Wertstoffhöfe: Umweltministerium widerspricht Nies

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Eigentlich muss frau/man Hans Dirk Nies (SPD) bewundern. An für ihn unlösbare Aufgaben geht er ohne Rücksicht auf Verluste immer wieder ran. Selbst permanente Erfolglosigkeit schreckt ihn nicht. Beispiel Prozentrechnung. Bei den Coronatests ging seine Methode voll daneben. Da Nies nicht auf die Idee kommt, dass das an seinen Rechenfähigkeiten liegen könnte, wendet er die Prozentrechnung munter weiter an. Gestern bezogen auf die von ihm verantwortete Schließung der vier Wertstoffhöfe im Kreisgebiet. In einem sehr lesenswerten Beitrag des Kollegen Stefan Munzlinger (“Trotz harter Kritik: Wertstoffhöfe bleiben dicht”, Öffentlicher vom 1.4.20) kommt Nies dankenswerter Weise breit zu Wort. “Reden lassen” war schon in der Ausbildung ein wertvoller Rat für Journalisten im Umgang mit Politikern, die gern viele Worte machen, ohne etwas zu sagen.

Täglich erreichen die Redaktion dieser Seite Meldungen über Sperrmüll, der rechtswidrig abgestellt wird, weil die Wertstoffhöfe geschlossen haben. Dieses Sofa wurde gestern in Planig am Friedhof (Biebelsheimer Strasse) entdeckt.

Und so erfährt die staunende Öffentlichkeit: “95 Prozent der Bürger zeigen Verständnis für die Schließung der vier Höfe”. Wie schon sein Landratswahlergebnis 2017 gezeigt hat, verfügt Hans Dirk Nies nicht über sonderlich viele Bürgerkontakte. Mangels belastbarer Angaben aus dem Kreishaus weiß daher niemand, auf welche Datenbasis sich diese Behauptung stützt. Und 95% ist offenbar ein Lieblingsreferenzwert des Kreisabfallbeigeordneten, den er – ganz unabhängig von der jeweiligen Sachlage – überall einstreut. Am Freitag vergangener Woche, als es um die Zahl negativer Coronatests ging, gestern als fiktive Zustimmungsquote zu seinen Sperr-Maßnahmen. Die stehen, wie die Redaktion dieser Seite ermittelte, allerdings in krassem Gegensatz zu den Vorstellungen des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums.

Genau das möchte das Umweltministerium nicht sehen: geschlossene Wertstoffhöfe.

Die kommunalen Wertstoffhöfe werden von ganz oben als “wichtiger Beitrag zur Entsorgungssicherheit” eingestuft und zählen “zu den notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens”. Das Ministerium warnt: “bei Schließung der kommunalen Wertstoffhofe bestünde die Gefahr von Fehllenkungen weiterhin getrennt zu sammelnder Abfälle in den Restabfall, damit einer Überforderung der Sammellogistik und einer Verringerung der verfügbaren Kapazitäten in den Abfallverbrennungsanlagen”. Weil frau/man mit Ministerialzulage pp besonders höflich ist, wird die diesbezügliche Anweisung in Form einer Bitte vorgetragen: “Ich bitte Sie, Ihre Organisationsverantwortung im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung im obenstehenden Sinne auszuüben”. Was Nies in seiner Einfalt ebenfalls nicht bedacht hat: der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) hat kostengünstige Alternativen.

Ein Spaßvögelchen hat dem Wertstoffhof-Personal Anfang der Woche diesen Kugelgrill geschenkt. Denn da war klar: es kommen Sonnentage. Und störende Einwohner*Innen waren ausgesperrt.

Wenn die Arbeitsbedingungen im Abfalldezernat unter der Leitung Nies so sind, dass ein hoher Krankenstand die Folge ist, muß der Betrieb nach Einschätzung von Gerd Cremer “auf Fremdpersonal zurückgreifen, um die Wertstoffhöfe als Ort der Daseinsvorsorge offen zu halten”. Cremers, der lange Jahre im rheinland-pfälzischen Innenministerium arbeitete, gibt den Tipp: “der Kreis soll ein anerkanntes Security-Unternehmen beauftragen”. Die Redaktion dieser Seite hat aufgrund dieses Hinweises gestern zwei Security-Unternehmen, die im Raum Bad Kreuznach tätig sind, angefragt. Beide bestätigten unisono: “wir können sofort anfangen”. Cremer: “selbst wenn dadurch Tageskosten von 1.000 Euro entstehen würden, ist das am Ende in jedem Fall biliger, als wenn a. der Sperrmüll von den Leuten nicht kostenlos gebracht sondern kostenpflichtig abgeholt werden muß und b. tonnenweise Müll aus der Landschaft zusammengesammelt werden muß”.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

