Leserbrief des Michael Wiesner: nicht „rumeiern“ bei Coronaverstössen

Leserbrief von
Michael Wiesner

Einige fühlen sich berufen, wolkig-abstrakt eine „Stigmatisierung“ als Missetat zu rügen. Denn im Landkreis wurden konkrete Bevölkerungsgruppen mit sehr überdurchschnittlichen Corona-Infektionszahlen benannt. Diese Mahner wollen osteuropäische Migranten vor Kritik schützen. Um vorab Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin Kreuznacher, hier geboren und aufgewachsen und habe auch slawische Vorfahren, russischsprachige Sportfreunde und Verwandte. Alle, Deutsche, Migranten slawischer oder sonstiger Herkunft, müssen sich an Regeln halten, um Gesundheit und Leben zu schützen.

Das misslang im Landkreis vielfach. Das muss man kritisieren dürfen. Integration ist eine Bringschuld, wenn Migranten „ankommen“ wollen. Jeder ist auch seines eigenen Glückes Schmied. Migranten können dagegen Offenherzigkeit, Respekt, gleiche Augenhöhe und Toleranz erwarten und verlangen. Toleranz gegenüber vielfacher Missachtung der Coronaregeln führt aber in die Irre. Der europäische Kontinent hat sich mühsam die Aufklärung erkämpft, die Epoche der Vernunft. Es war ein Kampf gegen Vorurteile und für Toleranz. Rückschritte sollte niemand wollen.

Alain Finkielkraut, ein französisch-jüdischer Philosoph, beklagte in „La défaite de lapensée“ den Niedergang des Denkens, mithin der Errungenschaften der Aufklärung, wenn man alles mit falsch verstandener Toleranz zu kleistert. Die Kritiker einer angeblichen Stigmatisierung führen an, dass Migranten oft unter beengten Wohnverhältnissen lebten, was Ursache höherer Coronazahlen sein könne. Das mag sein. Im Landkreis standen aber eklatante Regelverstöße im Vordergrund. Wenn es allein an beengten Wohnverhältnissen läge, dann ist die Frage berechtigt, warum Türken bei Corona besser kooperieren. Jeden Tag stehen die Städte und Verbandsgemeinden des Landkreises in der Zeitung mit aktuellen Coronazahlen.

Konsequente Kritiker müssten auch dies wegen Stigmatisierung anprangern, da z. B.Kirn und Umland genannt werden, was die dortigen Bewohner stigmatisiert. Lassen Sie uns gemeinsam Corona-Ursachen vorurteilsfrei auf den Grund gehen, Deutsche und (osteuropäische) Migranten, in gegenseitigem Respekt und Wertschätzung. Das haben sie verdient. Im Osten wurden sie oft als Deutsche erheblich verunglimpft und hier als „Russen“. Das ist bitter. Sie brauchen unsere Unterstützung. Aber wir sollten nicht „rumeiern“, wenn trotz Infektion krass gegen Coronaregeln verstoßen wird.

Michael Wiesner, LL.M. ist Rechtsanwalt, Dipl.-Betriebswirt (FH) und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht