Haus der Stadtgeschichte gestern eröffnet

Am alten Standort am Schlosspark standen dem Stadtarchiv nur 90 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung, im Haus der Stadtgeschichte sind es mehr als achtmal soviel, nämlich 744 Quadratmeter: mit der Eröffnung des neuen Hauses in der Mannheimer Straße am Löwensteg (ehemals Betten-Golling) werden nach jahrzehntelangem provisorischem Erhalt von wertvollen Akten und Urkunden, Fotografien, Tonbändern, Filmaufnahmen und Büchern künftig alle Archivalien der Stadt unter einem Dach bewahrt. Nach einer intensiven Umzug- und Einrichtungsphase ab Oktober 2019 wurde das Haus der Stadtgeschichte gestern der Bevölkerung übergeben.

Elisabeth van Werden-Troll (Stiftung Haus der Stadtgeschichte), Georg Böcking und Werner Fuchs (Förderverein Bürgerarchiv im Haus der Stadtgeschichte), Stadtpressesprecherin Isabel Gemperlein,  Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer, Franziska Blum-Gabelmann (Leiterin Haus der Stadtgeschichte), Levent Kunt (Künstler der Betonskulptur „Kunst am Bau“), Marcelle Mahfoud und Fabian Rieth (Architekten PlanFormArt) (v.r.).

Mit großem Programm und Tag der offenen Tür öffnet das Haus offiziell am 16. Mai zum „Tag der Städtebauförderung“. „Das Haus der Stadtgeschichte leistet einen wichtigen Beitrag zur Identitätsstiftung der Bürger und stärkt dadurch den Gemeinschaftssinn. Es ist eine Begegnungsstätte, ein Erkenntnis- und Kommunikationsort, wo Menschen aller Altersstufen und sozialen Milieus, Einheimische wie Zugewanderte, forschen, agieren und an Bildungsangeboten teilhaben können“, hob Kaster-Meurer die Bedeutung des neuen Hauses beim großen Pressegespräch im Vorfeld der Eröffnung hervor.

Durch seine zentrale Lage und seine einladende, offene Gestaltung rege es die Bürgerinnen und Bürger an, sich mit ihrer Stadt und deren Geschichte zu beschäftigen und zu identifizieren. Präsentiert und in Redebeiträgen gewürdigt wurde das Haus dann von der Leiterin des „Gedächtnisses der Stadt“, Franziska Blum-Gabelmann, den Architekten von PlanFormArt, dem städtischen Bauleiter Bernd Frenger sowie Vertretern des Fördervereins Bürgerarchiv und der Stiftung Haus der Stadtgeschichte. Der Frankfurter Künstler Levent Kunt stellte außerdem seine Betonskulptur vor, die als „Kunst am Bau“ das neue Stadtarchiv von außen schmücken wird.

Werner Fuchs und Georg Böcking.

Das Haus der Stadtgeschichte wurde erst das Land Rheinland-Pfalz, das die Baukosten in Höhe von rund 3 Millionen Euro zu 90 Prozent förderte, sowie durch zahlreiche Spender und Sponsoren ermöglicht. 305.000 Euro brachte der Förderverein „Bürgerarchiv im Haus der Stadtgeschichte“ seit seiner Gründung ein und übertraf damit sein selbstgestecktes Spendenziel. „Ohne die engagierte und erfolgreiche Arbeit des Fördervereins wäre ein Bürgerarchiv in dieser Form nicht möglich gewesen“, richteten Oberbürgermeisterin und Stadtarchivarin ihren Dankan die Vorstandsmitglieder Werner Fuchs, Georg Böcking, Birgit Kossmann, Cyrill Reiniger und Gerhard Schläfer sowie an alle Spender und Sponsoren aus.

