FWG / BüFEP fordert rückwirkende Abschaffung des Tourismusbeitrags 2017

Beschlossen hatte ihn der Stadtrat am 15. Dezember 2016. Den Tourismusbeitrag für 2017. Da war die städtische Gesundheit und Tourismus für Bad Keuznach GmbH (GuT) mit der Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages für 2016 noch nicht fertig. Also blieb das neue Verfahren erst mal liegen. Bis zum November 2017. Zu diesem Zeitpunkt hatte die GuT immerhin einige hundert Bescheide für 2016 fertig (nur zum Vergleich: die städtische Kämmerei haut pro Jahr einige zehntausend Bescheide raus). Pfiffig wie die Tourismusförderer sind, packten sie den Veranlagungsbescheiden für 2016 gleich noch Vorausleistungsbescheide für 2017 dazu. In rund 400 Fällen.

GuT verschleppte Versand der Bescheide

Dann kam schlimme Kunde aus Koblenz. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) meldete den Eingang eines Normenkontrollantrages. Flugs stellte die GuT den Versand von Bescheiden für 2017 ein. Keiner ging in Kurzarbeit. Es wurde niemand entlassen. Bescheide für 2017 trotzdem monatelang Fehlanzeige. Am 19. Dezember 2018 dann – aus städtischer Sicht – der Super-Gau vor dem OVG. Die höchsten rheinland-pfälzischen Verwaltungrichter erklärten die Satzung zum Tourismusbeitrag 2017 für rechtswidrig. Nach der Schockstarre dann im Februar 2019 die Heilung. Der Stadtrat beschloß die Satzung neu. Mit einer Änderung. Jetzt, zwei Jahre und zwei Monate nach dem Startschuß im Dezember 2016, hätte die GuT endlich die Bescheide für 2017 versenden können.

Bundesweit einmalige Verfahrensdauer

Es fehlten aber Daten. Und so sind bis heute, drei Jahre und fünf Monate nach dem Stadtratsbeschluß vom 15.12.16, noch immer nicht alle Beitragsbescheide für 2017 verschickt. Mehrere Beitragspflichtige sind zwischenzeitlich verstorben. Viele in 2017 noch aktive Unternehmen abgemeldet. Und die Corona-Krise wird die Reihen der potentiell Beitragspflichtigen ebenfalls noch lichten. Dazu kommt: die Bescheidempfänger können nichts für die bundesweit einmalige Verfahrensdauer. Trotz dieser abenteuerlichen Umstände hält die Stadtverwaltung bis heute an dem Erhebungsverfahren für 2017 fest. Und auch im Rat der Stadt gibt es Stand heute nur eine einzige Fraktion die erkennt, wie ungerecht das Beharren auf dem Tourismusbeitrag für 2017 ist:

Delaveaux zeigt Kardinalfehler auf

FWG / BüFEP hat beantragt die entsprechende Satzung aufzuheben und damit den Beitrag rückwirkend abzuschaffen. Angesichts der Vernichtung unternehmerischer Existenzen durch die Corona-Seuche und deren Bekämpfung weist Fraktionschef Karl-Heinz Delaveaux auf den Kardinalfehler des Tourismusbeitrages hin. Der wird nicht etwa nach dem Gewinn berechnet, sondern nach dem Umsatz. Das bedeutet: auch Unternehmen, die 2017 einen Verlust gemacht haben, müssen Beitrag zahlen. Und zwar im Jahr 2020. Ganz egal, ob sie von der Coronakrise betroffen sind oder nicht. Rolf Bühring, der sich als stellvertretendes Mitglied im Finanzausschuß für FWG / BüFEP auf die in der übernächsten Woche anstehenden Etatberatungen freut, stellt dazu fest: “Die Stadt wird in diesem Jahr Millionenausfälle und Mehraufwendungen durch die Coronakrise haben. Und da sollen die für die Rückzahlung des Tourismusbeitrages nötigen 300.000 Euro nicht zu finanzieren sein und man praktiziert lieber ein großes Unrecht?”

