Heute Geheimsitzung zum Jahrmarkt

Eine Einschätzung unseres
Redakteurs Claus Jotzo

Wie es korrekt geht, hat gestern Abend der Bad Dürkheimer Stadtrat vorgemacht. In öffentlicher Sitzung wurde transparent entschieden, dass der dortige Wurstmarkt auch in diesem Jahr nicht stattfindet. Auch dort gibt es Schausteller mit legitimen finanziellen Interessen. Doch in der Pfalz wissen die Kommunalpolitiker offenbar, dass sie nicht einer kleinen Gruppe verpflichtet sind, sondern der großen Stadtgemeinschaft. In Bad Kreuznach, wo einzelne Akteure schon immer den Versuch unternommen haben rund um den Jahrmarkt “nebenbei” was zu drehen, wird das selbe Thema ganz anders behandelt.

Markus Schlosser nahm gestern Abend an der Sitzung des Finanzausschusses teil.

Nichtöffentlich. Trotz einer entgegenstehenden Zusage, die der Jahrmarktsbürgermeister in der zurückliegenden Sitzung des Jahrmarktausschusses gab. Es ist noch keine zwei Monate her, da versicherte Markus Schlosser am 19. Mai 2021: “der Ausschuss entscheidet”. Nach der Gemeindeordnung sind derartige endgültige Entscheidungen IMMER in öffentlicher Sitzung zu treffen. Warum Markus Schlosser die korrekte Form meidet, hat er gestern nicht erklärt. Aber mitten in einer Sitzung des Finanzausschusses wehrte er einen Sparvorschlag in Richtung Jahrmarkt mit dem Hinweis ab: “der Jahrmarktausschuß trifft sich morgen”.

Um sich aufgrund meines Zwischenrufes (“morgen ist eine Ausschußsitzung?”) flugs zu korrigieren mit der Erklärung, “also es findet eine Information statt”. Die möchte Schlosser in einer nichtöffentlichen Videokonferenz geben, die heute Abend um 18:30 Uhr startet. Wieso sich die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker auf die Teilnahme an einem Format einlassen, das kommunalrechtlich nicht zulässig ist, läßt viele Interpretationen zu. Und Klagemöglichkeiten für alle, die durch die Schlosser-Schausteller-Arbeitsgemeinschaft nicht zum Zuge kommen.

Oder als Anwohner schon lange mal dem Jahrmarkt und / oder der Stadt ein Bein stellen wollten. Rechtlich kommt es nicht darauf an, ob nur informiert oder entschieden wird. Entweder gibt es eine korrekt eingeladene öffentliche Sitzung – oder nichts. Es ist wohl der Plan eines “Jahrmarkt light”, der Markus Schlosser zu diesem kommunalpolitischen Vabanquespiel motiviert. Dabei setzt der Beigeordnete den Ruf der Veranstaltung aufs Spiel. In Bad Dürkheim haben sie erkannt: “ein bißchen Wurstmarkt gibts nicht”. Dieser klare Blick fehlt Markus Schlosser und anderen Verantwortlichen.

Denen eines gemein ist: sie sind keine Bad Kreuznacher. Sie wissen nicht, dass ein Jahrmarkt, der in der Wahrnehmung der Menschen keiner ist, am Ende mehr schadet, als nutzt. Es ist sehr schade, dass der um den Jahrmarkt verdiente Vorsitzende des Fördervereines, Dieter Gronbach, diesen schwerwiegenden Aspekt, der durch über 200 Jahre Geschichte des Volksfestes belegt ist, nicht stärker in den Vordergrund rückt und stattdessen kurzfristige finanzielle Interessen der Schausteller zu hoch bewertet. Für keine andere coronageschädigte Berufsgruppe der Stadt hat Bad Kreuznach so viel getan, wie für die Schausteller.

Die übrigens auch Coronahilfen vom Staat bekommen. Anders als Einzelhändler, Gastronomie und fast alle andere Geschäftsleute müssen Schausteller keine Registrierkassen einsetzen. Das ist in den Augen von Fachpersonen der Hauptgrund, warum deren hilferelevante Umsätze in 2019 vergleichsweise niedriger sind. Und daher auch die aktuelle Finanzhilfe. Aber nur wegen Extrageldausfällen die öffentlichen Kassen in Anspruch zu nehmen, ist dreist. Die Schausteller sollten aus vielen guten Gründen nicht zu gierig sein. Und lieber mit ihren Gästen noch ein Mal Verzicht üben.

Denn wenn ab dem 1. Oktober 2021 allen die Corona-Milliarden fehlen, werden sich die Betroffenen erinnern bei wem im Sommer die Kassen klingelten. Das Risiko für den Jahrmarkt 2021 ist weniger infektionstechnischer Art. Obwohl es natürlich eine Illusion ist, ein viele Hektar großes Festgelände perfekt einzuzäunen und abzugrenzen. Und nur dann, wenn ausser durch die kontrollierten Eingänge nirgendwo sonst ein Infizierter ohne Impfpass, ohne Genesenenausweis und ohne negativen Test auf das Gelände kommen könnte, wäre die Veranstaltung sicher. Selbst wenn diese Bedingung praktisch zu erfüllen wäre (was die meisten Fachpersonen mit Ortskenntnis verneinen), würde sich die Stadt selbst ein Bein stellen.

Als es aus Sorge vor islamistischen Anschlägen Taschenkontrollen an den Eingängen zum Jahrmarkt gab, ging es vielen Festgästen nicht schnell genug. Die Kontrolle von Impfpapieren samt Überprüfung der Identität soll flotter abzuwickeln sein? Und ist ohne erhebliche Zusatzkosten möglich? Wem wollen die Verantwortlichen der Stadtverwaltung dieses Märchen denn erzählen? Es kann nur eine sachgerechte Entscheidung geben: die Absage des Jahrmarktes 2021. Nur die kann heute nicht fallen. Denn leider hat Markus Schlosser die formalen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen. Und die Kommunalpolitiker haben darauf nicht bestanden.