Der Umzug des Stadtarchivs in sein neues Domizil war eine Mammutaufgabe und wurde von Blum-Gabelmann und ihrem Team über Monate akribisch geplant und durchgeführt. Bereits im Sommer 2019 wurden die Archivalien im Archiv in der Dessauer Straße professionell gereinigt und für den Umzug vorbereitet. In der Folgezeit mussten die wertvollen Quellen sicher verpackt, in zahllose Umzugkartons gefüllt und mit einer Umzugsfirma an die neue Adresse gebracht werden. Im November begann die Möblierung des neuen Hauses der Stadtgeschichte, so dass die Bestände nach und nach am neuen Standort einsortiert werden konnten.

Von außen nahm zeitgleich die neue, attraktive Fassade des Gebäudes an Gestalt an. Mit der heutigen Eröffnung ist der Umzug aber noch lange nicht abgeschlossen. Nun müssen die Außenstellen − Dachböden und Keller der Verwaltung − geleert werden. Dazu soll das Material zunächst in das alte Archiv gebracht werden, um es begutachten, zu reinigen und zu erfassen. Blum-Gabelmann rechnet damit, dass es mindestens zwei Jahre dauern wird, bis das ganze Archivgut der Stadt am neuen Standort ist.

Das ehemalige Geschäftshaus „Betten Golling“ wurde ab Oktober 2016 komplett umgebaut und erweitert. An dem städtischen Großprojekt waren rund 15 Gewerke und diverse Fachplaner beteiligt. Das neue Stadtarchiv punktet durch seine zentrale Lage in der Innenstadt, die es für die meisten Schulen bequem fußläufig erreichbar macht. Die offene, einladende Außengestaltung mit vier großen „Schaufenstern“ zur Fußgängerzone hin gibt Passanten Einblicke in das Geschehen im Innern. Das Gebäude ist komplett barrierefrei. Im Erdgeschoss befinden sich die Aufenthalts- und Arbeitsräume des Archivpersonals.

Die von Stadtratsmitglied Annette Tiergarten geschaffene Ehrentafel für die 40 Förderer des Bürgerarchives im Haus der Stadtgeschichte.

Der mit rund 140 Quadratmetern größte und einzig öffentlich zugängige Raum bietet sowohl genügend Platz für eigene Forschungen als auch für Ausstellungen und Veranstaltungen. Im Obergeschoss ist das Bürgerarchiv untergebracht, im Neubau das Magazin I mit zwei Rollregalsystemen. Im Kellergeschoss lagern das Foto- und Filmarchiv sowie eine große Rollregalanlage. Eine Klimaanlage sorgt für eine individuell auf die Archivgüter angepasste Raumtemperatur im ganzen Gebäude. Das Haus der Stadtgeschichte wurde so konzipiert, dass für rund 17 weitere Jahre genügend Platz für neue Archivalien vorhanden ist.

Das Haus der Stadtgeschichte beherbergt unveräußerliche einzigartige Kulturgüter aus der Stadt Bad Kreuznach einschließlich der Stadtteile Bad Münster am Stein-Ebernburg, Bosenheim, Ippesheim, Planig und Winzenheim. Es sind Zeugnisse einer fast 800-jährigen Geschichte von Menschen, die in hier lebten. Die Urkunden gehen bis ins Jahr 1241 zurück, die Zivilstandsregister (Geburt, Heirat, Tod) bis ins Jahr 1799, die Kreuznacher Tageszeitungen bis ins Jahr 1805.

Hansjörg Rehbein stellte den Internetauftritt der Einrichtung vor.

Zum umfangreichen und vielfältigen Bestand gehören: die Überlieferung der Stadtverwaltung, Nachlässe Bad Kreuznacher Persönlichkeiten, Foto- und Diaarchiv, Film- und Tondokumente, Karten und Pläne, Zeichnungen, Postkarten und Plakate, Ortsarchive, Bibliothek und Verwaltungsakten (16. bis 19. Jahrhundert) sowie diverse Materialsammlungen. Das Haus der Stadtgeschichte steht auf drei Säulen:

Die Überlieferung des Schriftguts der Verwaltung als Gedächtnis der Stadt ist umfangreich und vielfältig. Es umfasst unter anderem Akten, Urkunden, Druckschriften, Plakate und Fotos. Durch die Abgabe der Akten aus den verschiedenen Ämtern und weiteren Bereichen der Verwaltung an das Haus der Stadtgeschichte entsteht eine zeitgenössische Sammlung als „Archiv des 20 Jahrhunderts“. Ein Archiv des 21. Jahrhunderts wird im Anschluss aufgebaut.

