Unglaubwürdig

Die Meinung unseres Redakteurs
Claus Jotzo

Gestern Abend in der Mitgliederversammlung des CDU-Stadtverbandes wurde die amtierende Oberbürgermeisterin mit deutlichen Worten kritisiert. Von ihrem abgewählten Amtsvorgänger Andreas Ludwig. Von Landrätin Bettina Dickes. Von der Stadtverbandsvorsitzenden Erika Breckheimer, deren Vorstandskollegen Dr. Gerd Modes und anderen Christdemokraten. Als konkrete Kritikpunkte wurden u.a. die Verkehrssituation und die Fahrradgarage am Bahnhof genannt. Über die Pop-up-Radwege wurde sich lustig gemacht.

Wer wie ich die Ausschuss- und Stadtratssitzungen der vergangenen Jahre persönlich mitverfolgt hat, konnte da nicht mitlachen. Denn die Kritik der CDU ist zwar inhaltlich sehr berechtigt. Aber vollkommen unglaubwürdig. Denn die CDU-Stadtratsfraktion hat fast alle Beschlüsse, die zu den gestern kritisierten Fehlentwicklungen führten, mehrheitlich oder einmütig mitgetragen. Sogar noch im Sommer 2020, als etwa bei der Fahrradgarage die Mißstände offenkundig wurden, stimmte die CDU im Planungsausschuss für das Projekt.

Als im Herbst 2020 die Fraktion FWG / BüFEP die Pop-up-Radwege per Antrag abschaffen wollte, stimmte die CDU geschlossen dagegen – also für die Fortführung des Experimentes an lebenden Menschen, dessen staufördernde Wirkung sie gestern beklagte. Und auch bezüglich der Fahrradgarage ließ die CDU die Kritiker aus den Reihen der kleinen Parteien in den Gremien im Regen stehen. Mit der gestern lautstark erhobenen Forderung im Gewerbebereich verstärkt auf Medizintechnik zu setzen, spielt die CDU sogar der Oberbürgermeisterin in die Karten.

Denn es war Dr. Heike Kaster-Meurer, die Stadtratsmitglied Prof. Dr. Heinz Rüddel (SPD) und Prof. Dr. Wolfgang Vieweg (CDU) vom Ausschuss für Wirtschaftsförderung bei ihrer Initiative für einen Ableger der FH Bingen in Bad Kreuznach unterstützte, der genau in diesem inhaltlichen Segment liegt. Wenn die Wahlkämpfer*Innen der SPD sich nicht ganz doof anstellen, werden sie in der Kritik der Christdemokraten viele Widersprüche und Rohrkrepierer finden. Schon jetzt ist absehbar: der kommende OB-Wahlkampf wird für die CDU zum Desaster.

Sie wird Opfer ihrer kommunalpolitischen Untätig- und Konzeptionslosigkeit. Hinsichtlich der Personalauswahl und der Wahlkampfführung auf die Ratschläge der Abgeordneten Julia Klöckner und Dr. Helmut Martin zu hören, erscheint angesichts deren Wahlergebnisse nicht sehr zielführend. Denn beide haben im ablaufenden Jahr kein Direktmandat gewonnen. Die Posten gingen an die SPD. Klöckner und Dr. Martin gehören dem Bundestag bzw dem Landtag lediglich wegen ihrer guten innerparteilichen Vernetzung und den daraus resultierenden vorderen Listenplätzen an.

Und wenn Sabine Drees sich dafür rühmt eine erfolgreiche Wahlkämpferin zu sein, weil sie vor Wochen in Oldenburg 37% der Stimmen “gegen 12 Listen” geholt hat, mag das in ihrer Sichtweise stimmen. Dann ist aber auch richtig, dass ihr dortiger Gegenkandidat bei gleicher Ausgangslage deutlich besser abschnitt. Er holte 63%. Und wurde Landrat. Die absehbare Wahlpleite könnte für die CDU aber etwas Positives mit sich bringen. Wenn sie sich danach endlich personell erneuert und inhaltlich klar profiliert.

Denn nach der OB-Wahl 2022 ist vor der Kommunalwahl 2024. Es ist zwar schon Jahrzehnte her. Aber die Bad Kreuznacher CDU war schon einmal stärkste Fraktion. Allerdings mit fast 20% der Stimmen mehr als 2019. Da die Verwaltung umsetzen muss, was der Stadtrat beschließt, ist die Dominanz dort ein lohnendes Ziel. Und Dr. Kaster-Meurer bleibt sowieso nicht die vollen weiteren acht Jahre. Sobald ein besser bezahltes Pöstchen winkt, ist sie weg.