Die Presseerklärung im Wortlaut:

“GuT stoppt aufgrund einer Initiative von FWG/BüFEP den Versand von Tourismusbeitragsbescheiden: mit Schreiben vom 17. März 2020 hatte die Fraktion FWG / BüFEP die drei Mitglieder des Stadtvorstandes der Stadt Bad Kreuznach zum einen aufgefordert, die Erhebung des Tourismusbeitrages, also den Versand von Bescheiden, sofort zu stoppen. Aus unserer Sicht hatte die Stadt Bad Kreuznach bereits zu diesem Zeitpunkt alles zu tun, um diese Berufs- und Geschäftsgruppen (oft Familien- und Kleinbetriebe), die ums blanke finanzielle Überleben kämpfen, zu entlasten. Es war den potentiellen Bescheidempfängern nicht zuzumuten auf der einen Seite aus Solidarität und als Beitrag weiterer Abflachung der Corona-Infektionskurve ihre Läden, Geschäfte und Häuser teils zu schliessen, teils mit erheblichem Mehraufwand zu öffnen bzw im Fall von Ärzten pp unzählige Mehr- und Überstunden leisten zu müssen.

Und auf der anderen Seite in 2020 mit einer Belastung aus 2017 konfrontiert zu werden, die es nur aus einem einzigen Grund gibt: weil es die damit beauftragte GuT GmbH über drei Jahre lang nicht geschafft hat, satzungsgemäß korrekte Bescheide zu versenden. Die Betroffenen können weder etwas dafür, dass der Satzungsbeschluss des Rates der Stadt vom 15.12.16 erst am 11.11.17 amtlich bekannt gemacht wurde. Und für den vom OVG ausgeurteilten Kalkulationsfehler können die potentiell Beitragspflichtigen ebenfalls nichts. Und schon gar nichts dafür, dass nach der amtlichen Bekanntmachung der neuen Satzung (Stadtratsbeschluß am 21.2.2019) in 2019 lediglich ein Teil der rund 400 Vorausleistungsbescheide aus 2017 in Form endgültiger Veranlagungsbescheide ersetzt und die übrigen potentiell Beitragspflichtigen (immerhin rund 2.000!) erst in 2020, über drei Jahre nach dem ursprünglichen Stadtratsbeschluß, erstmals Veranlagungsbescheide erhalten haben bzw erhalten.

Erfreulicher Weise ist die Stadtverwaltung unverzüglich gefolgt. Wie der zuständige Tourismusbürgermeister Wolfgang Henrich in Beantwortung unseres Schreibens vom 17.3.20 mit Schreiben vom 19.3.20 mitgeteilt hat, sieht die GuT “in Anbetracht der akuten Situation bis auf Weiteres in der näheren Zukunft von einer Versendung von Bescheiden ab”. Die Fraktion FWG / BüFEP begrüßt ausdrücklich, dass die Stadtspitze unsere Initiative unverzüglich aufgegriffen und sofort umgesetzt hat. Neben dieser Sofortmaßnahme hat die Fraktion FWG / BüFEP weiterhin beantragt die Tourismusbeitragssatzung vom 21.2.2019 aufzuheben, die Erhebung des Tourismusbeitrages für 2017 damit zu beenden und die bisher kassierten Beiträge zurückzuzahlen. Die Begründung dafür ergibt sichselbsterklärend aus der nunmehr seit über zwei Monaten anhaltenden Lage. Die in den vergangenen Wochen erlittenen Umsatzeinbußen und für die Zukunft absehbarene Umsatzminderungen bei den rund 300 Hauptbetroffenen der Abgabe, den Gatsronomiebetrieben, sind so dramatisch, dass es sachlich und kommunalpolitisch ausscheidet, für 2017 jetzt oder in Zukunft rückwirkend (die Verjährung tritt erst am 31.12.2021 ein) Tourismusbeitrag zu erheben.

