ver.di: “Überlastungsanzeige ist politisches Mittel”

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Über die Hintergründe der Überlastungsanzeige aus dem städtischen Jugendamt versucht der Hauptausschuß heute Nachmittag Klarheit zu gewinnen. Was die Kommunalpolitiker berührt hat, bucht die Gewerkschaft ver.di eher unter Alltagsgeschäft ab. Also den formalen Vorgang. Kein Wunder, dass die verständlichsten Erklärungen zu dem Thema von den Gewerkschaften stammen: “Die Überlastungsanzeige ist weder gesetzlich noch tarifvertraglich fixiert. Durch die Zunahme von Arbeitsbelastungen, verursacht u.a. durch Personalmangel, Defizite bei der Organisation des Personaleinsatzes oder Überstunden werden Arbeitnehmer im hohen Maße beansprucht.

Quelle Symbolfoto “Überlastung”: ver.di / pixabay

So dass sich mit der Zeit Fehler in der Erledigung der Arbeitsaufgaben einschleichen, die zu einer Gefährdung des Betriebs, … und nicht zuletzt auch von sich selber führen können” erklärt ver.di in seinen Informationsbroschüen vollkommen unabhängig vom konkreten Fall in Bad Kreuznach. Den rechtlichen Hintergrund dieses arbeitsrechtlichen Instrumentes gibt ver.di mit “Teilen des Arbeitsschutzgesetzes, des Arbeitsvertrags (Nebenpflichten) und des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB; Haftungsrecht)” an. Die Gewerkschaft sieht sogar eine “Pflicht” zur Erstattung von Überlastungsanzeigen. Diese resultiere u.a. aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten (§ 611 BGB und §§ 241 Abs. 2, 242 BGB):

Quelle Cartoon: ver.di

“Danach ist die/der Beschäftigte verpflichtet, den Arbeitgeber vor drohenden oder voraussehbaren Schäden zu bewahren bzw. vor deren Eintritt zu warnen und darüber hinaus auf z.B. organisatorische Mängel, Überschreiten der zulässigen Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) usw. aufmerksam zu machen”. Weiter konkretisiert würden diese Nebenpflichten im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Nach § 15 ArbSchG hätten die Beschäftigten nämlich die Pflicht (soweit es für sie selbst möglich ist), für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, aber auch für die der Personen, die von Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind, Sorge zu tragen.

Prüfbericht: sechsstellige unsachgemäße Mittelverwendung

ver.di ist natürlich offen genug, um auch die andere Seite der Wahrheit zu Überlastungsanzeigen darzulegen: diese sind “ein politisches Mittel, um auf die Finanzierungsprobleme in den jeweiligen Bereichen aufmerksam zu machen”. Und “Ziel ist, dass Dienststellen ggf für Entlastung sorgen müssen”. Also Personal eingestellt wird. Übrigens. Schon im vergangenen Jahr berichtete diese Seite über eine Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt. Diese datierte vom Mai 2011. Und zog eine “Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Stadt Bad Kreuznach” durch den Rechnungshof des Landes Rheinland-Pfalz nach sich. Der deckte in seinem Bericht (Az.: 6-P-7061-221/2013) Verschwendung und unsachgemäße Mittelverwendung durch das Jugendamt in sechsstelliger Höhe auf. Unzählige fachliche Fehler, die von Mitarbeitenden gemacht wurden. Eine Überlastungsanzeige ist eben eine zweischneidige Sache.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

02.08.20 – “Der Kämmerer bewährt sich als Kümmerer”
31.07.20 – “Jugendamt: warum hat Dr. Kaster-Meurer eine Woche lang nicht informiert?”
30.07.20 – “Jugendamt: neues Abgabe-Gutachten liegt vor”
29.07.20 – “Kommunalpolitik reagiert auf Jugendamt-Krise: Hauptausschuß tagt am 3.8.”
27.07.20 – “Verärgerung über den “Drohbrief” aus dem Jugendamt”
26.07.20 – “Notruf aus dem Jugendamt: Kindeswohl gefährdet”
10.06.20 – “Kindeswohlgefährdung: 4 Kinder auf eigenen Wunsch in Obhut genommen”
10.06.20 – “Jugendhilfeausschuß beschließt Ausschreibung der Amtsleitung Jugendamt”
19.11.19 – “Jürgen Eitel (FDP): Schlamperei bei den Jugendamtsabrechnungen”
14.11.19 – “Meinung: Dr. Kaster-Meurer fährt das Jugendamt mit Volldampf aufs Riff”
13.11.19 – “FWG/BüFEP verlangen Aufklärung über Mißstände beim Jugendamt”
12.11.19 – “Kreis Alzey-Worms erhielt laut LRH “zu Unrecht” 26.500 Euro vom Jugendamt”
11.11.19 – “Bad Kreuznacher Jugendamt entlastet die Stadt Zweibrücken um 120.000 Euro”
08.11.19 – “Aufgedeckt: Stadtjugendamt verplemperte hunderttausende von Euro”