Schließungs-Alleingang der Stadtverwaltung sorgt weiter für Verärgerung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Stadtverwaltung nannte es am Freitag eine “Schutzmaßnahme vor dem Coronavirus”. Die betroffenen Bürger*Innen nennen es “Schwachsinn”, “unvernünftig” und “übertrieben”: ab dem 16. März gibt es bei den allermeisten Publikumsämtern der Stadt Termine nur noch nach fernmündlicher oder emailschriftlicher Vereinbarung. Sonst bleiben die Türen zu. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rüdesheim, Markus Lüttger, bleibt natürlich in seiner öffentlichen Darstellung sachlich: “die Stadtverwaltung hat sicherlich ihre Gründe für ihr Handeln. Ich werde mit meiner Verwaltung da nicht mitmachen, es sei denn, es gibt eine Anweisung des Landes oder der Aufsichtsbehörden”.

Kreis warnt vor Panik

Seine Behörde ist immerhin für rund 29.000 Einwohner*Innen und deren Anliegen verantwortlich. In der Kreisverwaltung (deren Gesundheitsamt ist die Fachbehörde für die Bekämpfung von Virusinfektionen) ist die Distanz zur Stadt so groß, dass man deren Entscheidung bisher öffentlich gar nicht kommentierte. Eine parteipolitische Komponente hat diese Diskrepanz sicher nicht. Denn Kreis-Gesundheitsdezernent Hans Dirk Nies ist wie Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer SPD-Mitglied. Nies warnt vor Corona-Panik-Aktionen, Dr. Kaster-Meurer fördert diese in der Wahrnehmung vieler Beobachter*Innen. Vor allem, weil in der Presseerklärung der Stadt keine substantiellen Gründe für die einschneidenden Maßnahmen angeführt werden.

“Wo soll dieser Ansatz enden?”

Dort heisst es lediglich: “Bad Kreuznach reagiert auf das Coronavirus und die damit verbundene Unsicherheit in der Bevölkerung”. Und weiter: “die Stadt möchte damit größere Menschenansammlungen vermeiden und mehr Möglichkeiten für Hygienemaßnahmen in den städtischen Gebäuden schaffen”. Hygiene schaffen, in dem man die Zahl der Anwesenden in einem Gebäude reduziert? “Wo soll dieser Ansatz enden?”, wird dazu aus der Bürgerschaft gefragt: “leere Verwaltungsgebäude = keine Coronagefahr mehr?”. Ein Leserbriefschreiber fragt, ob die Stadt zwischenzeitlich den oder die Attentäter geschnappt hat, die vor dem Verwaltungsgebäude Brückes Fahrräder sabotierten und drinnen die WCs verstopften.

Lothar Bastian: “unverantwortlich”

Und kommt zu dem Schluß: “wenn sie nicht mal diese Kriminellen finden konnten, wie wollen sie da Viren stoppen?” Auch aus der Politik kamen bereits am Wochenende erste Reaktionen. Lothar Bastian hat eine klare Einschätzung: “ich finde es unverantwortlich von der Stadtverwaltung mit solchen (virologisch unsinnigen) Maßnahmen die bereits latent vorhandene Hysterie und Panik-Neigung noch zu verstärken!”. Das erfahrene grüne Ratsmitglied zeigt sich zudem von der Reaktion einer namhaften Zahl von Bürger*Innen “betroffen”, die in der städtischen Maßnahme einen Test für die Einschränkung von Bürgerkontakten erkennen:

Unklarheiten und Widersprüche

“Ich finde es als Stadtrat schlimm, dass die Bürger dermaßen sensiblisiert und vorgeschädigt sind, dass solche Vermutungen überhaupt aufkommen”. Die Begründung der Stadtverwaltung “größere Menschenansammlungen vermeiden” zu wollen, veranlaßt nicht nur Bastian zum Kopfschütteln. Eine ganze andere Reihe von Gesprächspartnern verweist auf die Ratschläge von Fachleuten, die erst bei Großveranstaltungen mit über 1.000 Menschen Handlungsbedarf sehen. Und sprechen viele Unklarheiten und Widersprüche im Vorgehen der Stadt an. Wenn es so wichtig ist, “größere Menschenansammlungen” zu vermeiden, um das Virus zu stoppen, warum dann nicht sofort? Warum dann bis zum 16. März warten?

Warum ab 16.3.? Warum nicht ab dem 23.3.?

Und wenn man bis zum 16. März offenbar gefahrlos warten kann, warum dann nicht auch bis zum 23. März. Oder dem 30.? Noch sind auf dem Sitzungskalender der Stadtverwaltung Termine von Ausschuß- und Stadtratssitzungen angeführt. Eine Leserin erinnert an die letzte Sitzung des Rates der Stadt, an der im zur Sperrung anstehenden Verwaltungsgebäude über 200 Menschen teilnahmen. “Was bringt es tagsüber die Leute auszusperren, wenn sie abends zur Sitzung alle kommen dürfen? Oder soll das auch eingeschränkt werden? Bekommen wir in Bad Kreuznach einen “Ausnahmezustand”, so wie die in New York im Kino?”, fragt sie. Andere weisen darauf hin, dass die selben Menschen, die vor städtischen Dienstzimmern warten, sich auch in Ladengeschäften, Arztpraxen, Kindergärten, Schulen, der Fußgängerzone, in Sporthallen, der Disco und unzähligen anderen Gelegenheiten tagtäglich treffen.

“Vollkommen unverständlich”

Und fragen – teils verärgert, teil belustigt: “was soll es da helfen eine von dutzenden Kontaktmöglichkeiten zu erschweren?” Für einen anderen Anrufer ist es “vollkommen unverständlich”, warum die Stadt so vorgeht. Und alle anderen Behörden wie das Justizzentrum, das Finanzamt und die Arbeitsagentur nicht: “was soll das bringen?” Ein Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion, das namentlich nicht genannt werden möchte, macht sich über die Maßnahme der Stadtverwaltung geradezu lustig: “obwohl eine Ärztin OBin ist, haben wir in der Verwaltung den höchsten Krankenstand jemals. Schon seit Jahren. Lange bevor von dem Corona-Virus erstmals die Rede war”. Und möchte wissen: wenn ohne einen einzigen virusbedingten Krankenfall die Verwaltungsmitarbeiter vor der zusätzlichen Gefahr durch so knallharte Maßnahmen geschützt werden, was wurde dann in der Vergangenheit an Schutz vor was oder wem unterlassen, um ganz reale Krankenfälle zu vermeiden?

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