Da heute klar ist, dass die Fortsetzung des Beitragserhebungsverfahrens aufgrund der aktuellen Umstände inakzeptabel ist und aus den selben Gründen auf absehbare Zeit (bis zur Kommunalwahl 2024) eine Wiedereinführung des Tourismusbeitrages kommunalpolitisch ausgeschlossen ist, liegt die schlussendlich einzige sinnvolle Konsequenz auf der Hand: die ersatzlose Aufhebung der Satzung vom 21.2.2019 und damit die rückwirkende Abschaffung des Tourismusbeitrages. Die Fraktion FWG / BüFEP weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass es sich erst recht unter den Bedingungen der akuten Corona-Epidemie als Kardinalfehler der Tourismusbeiträge erweist, dass diese vom Umsatz und nicht vom Gewinn berechnet werden. Auch jetzt gibt es natürlich “Krisengewinnler”.

Diese werden aber wegen der sachwidrigen Bemessungsmethode nicht stärker herangezogen, als die Opfer der Krise, die zwar große Verluste erwirtschaften – aber natürlich noch immer gewisse Umsätze tätigen, die formal beitragspflichtig sind. Gern stellt die Fraktion FWG / BüFEP fest, dass dieser Kardinalfehler nicht in Bad Kreuznach gemacht wurde, sondern vom Landesgesetzgeber. Nach dem derzeitigen Kommunalabgabengesetz wäre eine Beitragserhebung auf der Basis von Gewinnen (statt Umsätzen) wohl nicht zulässig. Hier ist also der Landesgesetzgeber gefordert, eine moralisch, sozial und betriebswirtschaftlich vertretbare Basis für die Erhebung von Tourismusbeiträgen zu schaffen.Aber auch die Situation vor Ort gibt allen Grund, dass Beitragserhebungsverfahren für 2017 unverzüglich einzustellen und den Beitrag rückwirkend abzuschaffen.

Seit Mitte 2015 fallen bei Stadt und GuT Kosten für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrages 2016 und des Tourismusbeitrages 2017 an. Dies sind bis heute nicht unter 500.000 Euro (tatsächlich liegen die Erhebungskosten über 100.000 Euro im Jahr, wie wir noch nachweisen werden). Die Einnahmen für 2016 und 2017 liegen bisher klar darunter (2016: rund 290.000 Euro, 2017: rund 190.000 Euro) ! Damit muss das Projekt als DER kommunalpolitische Flop in der Stadtgeschichte seit dem zweiten Weltkrieg eingestuft werden. Alle, die an dieser Fehlentscheidung mitgewirkt haben, könnten den Ansehensschaden, den die Kommunalpolitik insgesamt dadurch nimmt, durch eine geordnete Verabschiedung von diesem Beitrag begrenzen helfen. Käme es dazu nicht, wird die Akzeptanz anderer Beschlüsse des Rates der Stadt dauerhaft erheblichen Schaden nehmen. Laut eigenen Angaben möchte die Stadt mit dem Tourismusbeitrag 2017 “300.000 Euro” einnehmen (so Bürgermeister Heinrich noch am 13.1.2020 im Finanzausschuß. Diese Hinweise sind erforderlich, weil die GuT zwar – wie von uns gefordert – den Bescheidversand sofort einstellt.

Aber gleichzeitig feststellt: “Wir setzen aber natürlich die Arbeiten fort, fertigen die Festsetzungen aus und bereiten die Versendung zu einem späteren Zeitpunkt vor, wenn die Einschränkungen des öffentlichen Lebens weitgehend aufgehoben sind, was auch dem Auftrag entspricht, den die Stadt der GuT erteilt hat”. Herr Geschäftsführer Dr. Michael Vesper hat angekündigt, dass er den Termin des Zeitpunkts der Versendung mit der Kämmerei abstimmt. Dem halten wir entgegen: es ist falsch Beitragspflichtigen, die um ihre Existenz kämpfen und deren Minus jetzt in den allermeisten Fällen nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt reingeholt werden kann, wann auch immer Widersprüche oder Zahlungen zuzumuten. Der Tourismusbeitrag war ein Irrweg. Spätestens jetzt muß dieser beendet werden. Mit freundichem Gruß Karl-Heinz Delaveaux Fraktionsvorsitzender”