Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt: die Diskussion im Hauptausschuß (Teil 2)

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Am Montagabend beriet der städtische Hauptausschuß in einer mehrstündigen Sitzung die Hintergründe der Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt. Über den ersten Teil der Debatte und den einstimmigen Beschluß zur schnellstmöglichen Neubesetzung freigewordener Stellen hatten wir bereits gestern unter der Überschrift “Hauptausschuß setzt Signal zur Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt”. Da die Sitzung leider nicht von der ehrenamtlichen Initiative “kreuznachgehört” aufgezeichnet wurde und daher nicht nachgehört werden kann (kein Vorwurf an die Freiwilligen, sondern eine Aufforderung deren Arbeit endlich konkret und direkt zu unterstützen), setzen wir die Berichterstattung im Sinne der Dokumentation eines Stückes Stadtgeschichte hier fort.

Andrea Manz, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt, forderte dazu auf, drei Dinge auseinanderzuhalten: die Überlastungsanzeige, die Frage der Trägerschaft des Jugendamtes und das “angebliche Organisationsversagen”. Letzteres solle “man ganz aussen vor lassen”. Manz stellte fest, dass durch die Überlastungsanzeige nunmehr die Stadtratsmitglieder “persönlich in der Haftung” seien: “diese Verantwortung liegt jetzt bei uns mit Haut und Haaren”. Manz führte weiter aus, sie könne alle Mitarbeitenden, die sich wegen Befristung ihrer Stellen wegbewerben, gut verstehen. Zur Frage der Abgabe des Jugendamtes formulierte sie: “es gibt nicht weniger Bedarfe, wenn wir zwei Töpfe in einen gießen”.

Manfred Rapp schilderte im Ausschuß das Erstaunen seiner CDU-Fraktion, die nach der schriftlichen Information durch den Bürgermeister intern einen Arbeitsplan erstellt und abgewartet habe, wie andere reagieren: “Null ist passiert”, kritisierte Rapp. Daher hätten sich die Christdemokraten dafür entschieden aktiv zu werden und die Sondersitzung zu verlangen. “Uns als CDU war es wichtig mit der Hauptausschußsitzung in die Öffentlichkeit zu gehen”, um das Thema aufzuwerten. Ausführlich ging Rapp auf die in der Überlastungsanzeige vorgestellten Stellenbedarf ein. “Diese Anträge für den Stellenplan 2020 sind uns nicht bekannt”, stellte Rapp verärgert fest. Zu den von Annette Thiergarten (Grüne) kritisierten Einsparungen erinnerte Rapp daran, dass ohne jede Gegenstimme von SPD und Grünen auf Vorschlag der Verwaltung am 8. Januar im Jugendhilfeausschuß der Zuschußbedarf für das Jugendamt um eine Million Euro gesenkt worden war.

Rapp widersprach damit der Behauptung Thiergartens, die der Mehrheit in den Gremien vorgeworfen hatte, “nur Kosten einsparen” zu wollen (diese Seite berichtete bereits gestern unter der Überschrift “Hauptausschuß setzt Signal zur Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt”). Deutliche Vorwürfe richtete Rapp an die Landesregierung. Diese seit seit über einem Jahr am Zug und müsse handeln. Die Verschleppung- und Verrzögerungstaktik gehe zu Lasten der Mitarbeitenden. Wilhelm Zimmerlin (FWG/BüFEP) appellierte an “die grünen Kolleginnen, das unsägliche Faktenverdrehen sein zu lassen”. Er widersprach konkret Andrea Manz und führte aus, dass das Wort “Organisationsversagen” in der Überlastungsanzeige “ein Indiz dafür ist, dass es im Leitungsbereich im Argen liegt” und bemühte die Spruchweisheit vom Fisch, der vom Kopf her stinkt.

Dann fragte er bei der kommissarischen Leiterin des Hauptamtes Isabelle Merker die genauen Abläufe ab dem Eingang der Überlastungsanzeige bei der Oberbürgermeisterin ab. Merker bestätigte, dass diese am 9. Juli eingegangen sei. “Was ist danach konkret passiert? Welche Schritte wurden konkret gemacht oder eingeleitet?” faßte Zimmerlin nach. Im zweiten Anlauf stellte Isabelle Merker fest: “die Oberbürgermeisterin hat sich an die Personalstelle gewandt wegen der Besetzung der Stellen und auf Nachfrage erfahren, dass 16 Personen bereits zu Bewerbungsgesprächen geladen sind”. Zimmerlin daraufhin: “das ist alles? das ist aber ganz schwach”.