01.04.20 – “Meinung: Hans Dirk Nies (SPD) versteht etwas von Prozentrechnung”
30.03.20 – “Sperrmüll türmt sich in der Stadt”

Aufgespiesst: Gerd Cremer ist ein 5%er

Auch Rocker sind mitunter Naturfreunde. Und daher hört und sieht man Outlaws, Hells Angel, Bandidos und Co auf ihren extra-heißen Öfen in diesen Tagen auch durchs Salinental und unser Städtchen dröhnen. Wer an der Ampel mal neben einen dieser harten Typen und seiner Maschine zu stehen kam, dem sind auf den Kutten möglicherweise Aufnäher mit einem “1 %” in einer Raute aufgefallen. Dabei handelt es sich nicht um eine Angeberei bezüglich eines extrem hohen Promillestandes. Sondern um eine Beschreibung der Selbstwahrnehmung des Trägers. Das 1%-Symbol geht auf eine angebliche Aussage der American Motorcyclist Association (AMA) aus dem Jahr 1947 zurück.

Das sind natürlich keine 1%er. Sondern ganz brave Zweiradfreunde, die bei einer Stadtfahrt vor ein paar Tagen aufgrund verschiedener Umstände (“Mann, ist der dick, Mann”, “der Auspuff hilft dabei, Störgeräusche wie Polizeisirenen nicht hören zu können”, “solche Helme habe ich zuletzt bei der Reichswehr gesehen”) für Aufsehen sorgten.

Diese stellte heraus, dass 99% ihrer eigenen Mitglieder “rechtschaffene und friedliche Bürger” seien. Die übrigen 1% stempelte die AMA damit als Gesetzesbrecher ab. Die MC-Biker mit einschlägigen Interessen griffen diese Einstufung auf. Und hefteten sich die 1%-Markierung (Bild ganz unten) an, um sich damit abzugrenzen. Die Einschätzung des Abfallbeigeordneten Nies, 95% der Bürger seien mit der Schließung der Wertstoffhöfe einverstanden (siehe unser gesonderter Bericht “Wertstoffhöfe: Umweltministerium widerspricht Nies”), hat Gerd Cremer zum Anlaß genommen, aus dem 1%er-Aufnäher für Kutten einen 5%er-Aufkleber für Autos zu machen. Um damit deutlich zu machen, dass er zu jenen “5%” gehört.

Diesen speziellen Autoaufkleber läßt Gerd Cremer für alle produzieren, die mit der willkürlichen Schließung der Wertstoffhöfe durch den Abfallbeigeordneten Hans Dirk Nies (SPD) nicht einverstanden sind.

Aus vielen Gesprächen mit Leidengensossen weiß Gerd Cremer, dass diese weit überwiegend die Sperrung ablehnen. Er ist sich daher sicher, “nicht zu einer 5%-Minderheit, sondern zur großen Mehrheit zu gehören. Die vom Abfallbeigeordneten Nies angeführte Bezugsgröße “Bürger” hält Gerd Cremer zudem für “unpassend”. Entscheidend sei allein die Meinung jener, die die vier Wertstoffhöfe auch aktiv nutzen. “Wenn Oma Paschulke aus Winzenheim nie was zum Kompostwerk gebracht hat, kann sie die Lage gar nicht einschätzen”. Gefragt werden müßten jene, die dem Kreis Jahr für Jahr hunderttausende von Euro Kosten sparen, weil sie mit eigenen Fahrzeugen Wertstoffe und Abfälle korrekt abgeben, statt diese abholen zu lassen oder illegal zu entsorgen.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

02.04.20 – “Wertstoffhöfe: Umweltministerium widerspricht Nies”

Das Original: dieser Aufnäher ist bei einschlägigen Motorradfreunden sehr beliebt. Wenn “normale” Biker sich aus Spaß so ein Abzeichen an die Weste nähen, führt das nicht selten zu gewaltsamer Entfernung durch jene, die die symoblisch zum Ausdruck gebrachte Botschaft erst nehmen.