Aufgespiesst: bei der Bahn AG weiß die linke Hand nicht einmal, dass es eine rechte gibt

Vielleicht ist uns gestern als Abfallprodukt alltäglicher journalistischer Arbeit die Aufklärung eines Mysteriums gelungen, das einen Teil der bundesdeutschen Öffentlichkeit seit Jahrzehnten beschäftigt. Jenen Teil, der aus welchen Gründen auch immer die Angebote der Bahn AG nutzt. Und daher teils fragend teils verärgert die dort geschäftsüblichen Verspätungen kommentiert. Diese haben sich nicht einmal wesentlich verkürzt, seit dem die Bahn verpflichtet ist Entschädigungen zu zahlen.

Alle Anstrengungen bei der Bahn führen immer wieder zum selben Ergebnis: Fahrpläne sind eher grobe Richtlinien denn exakte Gebrauchsanweisungen für den schienengebundenen ÖPNV. Wir konnten gestern konkret dokumentieren, welche Ursache das haben könnte. Um 15.26 Uhr kam die Pressemitteilung aus dem Stadthaus: eine Bauinformation der DB Netz AG zu den Arbeiten am Bahn-Viadukt über die B 428. Ausdrücklich mit Plan. In dem ist die Umleitung für den Radverkehr beschrieben. Den haben wir uns interessiert angesehen. Pfiffig wie die Bahn-Planer sind, haben sie sich nach eigener Darstellung für die Nutzung einer bereits existierenden alternativen Rad-Trasse entschieden:

Für die in Fahrtrichtung Süd von der B 41 – Brücke über die Nahe kommenden Radler geht es – laut Plan – rechts ab in die Gensinger Strasse. Von dort über die Michelinstrasse bis zum Viadukt Industriestrasse. Und von da via Durchstich zum Kreisel Mainzer Strasse. Auf dem Papier eine runde Sache. Wenn man kein Bahnfahrender ist, steht man der DB Netz AG möglicherweise kritischer gegenüber, als als verärgerter Bahn-Kunde. Wir haben uns jedenfalls vor Veröffentlichung der Ankündigung auf den Weg gemacht.

Und sind die Umleitung einfach mal abgefahren. Und siehe da: in der harten Asphalt-Realität führt diese nicht durch die Michelinstrasse, wie auf der Karte behauptet wird. Sondern durch die Otto-Meffert-Strasse. In Höhe des Leonardo-Hotels kam uns die Erleuchtung: möglicherweise geht jene Abteilung der Bahn AG, die die Fahrpläne macht, von ganz anderen Streckenführungen aus, als diese in der Realität existieren. Längs der Nahe sind die Elektrifizierungspläne bereits Jahrezehnte alt.

Wenn jetzt so ein Fahrplan-Macher in Berlin, der das Naheland nicht mal auf einer Karte finden würde, die uralten E-Pläne für wahr nimmt und auf deren Basis seine Berechnungen anstellt, dann würde das einleuchtend erklären, warum Züge aus Kirn in Bad Kreuznach fast immer mit Verspätung ankommen. Wenn in einer Firmenstruktur das blanke Chaos herrscht, sagen wir: es weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut. Bei der Bahn darf getrost unterstellt werden: die linke Hand weiß dort nicht einmal, dass es eine rechte überhaupt gibt.

Der Radweg (linke Bahnbrückenseite) ist bereits gesperrt.