Das Bosenheimer Bad ist gerettet

Im Sommer vergangenen Jahres blieb das Bosenheimer Bad erstmals seit Jahrzehnten geschlossen. Im Stadtrat fand die FDP-Fraktion vor neun Monaten für ihren Öffnungsantrag kaum Unterstützung. Und der Aufsichtsrat der BAD GmbH stellte die Verantwortlichen vor die Alternative “schließen oder zahlen”. Da Geld damals wie heute nicht da ist, schien das Schicksal des Bades besiegelt. Dann nahm sich Werner Lorenz der Sache an. Auf unterschiedlichen Ebenen baute der Bosenheimer Winzer, der seit 2019 für die Liberalen im Stadtrat sitzt, Druck auf.

Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, agierte und agitierte Lorenz. Motivierte die Befürworter des Erhaltes. Und griff die Gegner scharf an. Ob es an der fehlenden Konzeptionslosigkeit (Ausnahme: Lothar Bastian) der Schließungs-Befürworter lag. Oder an deren Unentschlossenheit. Jedenfalls gelang es Werner Lorenz die SPD, deren Mitglieder im Aufsichtsrat der BAD GmbH die Schließung noch befürwortet hatten, auf seine Seite zu ziehen. Drei Traktor-Demos, zwei Änderungsanträge und eine Sitzungsunterbrechung später stand gestern Abend um 18:59 Uhr nach der Abstimmung im Stadtrat fest:

Das Bosenheimer Bad ist gerettet. Mit 27 Ja- gegen sieben Nein-Stimmen befürwortete das Kommunalparlament bei neun Enthaltungen einen im Verlauf der Debatte noch abgeänderten Antrag von SPD, FDP, Faire Liste und Freien Wählern. Demnach erhält die BAD GmbH in diesem und im kommenden Jahr jeweils 150.000 Euro für die Öffnung. In dieser Zeit soll ein Konzept erarbeitet werden, das den dauerhaften Erhalt des Bades sicherstellt. Dieser Entscheidung ging eine teilweise emotionale Diskussion voraus. Dr. Claudia Eider begründete den Antrag für die SPD.

Die Co-Fraktionsvorsitzende führte an, dass die Sozialdemokraten sowohl im Wahlprogramm für 2014 als auch für 2019 den Erhalt des Bades gefordert hätten. Werner Lorenz hielt anschließend ein sehr stark an historischen Fakten orientiertes Referat, dem es an Emotionen nicht mangelte. Der FDP-Stadtrat mahnte seine Ratskolleg*Innen zur Vertragstreue. Denn im Eingemeindungsvertrag vom 4. Juni 1969 sicherte die Stadt den Bosenheimern das Bad zu. In dieser Logik brachte Lorenz auch eine mögliche Ausgemeindung Bosenheims in die Verbandsgemeinde Bad Kreuznach zur Sprache für den Fall der Badschließung durch den Stadtrat (wegen der Bedeutung dieser Ausführungen veröffentlichen wir diese in einem gesonderten Beitrag).

Anschließend lobte Manfred Rapp zunächst das Engagement des Schwimmbadfördervereins. Der CDU-Fraktionsvorsitzende zerlegte sodann die Behauptung der SPD, die einen 60-Millionen-Euro-Gewinn im Stadthaushalt erkannt haben will und wies auf die immer weiter steigenden städtischen Schulden hin. Für die CDU-Fraktion betonte Rapp das Erfordernis einer höchstrichterlichen Prüfung des Eingemeindungsvertrages hinsichtlich der Frage, ob die Verpflichtung zum Erhalt des Bades einer Ewigkeitsklausel gleichkomme. Und dann überraschte Rapp Parteifreunde und politische Mitbewerber mit einem ausdrücklich als “persönlichen” bezeichneten Vorschlag.

Wenn juristisch geklärt sei, dass das Bad für immer und ewig zu betreiben sei, dann bitte an einem Standort mit Zukunft. Statt eine Sanierung mit ungewissen Erfolgsaussichten, befürwortet Manfred Rapp einen Neubau im Bereich des Planiger Sportplatzes, der auf Bosenheimer Gemarkung liegt. Dort solle gemäß einer Jahrzehnte alten Idee ein “Sportpark Ost” entstehen. “Ein kleines Familienbad würde da gut hinpassen”, begründete der CDU-Fraktionsvorsitzende seinen überraschenden Vorstoss. Wilhelm Zimmerlin (FWG / BüFEP) sprach sich klar gegen die im Beschlußantrag vorgesehene Anweisung an den Bürgermeister aus.

