GuT muss hunderttausende Euro zurückzahlen

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Rund 2.000 Beitragszahler*Innen in Bad Kreuznach dürfen sich freuen. Die städtische GuT GmbH muss ihnen die kassierten Tourismusbeiträge für 2017 zurückzahlen. Zusammen sind das mehrere hunderttausend Euro. Die genaue Zahl haben weder GuT noch Stadtverwaltung bisher veröffentlicht, wie auch viele andere Details des Beitragserhebungsverfahrens vor der Öffentlichkeit verborgen wurden. Die Rückzahlung ist die Konsequenz des von Antonio Valentino erstrittenen Urteils des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz (OVG), das den Parteien vorgestern zugestellt wurde (diese Seite berichtete).

Es ist bereits der zweite erfolgreiche Normenkontrollantrag des Inhabers vom “Ponte Vecchio” gegen die Tourismusbeitragssatzung der Stadt. Schon mit Urteil vom 19. Dezember 2018 hatte das OVG der Stadt auf Antrag Valentino’s eine Überschreitung rechtlicher Grenzen nachgewiesen. Den seinerzeit ausgeurteilten Kalkulationsfehler “heilte” der Stadtrat unter Leitung von Dr. Kaster-Meurer mit Beschluß vom 21. Febraur 2019. Dabei kam es genau zu dem weiteren Formfehler, den das OVG mit Urteil vom 29. Juni 2021 nunmehr ausurteilte. Diese Seite berichtet über die Hintergründe in der heutigen Ausgabe in einem gesonderten Beitrag.

Der weitere Verfahrensgang sieht wie folgt aus. Das OVG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen. Gemäß “Rechtsmittelbelehrung” kann dagegen eine sogenannte “Nichtzulassungsbeschwerde” beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werden. Weil die Urteilsgründe auf Tatsachen beruhen, die die Stadt selbst eingeräumt hat, beurteilen Fachpersonen die Einlegung dieses Rechtsmittels als “vollkommen aussichtslosen, weiteres Steuergeld verbrennenden, reinen Verzweiflungsakt, um zwei Monate Zeit zu gewinnen”. Die zweite Möglichkeit der Stadt, den Bürger*Innen die Rückzahlung ihrer Beiträge vorzuenthalten, besteht in einem weiteren Stadtratsbeschluß.

Für diesen ergeben sich zwei prinzipielle Möglichkeiten. Der Stadtrat sieht selbstkritisch ein, dass die über fünf Jahre vorgenommene Leugnung der sehr überzeugenden Hinweise zur Ausgestaltung einer gerechten Beitragssatzung, sachwidrig und falsch war. Und beginnt den Beratungsprozess von Anfang an neu. Aufgrund des dafür erforderlichen Informations- und Beratungsbedarfes ist die Beschlußfassung einer vollkommen neu strukturierten Tourismusbeitragssatzung bis zur letzten Stadtratssitzung im Dezember schon aus Zeitgründen unmöglich. Die einzigen, die das in dieser Zeit fachlich könnten, ist das Team Valentino.

Weil dies die einzigen sind, die einerseits die örtlichen Verhältnisse und andererseits die juristischen Implikationen so umfassend kennen, dass ihnen ein rechtssicherer Satzungsentwurf möglich wäre. Um diese Zusammenarbeit zu ermöglichen, müßten Stadtrat und Stadtverwaltung ihr bisheriges Verhalten komplett verändern. Beobachter halten das für ausgeschlossen. Den anderen Weg ist die Stadt bereits im Februar 2019 gegangen: der Versuch einer formalrechtlichen “Reparatur” der Satzung durch einen erneuten Beschluß. Darauf freut sich Antonio Valentino.

Denn bereits in der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2021 hat er durch insgesamt fünf Beweisanträge angedeutet, dass sein Team aufgrund der Erfahrung von 2019 sich genau auf diesen Fall umfassend vorbereitet hat. “Ich freue mich auf einen weiteren Beschluß des Stadtrates noch in diesem Jahr. Denn dann werde ich für die Einwohner*Innen nachvollziehbar und anschaulich machen, was der Stadtrat alles nicht kann”. Faktisch hat Antonio Valentino die Stadt Bad Kreuznach in eine Situation gebracht, die Stadtratsmitglied und früherer Boxer Gerhard Merkelbach aus seiner Sportkarriere gut kennt:

Sie steht in der Ecke und kann wählen, ob sie das Handtuch wirft. Oder sich den letzten Treffer abholt und sich auszählen läßt. Um das verständlich zu machen ist ein Hinweis auf die dramatische haushaltsrechtliche Situation der Stadt Bad Kreuznach nötig. Wie Bürgermeister Wolfgang Heinrich (parteilos) nicht müde wird zu betonen, ist die Stadt hoch verschuldet. Die Millionenbeträge, die auch dank des Fleisses der Unternehmen und Einwohner*Innen bis einschließlich 2018 getilgt werden konnten, wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren wieder rausgehauen, als gäbe es kein Morgen.

Das hat gravierende Auswirkungen für den Tourismusbeitrag. Würde dessen Rückzahlung in 2021 erfolgen, müßte sich die Aufsichts- und Dienstleistungs-Direktion (ADD) den Corona-Sonderregeln des Landes Rheinland-Pfalz beugen. Und der Stadt einen entsprechenden Nachtragshaushalt mit entsprechender Zusatz-Verschuldung letztmalig genehmigen. Verzögert die Stadt aber die Rückzahlung durch aussichtslose juristische Tricks ins nächste Jahr, gelten ab 2022 ganz andere haushaltsrechtliche Maßstäbe.

Und neben den Defizit-Millionen fürs Jugendamt, den ÖPNV, die Verkehrswende und den Klimaschutz sind die erforderlichen hunderttausende von Euro für den Tourismusbeitrag dann einfach nicht mehr da. Weil trotzdem natürlich gezahlt werden muss, droht dann ein Zwangshaushalt. Zwei Jahre bevor ein neuer Stadtrat gewählt. Es stimmt. Viele Jahre hat die grosse Mehrheit der Einwohner*Innen geschlafen und / oder geschwiegen. Etwa die Hälfte hat nicht mal mehr an Wahlen teilgenommen. Das wird sie aufwecken. Dann wird sich einiges in Bad Kreuznach ändern. “Endlich”, freut sich Antonio Valentino.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

09.07.21 – “OVG beerdigt den Tourismusbeitrag”
08.07.21 – “Antonio Valentino gewinnt erneut: OVG hebt Tourismusbeitragssatzung auf”