Freitagskrimi: das kann eine ganz banale Geschichte sein …

Von Claus Jotzo

Um Enttäuschungen vorzubeugen: lesen Sie bitte einfach nicht weiter. Denn ich werde mir in den nächsten Tagen keinerlei Vorwürfe anhören nach dem Motto “Du machst uns erst neugierig – und dann gabs keinen Polizeibericht”. Oder wie Danny Glover und Mel Gibson es in “Lethal Weapon – Zwei stahlharte Profis” (1987) formuliert haben “das ist eine sehr dünne Geschichte”. Die Ausgangslage für eine mögliche Fehlwahrnehmung ist schnell beschrieben: in Sachen Kino läuft seit Monaten nichts mehr. Sky ist gekündigt, weil dort die Bundesliga, die die Hauptmotivation fürs Abo war, schon einige Zeit nicht mehr vollständig übertragen wurde. Filme streamen geht nur am Büro-PC.

Das Bild wurde nicht wegen der Personen im Hintergrund, sondern des Baumes im Vordergund aufgenommen. Die Fakten dazu werden schon bald hier nachzulesen sein.

Und wer will dort schon seinen (Lebens-) Abend verbringen. Der Tatort zeigt halt auch Wiederholungen. Nichts anderes liefert die mittlerweile fast vierstellige DVD-Sammlung. Und die Gauner in der Kommunalpolitik sind langweilig-leicht zu durchschauen. Es kann sich also um die schlichte Folge eines vielwöchigen Entzuges cineastischer Frischware aus dem Segment Krimi handeln: auf dem Hinweg zu einem Fototermin auf dem Kornmarkt mußte ich gestern unfreiwillig ein merkwürdiges Telefongespräch mithören. Zwei junge Frauen telefonieren, an der Ecke Kirschsteinanlage / Wilhelmstrasse stehend. Nur eine spricht. Was die sagt und wie sie es sagt läßt auch einen erfahrenen Streßgesprächsführer aufhorchen.

Aber. Es ist Freitagnachmittag um kurz nach 17 Uhr. Pünktlich zum Termin ist schon vorbei. Und die Frauen sind erkennbar nicht mehr im Grundschulalter. Also nicht weiter mithören. Keine Gedanken mehr machen. Schnell noch über die Kirschsteinanlage gehuscht. Und sehen dürfen, wieviel Spaß Menschen an und im Fluß haben. Da sind die düsteren Überlegungen von eben schnell weit weg. Auf dem Kornmarkt dann die brutale Seite der coronageprägten Realität. Schaustellerfamilie Moser baut ihr Königsrad auf. Ein Kampf nicht nur mit dem Material. Auch gegen die Aussichtslosigkeit des Versuches, auch nur einen Teil des Geschäftes zu retten, wie es noch vor sechs Monaten war.

Die Haltung und Energie, mit der Hans Moser und seine Leute das Unmögliche angehen, macht einerseits betroffen. Gibt aber auch Mut. Hoffentlich vielen anderen, die selbst nicht genau wissen, wie es weitergeht. Jetzt sind die Gedanken ganz wo anders. Auf dem Rückweg zum Auto, das aus in besseren Zeiten entstandener sentimentaler Zuneigung auf dem Parkplatz des Stadtbauamtes abgestellt ist, kommt mir die Mühlenstrasse gerade recht. Bis aus der ein Pkw nach links auf die Wilhelmstrasse abbiegt. Gebotswidrig. Um diesen Schwachmaten abzulichten reicht die Reaktionszeit nicht mehr.

Aber vielleicht ja für den nächsten. Und der ist schon eine Minute später da. Schleicht sich aus der Kirschsteinanlage an die Wilhelmstrasse heran. Könnte nach rechts rollen, weil er in die richtige Richtung freie Fahrt hat. Wartet aber auf die Verkehrs-Lücke, um falsch abzubiegen. Wieder ein Fall für den Falschparker – Report, in dem Einbahnstrassenleugner, Falschabbieger und Rotlichtverstösse immer einen Ehrenplatz haben werden. Erst in dieser Sekunde fällt es mir auf. Die beiden Frauen sind immer noch vor Ort. Gerade so noch. Denn die jüngere steigt, während ich den Falschabbieger ablichte, in ein Auto ein.

Wer mich kennt weiß: ich habe keine Tochter. Hätte ich eine: selbst als Volljährige würde ich die zu einem Typen, der so schaut, nicht ins Auto steigen lassen. Jetzt ist das unfreiwillig mitgehörte Gespräch von vor rund 15 Minuten wieder voll da. Ich fotografiere den Einsteigevorgang. Weißer Audi. WI-Kennzeichen. Ein Pkw von book-n-drive Carsharing. Was man in solchen Augenblicken so denkt: Carsharing war noch nie mein Ding. Habe ich noch nie gemacht. Wie der Fahrer dann wegfährt, paßt perfekt zu meinem Spontanersteindruck. Über die Mühlenstrasse hinweg bis zum Ende der Bushaltestelle.

Dort wartet er darauf, dass der Verkehr abfliesst. Um einen U-Turn über die durchgezogene weiße Straßenmarkierung zu machen. Und mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Wilhelmbrücke davonzubrausen. Ich stehe da und denke: hoffentlich war das die einzige Linie, die da heute überschritten wird. Aber irgend etwas in mir sagt: das war nur der Anfang. Daher schreibe ich es hier. Auch auf die Gefahr hin, dass doch der eine oder die andere versucht, mir ein Gespräch zu machen. Von wegen ich sei fantasiebegabt. Oder so. Ich habe bereits in der Überschrift darauf hingewiesen: das kann eine ganz banale Geschichte sein …