Abgekartetes Spiel: Gewobau-Aufsichtsrat wählt Dr. Kaster-Meurer

Für Dienstagabend hatte die Oberbürgermeisterin eine “Sonder-Stadtratssitzung” einberufen. Einziger öffentlicher Tagesordnungspunkt laut Amtlicher Bekanntmachung: “Weisungsbeschluss an die Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat der Gewobau GmbH Bad Kreuznach zur Wahl eines Vorsitzenden des Aufsichtsrates”. Aus dem Bürokratendeutsch übersetzt: Nicht der 18köpfige Aufsichtsrat sollte seinen Vorsitzenden bestimmen. Sondern der Stadtrat. Eine Entscheidung also in öffentlicher Sitzung mit Rederecht für alle gewählten Volksvertreter der Stadt.

Und nicht im Hinterzimmer in einer kleinen Kungelrunde. Verantwortlich für diese beispielhaft transparente geplante Vorgehensweise war ein Stadtratsbeschluss vom 29. April. Vor genau sieben Wochen hatten die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker mit 23:22 Stimmen einen entsprechenden Antrag der Fraktion FWG / BüFEP angenommen. Dr. Heike Kaster-Meurer hatte sich schon damals gegen diese Vorgehensweise ausgesprochen. Unterstützt von SPD, Grünen, Linken, PBK und FDP befürwortete sie die althergebrachte Entscheidung im Hinterzimmer.

Am Ende war es das grüne Stadtratsmitglied Lothar Bastian, das gegen seine Fraktion votierte. Und für die Sache. Warum Dr. Kaster-Meurer eine Entscheidung des Stadtrates unbedingt vermeiden wollte, ist klar: zum einen hätte es in dieser Diskussion unzählige unangenehme Wortbeiträge ihrer Kritiker gegeben. Diese hätten genüßlich aus dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes und den Erschliessungakten der Gewobau zitiert, um die fachliche Inkompetenz der Oberbürgermeisterin und ihr Versagen als Aufsichtsratsvorsitzende aufzuzeigen.

Zum anderen wäre eine Ratsabstimmung gegen Sie in der politischen Wirkung einem Mißtrauensvotum gleich gekommen. Selbst ein knappes positives Votum hätte die OBin beschädigt. Da Dr. Kaster-Meurer, SPD, Grüne und Linke/PBK im Stadtrat nur über 21 der 45 Stimmen verfügen, wurde die FDP als Mehrheitsbeschaffer benötigt, um am Dienstagabend die Entscheidung vom 29. April zu korrigieren. Das geschah. Und zwar in einer in der Stadtgeschichte einmaligen Art und Weise. Der Tagesordnungspunkt wurde aufgerufen und Dr. Kaster-Meurer bat um Vorschläge.

Die CDU-Stadtratsfraktion schlug durch ihre Sprecherin Birgit Ensminger-Busse ihren Fraktionsvorsitzenden Manfred Rapp vor. Weitere Vorschläge anderer Fraktionen gab es nicht. SPD, Grüne, FDP, Linke und PBK hatten dies vorher so vereinbart (diese Seite berichtete bereits gestern über die vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Grumbach durchgeführte Gesprächstherapie). Im ersten Wahlgang der geheim per Stimmzettel durchgeführt Wahl erhielt Manfred Rapp von den 42 Wahlberechtigten 18 Jastimmen, im zweiten 19. Jeweils eine Stimmabgabe erfolgte ungültig.

Und 23 bzw 22 Stimmen lauteten “Nein”. Der CDU-Fraktionsvorsitzende war damit nicht gewählt. Dr. Kaster-Meurer beantragte eine Sitzungsunterbrechung für eine Aussprache mit den Fraktionsvorsitzenden. Von dieser Unterredung berichtete später in der Stadtratssitzung Karl-Heinz Delaveaux (FWG / BüFEP). Er zitierte die OBin mit der Erklärung, sie werde für den Aufsichtsratsvorsitz der Gewobau nicht kandidieren. Delaveaux wollte von der Oberbürgermeisterin eine öffentliche Klarstellung, ob dies auch für eine Entscheidung durch den Aufsichtsrat gelte.

Dr. Heike Kaster-Meurer dankte Karl-Heinz Delaveaux sarkastisch für dessen Redebeitrag – und schwieg zu dessen Frage. Der Stadtrat stimmte am Dienstagabend anschließend dafür, die Entscheidung über den Vorsitz im Gewobau-Aufsichtsrat treffen zu lassen. Mit den Stimmen von FDP und Fairer Liste. Gegen CDU, AfD, FWG / BüFEP und Lothar Bastian (Grüne). Gestern, am Mittwochabend, tagte das Gewobau-Kontrollgremium. Anders als im Stadtrat, als sie eine Kandidatur vermied, ließ sich Dr. Heike Kaster-Meurer in der nichtöffentlichen Geheimsitzung vorschlagen.

Von Volker Stephan (FDP). Auch im Gewobau-Aufsichtsrat stellte sich Manfred Rapp der Wahl. Die wegen der dortigen Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und FDP für die Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer ausfiel. Wie gut vorbereitet das “abgekartete Spiel” (Kommentar eines Stadtratsmitglieds zum Verlauf der Stadtratssitzung am Dienstagabend) war und wie verläßlich die getroffenen Absprachen zwischen SPD, Grünen, FDP, Linken und PBK von diesen eingeschätzt wurden, konnte unser Fotograf in einem kleinen Detail festhalten.

Aktualisierung am 17.6.2021 um 14:30 Uhr: Ergänzung des Bildes

Lange vor der Auszählung der Stimmen, noch während die Stimmabgabe des ersten Wahlganges erfolgte und (ausser für Eingeweihte) gar nicht klar sein konnte, dass das über Fraktionsgrenzen hinweg geschätzte Ratsmitglied Manfred Rapp nicht gewählt werden würde, füllte Hauptamtsleiter Jürgen Cron auf Anweisung der OBin bereits die grünen Stimmzettel für den zweiten Wahlgang aus.

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16.06.21 – “Holger Grumbach erklärt Grünen und Linken wie es geht”
16.06.21 – “Stadtrat lehnt Beschluss zum Gewobau-Erschließungsproblem “Weingärten” ab”