Meinung: SPD taktiert sich ins Abseits

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Nicht alle Anwesenden haben es gestern unter dem Eindruck der beispiellosen Konfrontationssituation in der Sitzung sofort verstanden. Aber heute beim Frühstückskaffee sollte die Einsicht auch die letzten Zweifler erreicht haben: Bürgermeister Wolfgang Heinrich hat mit einer spontanen verfahrenstechnischen Meisterleistung verhindert, dass die konstruktiv an der Zukunft der Stadt gestaltungswillig mitarbeitenden Fraktionen von der SPD in finanzpolitische Geiselhaft genommen werden. Denn nichts anderes haben die Sozialdemokraten gestern im Finanzausschuß versucht. Mit der falschen und fadenscheinigen Behauptung, die Corona-Krise ändere vollkommen das kommunale Einsparbedürfnis, möchte sich die SPD aus der Verantwortung stehlen nach dem Motto:

Posten ja, Erklärung nein

Posten im Stadtvorstand ja. Aber den Bürger*Innen erklären, warum nicht für alles Wünschenwerte Geld da ist, sollen andere. Deutlich wird die Wahrheitsferne am von Holger Grumbach angeführten Beispiel ÖPNV. Der wird heute von vielen Menschen, die noch vor drei Monaten im Bus saßen, nicht mehr genutzt. Was aber null mit Linienführungen und Taktzeiten zu tun hat. Sondern mit der Angst vor Ansteckung. Und an der wird sich mangels Impfschutz bis zum Jahresende nichts ändern. Und es waren nicht fehlende Haushaltsmittel, die zur Schließung des Jugendzentrums Mühle geführt haben. Sondern eine Verfügung der Oberbürgermeisterin, die die Verwaltung einfach abschottete und massenhaft Dienstleistungen für Bürger*Innen strich mit der Behauptung das Personal zu schützen.

Kinder und Jugendliche im Stich gelassen

Und das zu einer Zeit, als Verkäufer- und Arzthelfer*Innen der Infektionsgefahr vollkommen ungeschützt ausgesetzt waren. Gegen diesen Sonderschutz für öffentliche Bedienste war weder aus deren Reihen noch von der SPD auch nur ein Wort der Kritik zu hören. Da wurden Kinder und Jugendliche konkret im Stich gelassen. Auch von der SPD. Sich jetzt im Nachhinein als Wohltäter aufzuspielen, ist dermaßen billig, dass es leicht fallen wird, dies den Betroffenen zu vermitteln. CDU-Fraktionsvorsitzender Manfred Rapp hat es genau richtig gesagt: käme es zu einem Haushalt mit einer von der Aufsichtsbehörde ADD seit Jahren geforderten Einsparung bei den freiwilligen Leistungen, würden diese zwar um 10% gekürzt, aber zu 90% gewährt.

Trick 17 mit Selbstüberlistung

Ohne Kürzung droht die Verweigerung der Genehmigung. Das bedeutet: gar keine freiwilligen Leistungen mehr. Mit seiner geistesgegenwärtigen Reaktion auf den taktischen Schwenk der SPD hat Wolfgang Heinrich der großen Stadtratsmehrheit die Möglichkeit verschafft, sich bis zur entscheidenden Stadtratssitzung Ende Juni zu einer Koalition der Verantwortungsübernahmewilligen zusammenzufinden. Damit hat Heinrich das Manöver der SPD zum Trick 17 mit Selbstüberlistung degradiert. Und ermöglicht, dass sich die SPD ganz allein ins Abseits taktiert hat. Denn jetzt weiß jeder: auf die örtlichen Sozialdemokraten kann man sich sachpolitisch nicht verlassen.

Dank der beiden GässjerFM-Macher Marc Bremmer und Yuliyan Ilev kann die diesem Kommentar zugrundeliegende Sternstunde der Bad Kreuznacher Kommunalpolitik nachgehört werden. Und zwar unter:
kreuznachgehoert.de/4-sitzung-des-finanzausschusses-am-27-05-2020-teil-3/