Drama in der Pfeiffergasse: 10 Tonnen Abfall spurlos verschwunden

Glosse
unseres Mülldetektives
Claus Jotzo

In den vergangenen Monaten hatte er bereits überregionale Berühmtheit erlangt. Der Müllberg in der Pfeiffergasse. Das SWR-Fernsehen berichtete. Und Zeitungen aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Angefangen hatte es Ende Februar mit den Habseligkeiten eines weggezogenen Anwohners. Der hoffte, die Erinnerung an sich mit alten Möbeln, einem Kühlschrank und Unterhaltungselektronik, die er gegenüber seiner Ex-Wohnung an die Wand stellte, langmöglichst zu erhalten. Diese Gelegenheit einem anderen die eigene Bequemlichkeit in die Schuhe schieben zu können, ließen sich natürlich Nachbarn aus dem Pariser Viertel nicht entgehen.

Auch sie machten sich fortan nicht mehr auf den beschwerlichen Weg zum Wertstoffhof. Und ersparten sich die Internet-Odyssee bis hin zu einem Abholtermin ihres Sperrmülls in ferner Zukunft. Statt dessen schafften Nacht für Nacht Mülligel Unmengen an Unrat und Dreck in die Pfeiffergasse. Bis der Müllberg auf die stolze Länge von 20 Metern und eine durchschnittliche Breite von 1,5 Meter angewachsen war. Den Ausgangstäter hatte der Bauhof schnell ermittelt. Denn der hatte in seinem Müll auch persönliche Dokumente zurückgelassen. Dem zuständigen Kreisordnungsamt war die Beweislage allerdings zu dünn. Diese Einschätzung hatte für die Amtspersonen – ein Schalk, wer darin einen Zusammenhang erkennt – den Vorteil, dass auf das arbeitsintensive Ordnungswidrigkeitenverfahren verzichtet werden konnte.

Ohne Täterermittlung hätten die Einwohner*Innen der Stadt zum Zahlmeister werden müssen. Und weil die in ihrem Desinteresse und ihrer Gleichgültigkeit nur noch von einer Herde Kühe auf dem Weg zur Schlachtbank übertroffen werden, wäre also alles wieder so gelaufen, wie es seit Jahren läuft: bei den Ordnungsämtern wird Personal dafür bezahlt, dass es Täter nicht ermittelt. Und die gutmütigen Steuerzahlertrottel blechen doppelt: fürs untätige Amtspersonal und für die Müllentsorgung. In diesem Fall liefs allerdings anders. Weil im Stadthaus gemäß Dezernatsverteilungsplan eine Person zuständig ist, die nicht bei Greti und Bledi denken läßt. Zudem von eigenwilliger Natur.

Und, was ihn von anderen Spitzen bei der Stadt unterscheidet, aufgrund gesicherter persönlicher Vermögensverhältnisse vom Einkommen bei Stadt nicht abhängig ist und sich daher die eigene Meinung leisten kann: Bürgermeister Wolfgang Heinrich. Der weigerte sich rundheraus das schmutzige Spiel zu Lasten der Bad Kreuznacher Steuerzahler*Innen mitzumachen. Seinem mitunter stürmischen Temperament folgend trieb er es damit auf die Spitze. Über Wochen und Monate wurden dutzende von Emails ausgetauscht, ähnlich viele Arbeitsstunden in mehreren Amtsstuben verplempert. Tatsächlich entblödeten sich die Kreisordnungshüter am Ende sogar nicht die Einschaltung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) zu erwägen.

Und dann am vergangenen Wochenende der Schock: der Müllberg war weg. 10 Tonnen Dreck und Sperrmüll einfach so verschwunden. Von heute auf morgen. Die Kollegin Heidi Sturm (Allgemeine Zeitung), die sich seit Monaten um die Aufklärung der Müllberg-Posse bemüht, war die erste, die das feststellte. Und engagiert versuchte die Hintergründe aufzuklären. Zunächst aber nur Absagen erhielt. Die Kreisverwaltung wußte von nichts. Der städtische Bauhof wars nicht. Und die Anwohner wollten, wie schon beim Wachsen des Müllberges, auch von dessen Verschwinden nichts mitbekommen haben.

Statt dessen brachten sich in peinlicher Weise Personen und Institutionen ins Spiel, die über vier Monate nicht ein Kaugummipapier aus der Pfeiffergasse entfernt hatten. Wer übernahm jetzt die Entsorgung? Wer entfernte den Dreckberg anderer ordnungsgemäß, ohne wie die Oberbürgermeisterin bei ungleich geringeren Leistungen gleich eine Presseerklärung mit Foto rauszuhauen? Ich verrate es euch nicht. Das könnt ihr bei Heidi Sturm in der AZ nachlesen (unter der Überschrift “Entsorgt statt geforscht” in der Ausgabe vom 25. Juni 2020). Noch besser wäre natürlich, wenn es mehr Leute so machen, wie es die Initiative “Handeln statt labern” seit dem letzten Jahr in Bad Kreuznach praktiziert. Auf diesem Weg herzliche Grüsse an Jenny, Dieter, Wolfgang, Jessica und die anderen.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

25.11.19 – “21 Bad Kreuznacher*Innen handeln am Kauzenberg statt nur zu labern”