Falschparker – Report (24)

Auch in Bad Kreuznach werden bestimmte Bereiche öffentlicher Verkehrsflächen “Radweg” genannt. Die Bezeichnung gleicht der im übrigen Bundesgebiet. Nur der Bedeutungsinhalt scheint in der Nahe-Metropole ein ganz anderer zu sein. Denn hier stehen auf den sogenannten Radwegen sehr oft Autos. Laut Strassenverkehrsordnung dürfte das nicht sein. Und in anderen Städten ist das auch nicht so. Jedenfalls nicht so oft. Denn in den anderen Städten bezahlen die Einwohner*Innen mit ihren Steuern und Abgaben ein sogenanntes “Ordnungsamt”. Zugegeben, so etwas gibt es auch in Bad Kreuznach. Aber wie schon beim Begriff “Radweg” meint auch das Wort “Ordnungsamt” (vor Ort sogar in der verschärften Form “Amt für Recht und Ordnung”) offensichtlich etwas ganz anders, als im Rest der Republik.

Auf unserem Bild, das am 7.7.20 in der Rheinstrasse aufgenommen wurde, ist er im Hintergrund nur ganz klein zu sehen: der Radfahrer, der sich vorgestern wenige Sekunden später zwischen Autos und dem Falschparker durchquetschen mußte. Den Nachweis zur Dauer des Verstosses haben wir am Textende notiert.

Dem Bildungsbürger, der die Widersprüche zwischen Bezeichnungen und Taten erkennt, fällt zwangsläufig “1984” ein. Nicht etwa weil damals Liechtensteins Männer mit knapper Mehrheit den Frauen das Wahlrecht gewährten (also nicht 1884, sondern tatsächlich 1984 …). Sondern wegen dem Titel des Jahrhundertbuches von Georg Orwell. Wer es gelesen hat, dem fällt es wie Schuppen aus den Haaren: in Bad Kreuznach wird eine besondere Art “Neusprech” praktiziert. Anders als bei Orwell wird nicht die Sprache umgestaltet. Sondern der Bedeutungsinhalt. Auch in Bad Kreuznach wird das Wort “Radweg” verwendet. Meint aber hier eine öffentliche Verkehrsfläche, auf der Radfahrer*Innen fahren und Autos parken dürfen. Auch in Bad Kreuznach gibt es ein “Ordnungsamt”.

Dieses Kfz war am vergangenen Sonntag auf dem Radweg in der Bosenheimer Strasse abgestellt. Die Fahrzeugführerin und die Beifahrerin hatten etwas zu besprechen. Nach 15 Minuten wollten wir uns es nicht mehr ansehen, warum frau dazu nicht einen Parkplatz ansteuern kann.

Die Ordnung beschränkt sich aber im Bereich “Kontrolle ruhender Verkehr” wesentlich auf die korrekte Auszahlung der Gehälter, die Gewährung der Urlaubstage und die Ehrungen für langjährige Verwaltungszugehörigkeit. Anders ist der Umstand, dass alltäglich – in den zwei vorstehend ins Bild gesetzten Beispielen sogar mit den selben Fahrzeugen und an den selben Stellen – auf Radwegen Autos parken gar nicht zu erklären. Denn genau so, wie sich im Städtchen in Windeseile verbreitet, wenn auf dem Kornmarkt ein Riesenrad steht, hätte sich herumgesprochen, wenn Radwegparker*Innen mit einem Punkt und einer saftigen Geldstrafe belohnt worden wären. Weil die Kontrolle im notwendigen Umfange nicht stattfindet, ändert sich natürlich nichts.

Wieso sich die städtische Parken GmbH diese Bilder aus der Fischergasse gefallen läßt, bleibt deren Geheimis: Falschparken bleibt folgen- und damit kostenlos. Klar, dass da nur wenige der Parktaschen vermietet sind.

Und auch die Bushaltestellenparker vom Bourger Platz könnten zu brav zahlenden Nutzer*Innen der Tiefgarage oder der oberirdischen Stellflächen 20 Meter weiter östlich werden.

Statt dessen wird halt der Bus- zum Spielhallen-Parkplatz.

Und in der Innenstadt wird zugestellt, was nicht durch Poller gesichert ist.

Gehwege werden gnadenlos und konsequent beparkt. Hauptsache die …

… persönliche Bequemlichkeit wird gehegt und gepflegt. OK, wenn es Idioten gibt, denen das ein paar hundert Euro im Monat wert ist: dann laßt sie zahlen. Aber diese Egotrips kostenlos durchzuwinken ist gemeinwohlzersetzend.

In den Wohngebieten wollen wir ja eigentlich gar nicht hinschauen. Aber wenn uns ein Leserfoto gleich fünf Falschparker im Kreuzungsbereich Hugo-Salzmann- / Robert-Touzet-Strasse darbietet, sagen wir nicht nein. Klar, würde in den Wohngbieten kontrolliert: Bad Kreuznach wäre in drei Jahren schuldenfrei.

Wie gesagt, das wollen wir ja gar nicht. Aber wenn auf dem Parkplatz Wassersümpfchen 70 Stellflächen frei sind und dieser in Bingen zugelassene Pkw dann trotzdem in der Fußgängerzone abgestellt wird, dann sollte soviel Dummheit am Stadtkassenstand ablesbar sein.

Ironie: Warum soll es nicht zu für Fußgänger- und Radfahrer*Innen gefährlichen Begegnungssituationen auf gemischten Rad- und Gehwegen kommen? Hauptsache ein Autofahrer kann sich 100 Meter zu Fuß ersparen.

Falls hier Täter*Innen mitlesen, geben wir zur Vermeidung von falschen Angaben im Bußgeldverfahren gern den Hinweis, dass wir in jedem einzelnen Fall genau dokumentieren, dass das Fahrzeug mindestens fünf Minuten o.a.O. parkte. Im Fall Rheinstrasse waren es mindestens 22 Minuten. Da ist also nicht einfach jemand “mal kurz” in die Wohnung gesprungen, um etwas Vergessenes zu holen. Die fahrzeugführende Person war zu faul einen ordnungsgemäßen Parkplatz anzusteuern. Und blockiert aus Bequemlichkeit einen Radweg. Trotz der bundesweit bekannten Strafandrohung. Und das städtische Ordnungsamt versäumt Tag für Tag die Möglichkeit, diese Leute ihr Scherflein zur Sanierung des Stadthaushaltes beitragen zu lassen.