Werner Lorenz (FDP) versuchte sich als Konfliktverlagerer. Er sprach die Folgen des öffentlich ausgetragenen Streites an und riet dazu, den in der nichtöffentlichen Sitzung auszutragen. Dem mochte Karl-Heinz Delaveaux ganz und gar nicht folgen. Der Fraktionsvorsitzende von FWG / BüFEP erklärte die Kritik von Annette Thiergarten (Grüne: “Mehrheit will nur Kosten einsparen”) für “nicht legitim”. Schon gar nicht im Zusammenhang mit der Überlastungsanzeige, weil “uns als Stadtrat dieser Zustand nicht bekannt war”. Delaveaux erinnerte daran, dass man einen Euro nur ein Mal ausgeben könne und warf Thiergarten vor, keine Alternativen zu bennen. Diese konterte mit ihrem in einer früheren Ausschußsitzung gegebenen Hinweis auf Erhöhung der Grundsteuer.

Das brachte Delaveaux noch mehr in Fahrt: “immer Druff auf die Leut, das ist der falsche Weg. Sie wollen die Leute, die jetzt schon die Stadt tragen, weiter belasten ohne Rücksicht auf Verluste.” Jürgen Locher (Linke) kam auf die Überlastungsanzeige zurück und zitierte die dort angegebenen Fallzahlen je Mitarbeiterin. Und lernte vom Bürgermeister, dass der Kreis diese bei sich mit 170 je Mitarbeitende sogar noch höher angibt, als die Stadt – ohne Überlastungsanzeige. Locher sprach sich klar gegen befristete Arbeitsverträge bei der Stadt aus. “Ich kenne Fälle von Leuten, die zehn Jahre bei der Stadt oder beim Kreis befristet beschäftigt waren. Das geht nicht”. Der Linken-Fraktionsvorsitzende beantragte einen Grundsatzbeschluß, der Befristungen nur noch in Ausnahmefällen und einmalig je Beschäftigten zuläßt. Zudem solle es im Jugendamt gar keine Befristungen mehr geben.

Lothar Bastian (Grüne) kündigte seinen Beitrag mit der Einleitung an, er wolle eigentlich damit die Schärfe aus der Diskussion herausnehmen, wisse aber nicht, ob das nach dem Diskussionsverlauf noch möglich sei. Im Ton gelang es ihm natürlich, zumal Bastian aus seiner Berufserfahrung als Personalrat der kreuznacher diakonie berichtete, in der er häufiger mit Überlastungsanzeigen zu tun hatte und daher den professionellen und sachdienlichen Weg, wie mit derartigen Anzeigen umzugehen ist, persönlich mehrfach erlebt hat. Und diese korrekte Arbeitsweise legte Bastian auch ohne Umschweife dar: ” wenn wie in unserem Fall am Donnerstag so ein Dokument eingeht, dann ist für den darauffolgenden Montag eine entsprechende Sitzung einzuberaumen”.

Zu der seinen die Beschwerdeführerinnen, die Vorgesetzten, die Personalleitung und die Personalvertretung einzuladen. Dort seinen “personell und organisatorisch” die Lösungen zu besprechen und zu vereinbaren. “Für das Weiterreichen darf man sich keine Woche Zeit lassen”, stellte Bastian ungeschminkt fest. Üblicherweise werde in solchen Fällen mit Versetzungen reagiert. Also aus weniger beanspruchten Bereichen in die überlasteten. Ausdrücklich dankte Bastian dem Bürgermeister für die von diesem veranlaßte Organisationsuntersuchung durch das Rechnungsprüfungsamt. Und Bastian stellte, wie zuvor Wolfgang Heirnrich klar, dass nicht etwa die Stadtrat- oder Ausschußmitglieder durch eine Überlastungsanzeige verantwortlich würden, sondern allein die kommissarische Leitung des Jugendamtes.

Bastians grüner Fraktionskollege Hermann Bläsius bezeichnete die “Diskussion um die Zukunft des Jugendamtes als furchtbar schädlich” und stellte fest: “bei der Verwaltung sehe ich kein Versäumnis”. Bezüglich der Befristungen riet Bläsius den Anwesenden, “uns alle selbst am Rockzipfel zu fassen, um beim Stellenplan Befristungen zu verhindern”. Ahmet Dasli (SPD) brachte seine Verwunderung über die ständige Kritik an der Oberbürgermeisterin zum Ausdruck. Und sein Unwohlsein über den “Umgang miteinander”. Dasli forderte “nicht jede Sitzung zum Wahlkampf zu benutzen”. Die Diskussion helfe der Zielgruppe nicht.

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