Unfreiwillige Transparenz im Hauptausschuss

Erst seit rund fünf Jahren müssen fast alle Ausschüsse öffentlich tagen. Diese lange überfällige gesetzliche Veränderung verhindert zwar Mauscheleien und Absprachen nicht. Aber der interessierte und engagierte Teil der Einwohner*Innen hat seit dem ganz andere Informationsmöglichkeiten. Die leider nicht im wünschenswerten Umfange genutzt werden. Trotz der Gesetzesänderung finden natürlich nach wie vor nichtöffentliche Sitzungen statt. Diesen weitgehend legal beizuwohnen ist gar nicht so leicht. Vor allem, wenn in Sitzungsräumen getagt wird.

Aber die städtische Technik leistet da den Ausgeschlossenen immer wieder gute Dienste. Wesentlich erleichtert ist die Teilnahme an nichtöffentlichen Sitzungen durch Nicht-Ausschuss- und Nicht-Stadtratmitglieder seit einigen Wochen durch die Einführung von sogenannten Videokonferenzen. Die Tonqualität läßt zwar sehr zu wünschen übrig. Aber der Chat und die Schaubildanzeige lassen sich gut mitlesen. Wie am Montag dieser Woche beim Hauptausschuss. Da wurde – wieder einmal – rechtswidrig nichtöffentlich über die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung gesprochen.

Was gleich aus zwei Gründen unzulässig ist. Zum einen, weil die Verantwortung für die TO allein bei der Oberbürgermeisterin liegt, die dafür lediglich das Benehmen mit den beiden anderen Stadtvorstandsmitgliedern herstellen muss. Zum anderen, weil Stadtratssitzungen öffentlich stattfinden. Und demzufolge deren Tagesordnung eine rein öffentliche Angelegenheit ist. Warum trotzdem unter Ausschluß der Öffentlichkeit getagt wird, machen in jeder dieser Sitzungen kleine Details deutlich.

So wenn wieder einmal gefragt wird, ob Hybridsitzungen (ein Teil der Gremienmitglieder trifft sich im Sitzungssaal, ein anderer schaut von daheim per Videokonferenz zu) möglich sind. Obwohl diese Frage bereits im November vergangenen Jahres (öffentlich) verbindlich geklärt wurde. Mit einem klaren Nein. Und auch die Aussprache darüber, ob und warum keine Etatreden gehalten werden dürfen, wenn in der nächsten Stadtratsitzung der Stadthaushalt für dieses Jahr beraten und entschieden wird, hätte natürlich öffentlich geführt werden müssen.

Dann hätten die Einwohner*Innen erfahren, dass Grüne und FDP sich für Etatreden aussprachen, sich aber gegen die Mehrheit der anderen Fraktionen nicht durchsetzen konnten. So wird also ein Stadthaushalt in Rekordzeit verabschiedet. Und die Volksvertreter dürfen dem Volk in der entscheidenden Sitzung nicht erklären, warum sie den von den Einwohner*Innen finanzierten Ausgaben und Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe zustimmen. Oder nicht. Grund: die Sitzungsdauer soll zwei Stunden nicht überschreiten.

Wegen einer theoretischen Gefahr wird ganz konkret eines der wesentlichen Grundelemente der Demokratie gestrichen: die Information. Die Tatsache, dass eine Aldi- oder Lidl-Kassiererin, die seit elf Monaten – anfangs sogar vollkommen ungeschützt – trotz Corona unverändert weitergearbeitet hat, um auch die sich selbst so umfassend schützenden Stadtratsmitglieder mit Lebensmitteln zu versorgen, für diese Possenspiele kein Verständnis haben kann, ist der Mehrheit der kommunalpolitischen Mandatsträger offenbar vollkommen egal. Hauptsache an sie und ihren Schutz ist gedacht.