Sammlungen und Nachlässe von Kreuznacher Bürgern und Vereinen, Handwerksbetrieben, Firmen und Organisationen bilden als Schenkungen, Erbschaften und Leihgaben das Gedächtnis der Bürgerschaft. Im Haus der Stadtgeschichte wird diese Aufgabe verstärkt fortgeführt. Dazu gehört der Aufbau von Archiven über das Wirtschaftsleben der Stadt, die Vereine, den Sport, die Zuwanderung, die starken Frauen in der Stadtgeschichte, die jüdische Bevölkerung sowie im digitalen Zeitalter der Aufbau eines „Film- und Hörarchivs“.

Als Stätte der Forschung bietet das Haus der Stadtgeschichte seinen Nutzerinnen und Nutzern eine Fülle von Dienstleistungen. Zur Erforschung, Dokumentation und Vermittlung der Stadtgeschichte gehören beispielsweise Führungen und Beratungen, die Unterstützung in der Heimat- und Familienforschung, die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen für Bildung und Kultur sowie die Information der Öffentlichkeit durch Ausstellungen, Veröffentlichungen und Vorträge.

Das Archiv der Stadt Bad Kreuznach hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Erste gesicherte Hinweise auf ein Stadtarchiv stammen aus dem 17. Jahrhundert. In der französischen Zeit war das Stadtarchiv in der Stadtschreiberei untergebracht. Ab 1819 wanderte es ins heutige Stadthaus, bevor das Archiv im Jahr 1913 in der Realschule eine neue Heimat fand. 1925 kam es zur Übernahme der Bestände des Museums des Vereins für Heimatkunde. Beides wurde provisorisch in einem Gebäude in der Kronenberger Gasse gelagert.

Stadtratsmitglied Jörg Fechner hat für Nahe TV einen Film über die Sanierung des Hauses der Stadtgeschichte und den Umzug gemacht.

Im Zweiten Weltkrieg brachte man wahrscheinlich die Urkunden und Ratsprotokolle im Kellergewölbe des Heimatmuseums, das mittlerweile in die Kreuzstraße (heute Stadtbibliothek) umgezogen war, in Sicherheit. 1979 zog das Archiv in einen Kellerraum der Berufsbildenden Schule und ab 1982 in die damalige Grundschule in der Planiger Straße.1993 begannen die Umbauarbeiten im Pförtnerhaus am Eingang zum Schlosspark, wo das Stadtarchiv von Juni 1994 bis Dezember 2019 seinen Sitz hatte.

Die städtische Überlieferung ab 1920 blieb weitgehend − mit Ausnahme der Ortsarchive der eingemeindeten Ortschaften Bosenheim, Ippesheim, Winzenheim und Planig − auf den Dachböden und in den Kellern der einzelnen Verwaltungsgebäude. Nach der Fusion mit Bad Münster am Stein-Ebernburg 2014 wanderte der Großteil dieses Archivs nach Bad Kreuznach, weitere Archivalien gibt es in der Außenstelle in Bad Münster. 2010 erwarb die Stadt das leerstehende Geschäftshaus „Betten Golling“ in der Mannheimer Straße 189.

Elisabeth van Werden-Troll von der Stiftung Haus der Stadtgeschichte.

2014 beschloss der Stadtrat, das Gebäude für ein Haus der Stadtgeschichte umzubauen. Im gleichen Jahr folgte die Gründung des Fördervereins, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die Einrichtung eines Bürgerarchivs im neuen Haus zu unterstützen. Ende 2016 war der symbolische erste Spatenstich. Nach gut drei Jahren Bauzeit öffnet das Haus Anfang März 2020 seine Türen für die Öffentlichkeit. Geöffnet ist das Haus der Stadtgeschichte zunächst mittwochs bis freitags, 10 bis16 Uhr.