ver.di: Kita-Zukunftsgesetz – Offenbarung oder Murks?

Im Koalitionsvertrag 2016 wurde das neue Kitagesetz prominent angekündigt und der erste Gesetzesentwurf wurde im Sommer 2018 veröffentlicht. Im April 2019 wurde ein überarbeiteter Gesetzentwurf vorgelegt um im Sommer 2019 dann im Landtag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen beschlossen zu werden. Jetzt tritt das neue Kitagesetz zum 1. Juli 2021 endgültig in Kraft.

Schon bei der Debatte über den Entwurf gab es zwei Meinungen. Während das Bildungsministerium und die Regierungsfraktionen den Gesetzentwurf als wahrhaft zukunftsweisend lobten – daher wahrscheinlich auch der Name Kita-Zukunftsgesetz – kam aus der Praxis viel Kritik. Der große Wurf und das bundesweit angeblich beste Kitagesetz, so zumindest aus der Perspektive der Landesregierung, zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass die Grundsätze zur Personalberechnung auf eine völlig neue Grundlage gestellt wurden.

Die alte Orientierung an den genehmigten Gruppen fiel weg, dafür wurde die Personalberechnung auf ein platz- und altersbezogenes System umgestellt. Zitat aus der Begründung zum Gesetz: „Das infolge vorangegangener Gesetzesänderungen hoch differenzierte bisherige Gruppensystem mit seinen divergierenden finanziellen und personellen Anreizen, die erfolgreich den Ausbau des Angebotes an Plätzen für unter-dreijährige Kinder vorangebracht hatten, wird zugunsten eines transparenten, präzisen und verwaltungseinfachen Personalbemessungssystems aufgegeben.“

Ein nachvollziehbares Motiv der Landesregierung war, bestehende regionale Unterschiede bei der Personalisierung auszugleichen, also für wie viele Kinder ist ein*e Erzieher*in gleichzeitig verantwortlich. Und wenn es mit der neuen Regelung dann doch in wenigen Einzelfällen zu Verschlechterungen kommen sollte, dann könne das über das finanziell aufgestockte Sozialraumbudget aufgefangen werden. Die Ansage war, dass sich keine Einrichtung schlechter stellen würde, sich aber sehr viele Einrichtungen verbessern würden.

Mit der Vorstellung des Gesetzentwurfs rechneten Kitaleitungen und Träger ihr künftiges Personalbudget aus. Und sie kamen sehr oft zu einer verschlechterten Personalisierung. Sobald sie das feststellten und entsprechend nachfragten, wurde ihnen von den Verantwortlichen im Land als Wundermedizin das Sozialraumbudget verordnet. Aber so wie es bis jetzt aussieht, heilt auch das Sozialraumbudget längst nicht alle geschlagenen Personallöcher. Viele Praktiker*innen stellten fest, dass mit dem neuen Gesetz oftmals weniger Fachkräfte im Team mitarbeiten als vorher.

In den letzten Wochen erreichten uns immer mehr Rückmeldungen aus der Praxis, dass der genehmigte Personalschlüssel aus der „neuen“ Betriebserlaubnis schlechter sei als die frühere Personalausstattung. Wir wollten es genauer wissen und haben dazu eine Umfrage gestartet. Diese ist hier zu finden: https://umfragen.verdi.de/index.php?r=survey/index&sid=593366&newtest=Y&lang=de-informal

„Das bisherige Ergebnis der Umfrage hat unsere schlimmsten Erwartungen noch übertroffen. Viele stellen sich tatsächlich schlechter und die bisherigen Kenntnisse über die Verwendung des Sozialraumbudgets zeigen längst nicht überall, dass die entstandenen Personallücken gefüllt werden. Die ´Umetikettierung` der Zweijährigen im Gesetz war schon großer Murks, aber was jetzt in vielen Einrichtungen vorgelegt wurde macht nur noch sprachlos und wütend“, stellt der Landesfachbereichsleiter Volker Euskirchen fest.

Aus der Erfahrung wird davon ausgegangen, dass die automatische Antwort auf diese Bestandsaufnahme sein wird, dass die Kolleg*innen aus der Praxis die neuen Regularien einfach nicht richtig verstanden haben. Das kann in einigen Fällen zutreffend sein, aber die Auswirkungen wurden nie richtig erklärt, stattdessen wurden sie nur schön verpackt. „Wir wollen auf keinen Fall ignorieren, dass die Landesregierung viele Informationen zum Kita-Zukunftsgesetz herausgegeben hat. Aber dennoch gleicht die Kommunikation mit der Praxis einer Katastrophe.

Ein wirklich gutes Gesetz wäre selbsterklärend gewesen, ver.di hat dazu einen Vorschlag auf den Tisch gelegt“, sagt Volker Euskirchen. Und es verlieren zuallererst und am allermeisten die Kinder. Das tut weh! Jetzt gibt es im Gesetz den § 29: „Die Landesregierung überprüft im Jahr 2028 die Auswirkungen dieses Gesetzes und berichtet dem Landtag.“ Volker Euskirchen sagt abschließend: „Nicht lange warten, die Evaluierung kann auch sofort beginnen.“

Text: ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland, Fachbereich Gemeinden