Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Nach über zweistündiger, heftiger Diskussion der fraktionsübergreifende Konsens in Form eines einstimmigen Beschlusses: der Hauptausschuß hat gestern Abend gleich zwei konkrete Lösungsansätze für die überlastete Abteilung “Allgemeiner Sozialer Dienst” (ASD) im Jugendamt festgelegt. Zum einen sollen drei Stellen schnellstmöglich besetzt werden. Zum anderen soll die Befristung von Arbeitsverträgen in diesem Tätigkeitsbereich beendet werden. Beim ASD sollen baldmöglichst nur noch unbefristete Arbeitsverhältnisse bestehen, auch um eine weitere Abwanderung von Personal zu verhindern.
Der Herausgeber dieser Seite, Antonio Valentino (links), nahm als Zuhörer an der Sitzung teil und wurde von Hans Gerhard Merkelbach (mitte) mit Zusatzinformationen ausgestattet.
Die von Bürgermeister Wolfgang Heinrich (“unsozial”), Hans Gerhard Merkelbach (FDP / Faire Liste) und anderen massiv kritisierten Befristungen wurden vom Fachpersonal der Stadtverwaltung als rechtmäßig und geschäftsüblich bezeichnet. Stadtrechtsdirektorin Heiderose Häußermann stellte klar, dass es sich keinesfalls um “Kettenverträge” handele. Und Personalchefin Isabelle Merker begründete den Abschluß der befristeten Verträge mit dem Verhalten einiger weiblicher Mitarbeiterinnen, die die für die Erziehung eigener Kinder eingeräumten Möglichkeiten zur Wenigerarbeit rechtlich unanfechtbar nutzten.
Würden die dadurch notwendigen zusätzlichen Kräfte unbefristet eingestellt, bestünde die Gefahr der Überbeschäftigung in einzelnen Bereichen. Dem inhaltlichen Konsens war eine längere, mit vielen emotionalen Wortmeldungen gespickte Diskussion vorangegangen. Nach einer ausführlichen und detailreichen Einführung in die Thematik samt Darstellung der von ihm veranlaßten Sofortmaßnahmen (diese Seite berichtete mehrfach) war AfD-Fraktionsvorsitzender Thomas Wolff der erste Fragesteller. Er beschäftigte sich kritisch mit der “Überlastungsanzeige”, wollte den Zeitrahmen der Situation in Erfahrung bringen (“wie lange geht das Spiel jetzt schon?”) und wies auf die einschlägigen rechtlichen Bedingungen und Anforderungen hin.
Isabelle Merker stellte in ihrer Antwort den Ablauf von Kündigungen durch ASD-Mitarbeiterinnen dar, die Anfang Juli 2020 bei der Stadt eingegangen waren. Was von Thomas Wolff mit dem Hinweis kommentiert wurde, es handele sich demzufolge nicht “um einen Dauerzustand”, sondern nur um eine aktuelle Überlastung. Merker widersprach dieser Einschätzung mit der Feststellung, dass derzeit noch kein Ersatzpersonal unter Vertrag genommen werden konnte und auch unsicher sei, ob dies gelinge. Die Verwaltung habe jedenfalls versucht den Problemen beim ASD “schnellstmöglich entgegenzuwirken”. Bürgermeister Heinrich wies darauf hin, dass es sich bei der Überlastungsanzeige vom Juli 2020 nicht um einen Einzelfall handelt.
Die SPD-Fraktion war mit Dr. Claudia Eider, Holger Grumbach und Ahmet Dasli (von links) zwar prominent, aber unvollständig vertreten: der vierte Platz blieb unbesetzt (weshalb von den 19 möglichen Ausschußmitgliedern nur 18 anwesend waren).
Wolfgang Heinrich stellte klar, dass mit der Überlastungsanzeige die Verantwortung nicht auf die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker übergegangen sei, sondern auf die Stadtverwaltung und den Stadtvorstand: “ich halte das schon für relevant, damit Sie als Stadträte gut schlafen können”. Allerdings bestehe im konkreten Fall Handlungsbedarf. “In allen möglichen Bereichen können Sie es laufen lassen – hier nicht”. Es gehe um das Wohl von Kindern. Bei deren Eltern handele es sich teilweise um eine “schwierige Klientel”. Das beim ASD tätige Personal übe eine sehr verantwortungsvolle, wichtige Tätigkeit aus, stehe “sozusagen an der Front”.
Karl-Heinz Delaveaux versuchte zunächst die Vorwürfe von Annette Thiergarten, demnach die Mehrheit nur Kosten einsparen wolle, wegzulächeln. Meldete sich dann aber später doch noch zu Wort.
Ob und welche organisatorischen Veränderungen nötig seien, werde die von ihm angeordnete Untersuchung durch das Rechnungsprüfungsamt ergeben. “Lassen wir die Frau Förster das mal untersuchen, das dauert nicht Monate”. An diesen eher sachlichen Sitzungsbeginn schloß sich mit dem ersten Redebeitrag von Annette Thiergarten (Grüne) eine deutliche Emotionalisierung der Debatte an. “Für mich war das leider keine Überraschung” beschrieb Thiergarten ihre Einschätzung zur Überlastungsanzeige. Um dann ohne Umschweife dazulegen, wo sie die Verantwortung dafür sieht: “die Mehrheit hier will nur Kosten einsparen”. Dieser Vorwurf führte sofort zu Zwischenrufen und Unruhe im Sitzungssaal.
Thiergarten fuhr fort, es sei “sehr erfreulich, dass auch Herr Heinrich jetzt erklärt, dass dafür Geld da sein muß”. Es sei “sehr löblich” gewesen, “sich mit den Frauen zusammenzusetzen und nicht nur auf den Zettel geschaut zu haben, was kostet das”. Um die Unruhe zu dämpfen, ergriff der so gelobte Bürgermeister erneut das Wort. Allerdings nicht, um sich zu bedanken, sondern um klarzustellen, dass die Einsparungsdiskussionen zu keinem Zeitpunkt den ASD beim Jugendamt betroffen haben. Weder im Stadtrat noch im Finanzausschuß habe es je einen Einsparantrag oder ähnliches für diesen Bereich gegeben. “Ihre Aussage hat mich bestürzt”, hielt Heinrich Thiergarten entgegen. In den auf 42 Millionen Euro gedeckelten Personalkosten sei “genug Geld für alle da, wenn man es richtig verteilt”.
Verwaltungsintern könne in der Organisation selbst entschieden werden, wo gespart werde und wo Geld ausgegeben wird. Die Überlastungsanzeige sei keine Frage der klammen Finanzen, zumal es ein hoheitlicher Arbeitsbereich sei: “da hat das Geld da zu sein”. Ungewöhnlich emotional reagierte Manfred Rapp auf die Vorwürfe von Annette Thiergarten. “Dass Sie sich hier so aufblasen, kann ich nicht nachvollziehen”, brachte der sichtlich verärgerte CDU-Fraktionsvorsitzende zum Ausdruck. Die CDU-Fraktion und auch andere hätten mit den Anträgen zur Einberufung der Sondersitzung deutlich gemacht, dass sie den der Überlastungsanzeige zugrundeliegenden Umständen ernsthaft nachgehen wollen (weitere Berichte folgen).