Gastbeitrag von
GuT-Geschäftsführer
Dr. Michael Vesper
„Dr. Karl Aschoff gehört zu den Persönlichkeiten, die mit ihrer Lebensleistung im besten Sinne Spuren in der Stadt hinterlassen haben, die bis heute sichtbar sind und nachwirken“, würdigt der für das Kurwesen zuständige Bürgermeister Wolfgang Heinrich den am 19. Juli 1945 verstorbenen Apotheker und Naturwissenschaftler, dessen Todestag sich zum 75. Mal jährt. Aschoff, geboren am 12. Juli 1867, habe die Familientradition einer Dynastie von Pharmazeuten fortgesetzt. Ursprünglich in Westfalen beheimatet habe Aschoffs Vater, Hermann Ludwig Aschoff, den Bad Kreuznacher Zweig etabliert, als er im Jahr 1863 die Schwanen-Apotheke erwarb. Dr. Karl Aschoff habe das Leistungsspektrum dieser Apotheke und des Labors, die er 1892 übernahm, dann ausgeweitet und physiologisch-chemische, hygienische und lebensmittelchemische Untersuchungen durchgeführt.
Insbesondere die für den Weinbau so wichtigen Wein- und Mostuntersuchungen seien für die Naheregion wichtig gewesen. Durch zahlreich Publikationen habe Aschoff auch in diesem Bereich ein hohes wissenschaftliches Format unter Beweis gestellt. Die vorausschauende Ausweitung des Portfolios habe die Grundlage dafür geschaffen, das unter der Leitung des Ur-Ur-Enkels Dr. Paul-Haase Aschoff (seit 2016) noch heute in der fünften Generation ein hochspezialisiertes Labor der Lebensmittelchemie auf der Nahebrücke angesiedelt sei. Der jetzige Inhaber folgte seinen Eltern Dr. Klaus Haase-Aschoff und Dr. Inge Haase-Aschoff, die die Nachfolge von Dr. Paul Haase-Aschoff antraten, der seit 1945 Apotheke und Labor geführt hatte.
Karl Aschoff habe sich jedoch auch durch radiobalneologische Forschungen und Innovationen um die Stadt verdient gemacht, betont Heinrich. Schon früh habe er ein Röntgenlabor unterhalten und überhaupt regen Anteil an der Erforschung und Anwendung der Radioaktivität genommen – und dabei auch erstmals radioaktive Arzneien hergestellt und vertrieben. Wenn bis heute die Radontherapie im Sanitätsrat Dr. Jöckel-Stollen ein Alleinstellungsmerkmal in der Bäderlandschaft Deutschlands darstelle, dann gehe dies auf Aschoffs Forschungen und unternehmerische Initiativen zurück. Mit der Entdeckung des schwachen Radiumgehaltes der Solequellen des Salinentales (1904) und der Entdeckung der Radiumemanation (Radon) im stillgelegten „Rudolf-Stollen“ habe Aschoff Bad Kreuznach zum radiobalneologischen Kompetenzzentrum gemacht, das bis in die 30er Jahre von internationaler Bedeutung war.
Mit der Inbetriebnahme der Inhalatoriums (1912) habe Aschoff eine therapeutische Einrichtung geschaffen, die bis heute Menschen mit chronischen Schmerzen bei rheumatischen Erkrankungen die Hoffnung auf Linderung ihrer Leiden eröffne und von vielen Langzeitpatient*innen sehr geschätzt werde. Das von Aschoff entwickelte „Kreuznacher Verfahren“, das Radontherapie und das Kurmittel Sole kombiniere, habe Medizingeschichte geschrieben. Als Stadtrat und Mitglied der Geschäftsführung der Kurbetriebe habe Aschoff aktiv die Geschicke des Heilbades in schwierigen mitgestaltet. Leider habe Aschoff auch noch die Zerstörung des alten Inhalatoriums im Jahr 1945 erleben müssen. Wenn die Radontherapie dann ab den 50er Jahren wieder aufblühen konnte, sei dies sehr eng mit der Lebensleistung von Sanitätsrat Dr. Hans Jöckel verbunden, der in den 70er Jahren an der Neueröffnung des Stollens mitwirkte und diesen später selbst leitete. Heute trägt der Nuklearmediziner Dr. Andreas Zöller die medizinische Verantwortung für den von der Firma Accumeda betriebenen Stollen.
Heinrich macht auch auf ein weniger bekanntes Zeugnis von Aschoffs Wirken aufmerksam. Aschoff sei viele Jahr Leiter der Bad Kreuznacher Freimaurerloge „Die Vereinigten Freunde von der Nahe“ gewesen. Diese habe das Viktoriastift gefördert, das bis heute eine bundesweit anerkannte Einrichtung der Kinder-Reha sei. In der Funktion als „Meister vom Stuhl“ (1905-1929) sei er maßgeblich am Neubau des Logengebäudes, geplant von Willibald Hamburger, in der heutigen Dr.-Alfons-Gampstraße, beteiligt gewesen. Die Loge musste in der Zeit des Nationalsozialismus 1935 schließen und wurde enteignet. Heute ist das ehemalige Logengebäude als Veranstaltungszentrum in das Haus des Gastes integriert.
Angesichts dieser nachwirkenden Bedeutung der Lebensleistung Aschoffs habe die Stadt nicht nur eine Straße und eine Rheumaklinik nach ihm benannt, sondern auch seine radiobalneologischen Leistungen 2004 und 2012 bei Festakten gewürdigt. 2017 – anlässlich des 200jährigen Jubiläums der Kur – habe eine Vortragsreihe der Gesundheit und Tourismus für Bad Kreuznach GmbH mit dem Pharmazeuten und Pharmaziehistoriker Dr. Stefan Drosse auch Aschoffs Beitrag zum Kurwesen herausgestellt. Mit dessen Dissertation „Der Apotheker Karl Aschoff (1867-1945) und die Anfänge der Radiobalneologie“ liege seit 2016 eine umfassende Studie zu Leben und Werk des Apothekers und Forschers vor.