Corona-Angst: Stadtverwaltung sperrt Dienststellen für Besucher ohne Termin

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Noch gestern hat die Kreisverwaltung vor einer Corona-Panik gewarnt. Und darauf hingewiesen, dass in und um Bad Kreuznach bis her kein einziger Krankheitsfall bekannt wurde. Der Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Ernst-Dieter Lichtenberg, hatte zudem gestern klargestellt: “ausgehend von diesem Istzustand bewerte ich auch weiterhin das Risiko, sich im Landkreis mit dem Coronavirus infizieren zu können, als sehr niedrig – im Gegensatz zur Grippe“ (diese Seite berichtet heute). Obwohl auch die Stadt Bad Kreuznach im Landkreis liegt, sieht die Stadtverwaltung das ganz anders. Und hat heute Mittag eine “Schutzmaßnahme vor dem Coronavirus” angekündigt. Ab Montag dem 16. März sind Vorsprachen im Gebäude Brückes 2-8 nur noch mit Termin möglich. In diesem Dienstgebäude sind praktisch – abgesehen vom Bürgerinformationsbüro – alle stark besuchten Publikumsämter der Stadt untergebracht:

“Größere Menschenansammlungen vermeiden”

Zulassungsstelle, Ordnungsamt, Wohngeldstelle, Sozialamt, Einwohnermeldeamt, Gewerbemeldestelle, Rechtsamt, Standesamt usw. Überall dort müssen künftig Termine vereinbart werden, etwa um ein Auto oder eine Firma an- oder abzumelden, einen Umzug beim Amt bekannt zu machen oder ein Geburtsurkunde abzuholen. Begründung der Stadtverwaltung: “Bad Kreuznach reagiert auf das Coronavirus und die damit verbundene Unsicherheit in der Bevölkerung”. Weiter heisst es in der Pressemitteilung: “die Stadt möchte damit größere Menschenansammlungen vermeiden und mehr Möglichkeiten für Hygienemaßnahmen in den städtischen Gebäuden schaffen”. Termine können telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden. Folgende Kontakte stehen laut Pressemitteilung zur Verfügung:

Amt für Recht und Ordnung:
verkehrsangelegenheiten@bad-kreuznach.de, 800-197
einwohnermeldeamt@bad-kreuznach.de, 800-351
kfz-zulassung@bad-kreuznach.de, 800-294
gewerbeangelegenheiten@bad-kreuznach.de, 800-222
fuehrerschein@bad-kreuznach.de, 800-194
vollzugsdienst@bad-kreuznach.de, 800-111

Standesamt:
standesamt@bad-kreuznach.de, 800-198

Sozialamt / Sozialhilfe und Asylbewerberleistungen:
sozialamt@bad-kreuznach.de, 800-234

Wohngeld:
wohngeldstelle@bad-kreuznach.de, 800-358

Allgemeiner Sozialdienst (Wohnungsprobleme):
sozialamt@bad-kreuznach.de, 800-253/307

Zusätzlich seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonzentrale unter (0671) 800-0 erreichbar. Die Verwaltung bittet außerdem um Verständnis und Beachtung, dass in allen städtischen Einrichtungen derzeit auf das Händeschütteln verzichtet wird. Und stellt abschließend fest: “weitere Hygienehinweise hängen in den Gebäuden der Stadt aus”.

Meinung: Panikmache durch die Stadtverwaltung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Ausgerechnet eine öffentliche Verwaltung, an deren Spitze eine Ärztin steht, ordnet im Naheraum die weitreichensten Kontaktsperren zwischen Bürger*Innen und Bürokratie an. Und versucht das als Reaktion auf die “Unsicherheit in der Bevölkerung” zu erklären. Dabei ist genau das Gegenteil richtig: mit solcher operativer Hektik wird die Unsicherheit in der Bevölkerung noch größer. Die Maßnahmen der Stadtverwaltung erinnern stark an die Presseerklärung des damaligen Bundesinnenministers nach der Absage eines Fußballspiels in Hannover. Von dem Mann redet heute kein Mensch mehr. Weil er statt Informationen zu geben die Spekulationen befeuerte. In der Sache können die städtischen Maßnahmen nur als hilflos bewertet werden.

Unverantwortlich und bürgerfeindlich

Fakt ist, dass im Verwaltungsgebäude Brückes 2-8 tagtäglich eine dreistellige Zahl von Bürger*Innen ein – und ausgeht. Für deren Infektionsrisiko ist es vollkommen unerheblich, ob diese Zahl von Menschen irgendwo wartet oder sich in Fluren und Treppen begegnet. Eine effektive Risikoreduzierung wäre nur dann möglich, wenn die Zahl der Vorsprachen dramatisch reduziert würde. Also mit einer wesentlichen Einschränkung der Verwaltungsdienstleistung. Allein dieser Gedanke ist unverantwortlich und bürgerfeindlich. Und würde die Schlußerklärung der Verwaltung in ihrer heutigen Presseerklärung zum Treppenwitz machen: “Weitere Hygienehinweise hängen in den Gebäuden der Stadt aus”, wird erklärt. Wenn man in die Gebäude ohne Termin nicht mehr rein kommt: wer soll die dann lesen, ihr Schlauberger?