Und begründete berechtigte Zweifel an der Einholung eines Rechtsgutachtens. Wenn die Mehrheit die politische Entscheidung treffe, das Bad in keinem Fall zu schließen, sei die Klärung der Rehtsfrage nicht nötig: “rausgeschmissenes Geld”. In beiden Punkten stellte sich die Argumentation Zimmerlins später als zutreffend heraus. Stadtrechtsdirektorin Häussermann bestätigte die vom FWG / BüFEP – Stadtrat formulierte Kritik am Verfahren. Und die Antragsteller verzichtete schließlich auf das Rechtsgutachten.

Stefan Butz (PBK) bereicherte den Antrag um den Auftrag für ein Sanierungskonzept, das spätestens “Mitte 2022” vorliegen müsse. Eine Sanierung sei überfällig, “sonst geht es kaputt”. Dann kam Lothar Bastian zu Wort. Dem Grünen-Stadtrat gelang als einzigem Schließungs-Befürworter eine klare und schlüssige Argumentation. Diese begann Bastian mit einem Total-Verriss der SPD-Antragsbegründung. Deren Behauptung eines “60-Millionen-Euro-Gewinnes” bezeichnete er als “naiv oder dreiste Lüge”. Um dann mit sachlich zutreffenden Hinweis auf die Finanzlage klarzustellen:

“Wir können uns nur die Dinge leisten, die langfristig zur Nachhaltigkeit beitragen”. Das Bad könnte sich die Stadt nicht leisten. “Und wir brauchen es auch nicht. Denn das Schwimmbad für Winzenheim, Ippesheim, Planig und Bosenheim steht im Salinental. Dem vom Werner Lorenz gegebenen historischen Rückblick und der entsprechenden Argumentation vieler Bosenheimer hielt Lothar Bastian entgegen: “es fehlt der Blick nach vorne, immer nur zurück”. Anschließend widerlegte Karl-Heinz Delaveaux, der allein mehr Stadtratsjahre auf dem Buckel hat, als die komplette SPD-Fraktionsführung zusammen, die Behauptung der Sozialdemokraten, diese seien “schon immer” für den Erhalt des Bades gewesen.

Der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP erinnerte die aktuelle SPD-Spitze daran, dass deren Funktionäre zum Beispiel im OB-Wahlkampf 2003 die Schließung befürwortet hätten. Und auch eine später erfolgreiche OBin-Kandidatin der SPD (damit spielte Delauveaux auf Dr. Kaster-Meurer an) habe sich am Anfang ihrer Polit-Karriere gegen das Bad ausgesprochen. Als deren Ehemann Günter Meurer zu dieser Delaveaux-Feststellung eine abwertende Geste machte, konterte ihn Karl-Heinz Delaveaux so geschmeidig und knallhart aus, dass Gerhard Merkelbach (Faire Liste) sich an seine besten Boxer-Zeiten erinnert fühlte:

Mit dem Hinweis, “da waren Sie noch mit Öfen beschäftigt und noch nicht im Stadtrat” zog Delaveaux zahlreiche Lacher geschickt auf seine Seite und erinnerte zudem daran, dass es eine kommunalpolitisch aktive Zeit auch vor Meurer-Kaster-Meurer gab. Auch der Bosenheimer Ortsvorsteher Dr. Volker Hertel machte von seinem Rederecht Gebrauch. Und nutzte die Redezeit, um den CDU-Fraktionsvorsitzenden Manfred Rapp auf die vom Förderverein gesponserte Solar-Absorber-Heizung des Bades hinzuweisen: “Sie können gern ins Bad kommen, Sie frieren sich nichts ab”.

Dem Hinweis Lothar Bastians, die Bosenheimer hätten nicht genug getan, um sich konkrete Perspektiven für ihr Bad zu erarbeiten, hielt Dr. Hertel die sich über Jahrzehnte hinziehende Unsicherheit über dessen Schicksal entgegen. Das Bad werde entweder schlecht geredet oder in Frage gestellt: “wir soll man da Sponsoren und ehrenamtliche Arbeit mobilisieren?” Gerhard Merkelbach (Faire Liste) widersprach Bastians Argument der leeren Stadtkasse mit dem Hinweis auf die Mobilitätsstation. Diese Steilvorlage nutzte anschließend Thomas Wolff.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende zeigte in Richtung Bahnhof und stellte fest: “da steckt viel Geld drin”. Er kündigte die Zustimmung seiner Parteifreunde für den Erhalt des Bades an, weil dies zur Daseinsfürsorge gehöre. Nach den Redebeiträgen beantragte Manfred Rapp eine Sitzungsunterbrechung, um die Möglichkeiten für einen Kompromissvorschlag interfraktionell auszuloten. Zu dem kam es nicht. Statt dessen formulierte SPD-Co-Fraktionsvorsitzender Holger Grumbach den Antrag gemäß der Zimmerlin / Häussermann – Hinweise und des Butz-Vorschlages um. Und konnte sich einige Minuten später über eine breite Zustimmung freuen (weitere Berichte folgen).