Kirner Baptistengemeinde will kooperieren

Ab dem Mittwoch kommender Woche wird es kreisweit voraussichtlich erhebliche Einschränkungen durch Coronaschutzmaßnahmen geben. Grund ist eine explosionsartig gestiegene Zahl von Infektionen im Raum Kirn (siehe weiteren Bericht in der heutigen Ausgabe). Die Kreisverwaltung hat dazu in den vergangenen Tagen “drei voneinander unabhängige Ausbruchsgeschehen” als Ursache identifiziert.

Eines davon bezieht sich auf das Bethaus der Baptistengemeinde in Kirn-Kallenfels. Dort kam es nach Feststellungen der Stabsstelle Corona bereits im Januar und Februar zu ersten Coronainfektionen. “Zur Zeit sind 25 aktive Fälle in diesem Zusammenhang bekannt. Diese verteilen sich auf die Kreise Birkenfeld und Bad Kreuznach, wo auch angrenzende Verbandsgemeinden betroffen sind”, stellte die Kreisverwaltung dazu in einer Presseerklärung fest.

Sabine Bauer, die stellvertretende Leiterin der Stabsstelle, wurde in einem Pressegespräch mit Landrätin Bettina Dickes gestern Mittag im Kirner Gesellschaftshaus noch deutlicher: “in keinem einzigen dieser Fälle haben die Betroffenen das Bethaus als Kontakt angegeben”. Aufgrund dieser Unterlassung sei die Kreisverwaltung dem Corona-Hotspot erst sehr spät auf die Spur gekommen.

Bettina Dickes beschrieb ausführlich “Detektivarbeit”, die bezüglich von möglichen Mitgliedern und Kontakten der Baptistengemeinde zu leisten sei. Und grenzte die “aktive Mitarbeit” der Verantwortlichen der geschlossenen Kita in Kirn-Sulzbach und die der je zwei afghanisch- und arabischstämmigen Familien klar von der Passivität der Baptistengemeinde ab.

Wegen der Folgen der hohen Kirner Coronazahlen für die Kreisbevölkerung machte sich schon in der Pressekonferenz deutlich Ärger der Verantwortlichen der Kirner Kommunalpolitiker Luft. Stadtbürgermeister Frank Ensminger (FDP) berichtete, wie schwer es evangelischen und katholischen Christen falle, verantwortungsbewußt auf Gottesdienste und Zusammenkünfte zu verzichten. Ensminger kritisierte mit deutlichen Worten “Testverweigerer” und stellte fest:

“Wenn wir das in den Griff bekommen wollen, müssen wir zusammenarbeiten”. Wer da nicht mitmache, trage dazu bei, “dass wir uns beim Kampf gegen das Virus selbst ein Bein stellen”. Der von dem Fehlverhalten Einzelner und den absehbaren Folgen sichtlich berührte Stadtbürgermeister gab zu, “man steigert sich in eine gewisse Wut hinein”. Und warf die Frage auf: “was ist das für eine Religion?” Um festzustellen: “wenn es eine Gruppe gibt, die das nicht versteht, muss kontrolliert werden”.

Unterstützt wurde Ensminger von Jörg Schallmo. Auch der Kirner SPD-Stadtverbandsvorsitzende kritisierte in einer sehr persönlichen und emotional gehaltenen Erklärung das Fehlverhalten und verweigerte Zusammenarbeit mit der Stabsstelle als “grob fahrlässig”. Seine Betroffenheit drückte er in dem Satz aus: “ich würde auch gern in die Kirche gehen und darf es nicht.”

Wegen der sozialen und rechtlichen Folgen des aktuellen Kirner Infektionsgeschehens und der Bedeutung für den gesamten Landkreis, hat die Redaktion dieser Seite gestern nach der Pressekonferenz zunächst das Bethaus der Baptisten in Kirn-Kallenfels aufgesucht. Und anschließend den Kontakt zu einem Verantwortlichen gesucht. Weil der Vorsitzende der Gemeinde erkrankt ist, wurde der Gemeindeälteste, Alexander Glass, erreicht.

Der reagierte auf die Anfrage dieser Redaktion offen ohne Vorbehalte und beantwortete alle Fragen spontan und ohne Ausflüchte. Aus seiner Sicht haben mehrere Mißverständnisse und Kommunikationsprobleme zu den Differenzen mit der Kreisverwaltung geführt. So habe ihn der erste Anruf der Kreisverwaltung vor drei Tagen am Arbeitsplatz erreicht, weshalb eine offene Gesprächssituation nicht gegeben war. Daraus habe sich ein Mißverständnis dazu ergeben, wer mit wem Kontakt aufnimmt.

Glass bedauerte glaubwürdig die dadurch eingetretene, von der Stabsstelle Corona der Kreisverwaltung kritisierte stundenlange Verzögerung. Glass kündigte an, seine Gemeinde werde sich ihrer Verantwortung stellen. Sollten in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sein, werden man daraus lernen und auch Veränderungen konkret umsetzen. So würden ab sofort keine Gottesdienste und Veranstaltungen im Bethaus in Kirn-Kallenfels mehr stattfinden.

Alexander Glass veranlaßte auf Hinweis der Redaktion dieser Seite noch gestern Abend einen entsprechenden Aushang im Schaukasten vor dem Gebäude und sagte zu: “am kommenden Wochenende wird es keinen Gottesdienst und keine Treffen geben”. Wichtig ist Glass die Klarstellung, dass weder in der betroffenen Kita in Kirn-Sulzbach noch sonst wo in Kirn ein Kind betreut wird, dass zu einer der Familien der Baptistengemeinde gehört.

Daher können die dort aufgetretenen Infektionen nicht auf das Infektionsgeschehen im Bethaus zurückgeführt werden. Alexander Glass versichert: “wir haben sowohl die Teilnehmerliste unserer Veranstaltungen als auch unsere 58 Personen umfassende Mitgliederliste der Kreisverwaltung zur Verfügung gestellt”. Damit ab heute wirklich alles in der Gemeinde gemäß den Corona-Schutzvorschriften verläuft, hat sich Alexander Glass nach eigenen Worten noch am gestrigen Donnerstagabend mit Ron Budschat, dem Leiter der Corona-Stabsstelle beim Kreis, für heute Vormittag zu einer Aussprache verabredet.