Mit einer inhaltlich konkreten und sachbezogenen Stellungnahme hat die Stadtratsfraktion der Grünen eine Anfrage der Redaktion dieser Seite im Zusammenhang mit der Überlastungsanzeige aus dem Jugendamt beantwortet. Stadtratsmitglied Günter Sichau, der auch im Jugendhilfeausschuß mitarbeitet, formuliert wie folgt:
Frage 1: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein? Ist diese in Ihren Augen so ernst, dass eine Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses oder des Stadtrates pp erforderlich ist?
Günter Sichau: Es ist allgemein bekannt, dass sich angesichts der Corona-Pandemie die Situation in den Familien extrem zuspitzen kann und es daher zur Häufung von Kindeswohlgefährdung und Inobhutnahmen gekommen ist. Renommierte Wissenschaftler haben dies auch so bestätigt. Wir gehen daher davon aus, dass die vom Jugendamt genannten Fälle und Fakten leider zutreffen und vertrauen diesen Angaben. Daher werden wir uns dafür einsetzen, dass sobald wie möglich eine Sitzung des Jugendhilfeausschusses einberufen werden soll.
Frage 2: Wie bewerten Sie die Tatsachen, dass noch am 9. Juni 2020 weder von einer “Überlastungsanzeige” die Rede war noch von einem “Organisationsversagen” oder gar von einer Verantwortungsübergabe an den Stadtvorstand die Rede war – und wenige Wochen später all das eingetreten ist?
Günter Sichau: Bedingt durch den Wegfall der Leitungskräfte im Jugendamt und die schwierige Diskussionen im Rahmen des Haushaltes, ist eine nachvollziehbare Verunsicherung der Mitarbeiter*innen des Jugendamtes gegeben. Die Nachbesetzungen von Stellen sind dadurch äußerst schwierig geworden bzw. wurden nicht vollzogen. Für uns ist deshalb diese Überlastungsanzeige ein wichtiges und notwendiges Signal der verantwortlichen Mitarbeiter*innen, darauf hinzuweisen, dass die „Verantwortung für Kinderschutzfälle“ aufgrund der aktuellen Situation nicht mehr gewährleistet ist.
Frage 3: Wieso erfolgte nach Ihrer Einschätzung aus dem Jugendhilfeausschuß heraus am 9. Juni 2020 keine Antragstellung zur besseren personellen Ausstattung des ASD?
Günter Sichau: In der Sitzung des JHA am 9.6.2020 haben das Bündnis 90/Die Grünen die Ausschreibung der Leitungsstellen gefordert. Dieser Antrag wurde auch mit Mehrheit angenommen, sodass wir davon ausgehen, dass diese demnächst auch so erfolgen werden. Die vertrackte Situation mit der Verabschiedung des Haushaltes ließ es allerdings nicht zu, insgesamt Stellen-Neubesetzungen zu fordern.
Frage 4: Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass erfahrene Verwaltungspersonen im Juli 2020 z.B. mit dem Anliegen von Stellenbesetzungen “idealerweise zum 1.8.20” Vorstellungen schriftlich darlegen, die werder rechtlich noch tatsächlich überhaupt erfüllbar sind? Wie erklären Sie derartige verwaltungstechnische Fehler?
Günter Sichau: Die Not ist groß und die Wünsche der Mitarbeiter*innen drücken dies auch so aus, dass „idealerweise“ die Besetzung von zwei Stellen zum 1.8.2020 erfolgen sollte. Dass dies unrealistisch ist, wissen wir auch, sehen es aber nicht als gravierenden „verwaltungstechnischen Fehler“ an.