wie konkret das Material kontaminiert ist, teilt die Stadt nicht mit. Die Belastung ist aber immerhin so hoch, dass die Deponierung nur mit einer Sondergenehmigung der SGD Süd erfolgen darf. Erst über zwei Monate nach der Sprengung, am 6. Mai 2021, legte die Stadtverwaltung durch eine Subunternehmerin den ersten elektronischen Entsorgungsnachweis bei der fach- und sachlich zuständigen Sonderabfall-Management-Gesellschaft Rheinland-Pfalz mbH (SAM) in Mainz vor. Der Plan der Stadt sah so aus:

Abfalltourismus. Genau die in Sonntagsreden der Politikschwätzer*Innen immer wieder kritisierte Entsorgungsverbringung in entfernte Gefilde sollte realisiert werden. Im konkreten Fall aus Rheinland-Pfalz nach NRW. In eine Deponie, von der die seit Jahrzehnten mit der Materie vertraute SAM in Beantwortung einer Anfrage dieser Redaktion feinsinnig feststellte, diese sei ihr bisher nicht bekannt gewesen. Weil die Sonderabfall-Management-Gesellschaft die ihr vom Land übertragenen Aufgaben erkennbar ernst nimmt, lehnte sie diesen Vorschlag der Stadt ab. Und wies auf eine Deponie bei Kaiserslautern hin:

Wesentlich kürzerer Transportweg. Optimale Kontrolle. Deutlich niedrigere Kosten. So viel Kompetenz führte bei der Stadt erst mal zu einer mehrmonatigen Untätigkeit. Lediglich unterbrochen am 24.6. und 6.7.2021 durch die Vorlage von Entsorgungsangeboten. Der Versuch der SAM, am 10.9.2021 bei der Stadtverwaltung per E-Mail den aktuellen Sachstand zu ermitteln, wurde lediglich mit der noch am selben Tag verschickten Antwort, die Abfälle befänden sich noch vor Ort und man stehe in Kontakt zu der Deponie in Kaiserslautern, belohnt”. Danach setzte sich der städtischen Büroschlaf fort. Bis zu von der Redaktion dieser Seite Anfang November 2021 auf den Weg gebrachten Batterie von Anfragen an mehrere Behörden (Kreis, SGD, SAM usw).

Das bewirkte dann doch ein Hochschrecken auch im Stadthaus. Zumal der Landkreis die Dimension des ihm bis dahin unbekannten Problems sofort erkannte. Und Strafantrag stellte. Da so eine heisse juristische Kartoffel von den subalternen Mitarbeitenden gern mal nach oben durchgereicht wird, kam plötzlich Leben in die Sache. Es fehlte nun allerdings an der fachlichen Kompetenz, die Sache zum Abschluß zu bringen. Auch wenn Nachhilfe in Verwaltungsverfahren nicht zum Kernaufgabenbereich der SAM gehört, unterstützten die Mainzer Spezialisten die Stadtverwaltung mit vielerlei Ratschlägen zur weiteren Vorgehensweise.

Und so konnte SAM-Geschäftsführer Dr. Olaf Kropp am 7.12.2021 feststellen, “auf telefonische Anfrage beim Deponiebetreiber in Kaiserslautern wurde uns heute mitgeteilt, dass inzwischen aktuelle neue Analysen vorliegen. Die danach weiterhin für die Ablagerung notwendige Einzelzulassung der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Süd werde zeitnah mit dem Hinweis auf Eilbedürftigkeit beantragt. Sobald sie vorliege, werde ein entsprechender elektronischer Entsorgungsnachweis bei der SAM eingereicht. Dieser wird dann mit höchster Priorität von der SAM bearbeitet”. Und am 28.12.2021 ergänzte Dr. Kropp:

“Der erforderliche elektronische Entsorgungsnachweis wurde gestern von der SAM behördlich bestätigt. Damit kann nunmehr die Entsorgung auf der Deponie in Kaiserslautern erfolgen”. Es ist bekannt, dass die Preussen (zu denen Bad Kreuznach verwaltungsmäßig früher gehörte) so schnell nicht schiessen. Und so stehen die Container auch heute am Neujahrstag 2022 noch auf der Pfingstwiese. Nur für Aussenstehende erstaunlich ist, dass sich bisher kein einziger Kommunalpolitiker um die Sache kümmerte. Auch die bei Umweltschutzfragen mit Anträgen und Redenbeiträgen in den Gremien sonst so Aktiven taten einfach nichts. Und so steht seit über zehn Monaten containerweise gefährlicher Abfall auf der Pfingstwiese rum. Ohne jeden Warnhinweis. Ohne jede Erklärung zum Gefährdungspotential für die Bevölkerung.

Immerhin die SAM und die Kreisverwaltung sind um Schadenbegrenzung in der Sache bemüht. Und daher ist davon auszugehen, dass die Entsorgung des belasteten Materials doch noch vor dem Jahrestag der Sprengung erfolgt. Bleibt die Frage nach den Kosten. Also die für die Miete der statt wenigen Wochen fast ein Jahr als Zwischenlager genutzten Container. Um etwa die ehrenamtliche Arbeit der Bastgässjer für Obdachlose mit einem Dusch- und WC-Container zu unterstützen, verweigerte die Stadt 3.000 Euro Zuschuß. Und gab zeitgleich ein Vielfaches des Betrages für Containermiete aus, um Gefahrenstoffe entgegen den Vorschriften monatelang auf der Pfingstwiese zu lagern. Im Stadtrat stört das keine(n). Zumindest bisher.

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08.11.21 – “Gefährlicher Abfall auf der Pfingstwiese: Kreis ermittelt”
06.11.21 – “Stadt lagert maximal 150 Tonnen gefährlichen Abfall auf der Pfingstwiese”
23.02.21 – “4 Weltkriegs-Brandbomben auf der Pfingstwiese gesprengt”
17.02.21 – “Auf der Pfingstwiese wird nach Weltkriegsbomben gesucht”
08.10.20 – “Stadt läßt Pfingstwiese nach Weltkriegsbomben untersuchen”
02.08.19 – “ADD klärt Widersprüche um Weltkriegsbombe an der Heidenmauer auf”
27.07.19 – “Stadt: keine Erkenntnisse über Kampfmittel im Boden des Jahrmarktsgeländes”