ver.di demonstriert nächsten Donnerstag vor der Stadtratssitzung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Beschluß zur Abgabe des Jugendamtes datiert vom 29.11.18. Den setzte die Oberbürgermeisterin mit Verweis auf viele Jahre alte Schreiben aus Mainzer Ministerien einfach nicht um. Reaktionen aus der Gesellschaft: kaum. Weder auf den Beschluß noch auf den Umgang damit. Im August 2019 dann auf Initiative des Landtagsabgeordneten Dr. Helmut Martin die Klarstellung des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages: der Stadtrat darf das. Die Reaktion Dr. Kaster-Meurers: eine Besichtigung des Jugendamtes durch den Jugendhilfeausschuß in öffentlicher Sitzung. Was bedeutete: die Presse durfte dabei sein. Aber Fragen stellen war für Redakteure verboten. Zu viel Transparenz hätte Probleme zutage gefördert. Auch damals nur wenige Reaktionen von Initiativen, Verbänden und Vereinen.

Defizit zwischen 2,5 und 4 Millionen Euro

Dann scheiterte im November 2019 der erste Anlauf der Beratung eines Stadthaushaltes für 2020. Statt dessen starteten Monate verspätet die Verhandlungen zwischen Stadt und Kreis über die Abrechnung der Jugendamtskosten für den Zeitraum 2015 bis 2019. Und einen neuen Vertrag ab dem 1.1.20. In diesem Zusammenhang der Finanz-Schock: in städtischer Trägerschaft kommt das Jugendamt zwischen 2,5 Millionen und 4 Millionen Euro jährlich teurer. Das Defizit würde sich also verdoppeln oder verdreifachen. Das rief den Bürgermeister und Kämmerer auf den Plan. Wolfgang Heinrich zitierte die Oberbürgermeisterin für den 3. Februar in den Finanzauschuß, um von ihr zu hören, wie angesichts dieser tiefroten Zahlen der gesetzlich vorgeschriebene Haushaltsausgleich bewerkstelligt werden soll.

Dr. Kaster-Meurer kneift

Als aufgrund einer totalen Funkstille aus dem OBin-Büro klar wurde, dass Dr. Kaster-Meurer kneift, lud Heinrich Landrätin Bettina Dickes ein. Die ihre Termine verlegte, um den Stadtpolitikern Rede und Antwort zu stehen. Eines der Ergebnisse: weil die Finanzierung auf Kreisebene anders läuft, als für die Stadt, fallen für die selben Leistungen des Kreises im Jugendbereich deutlich geringere Defizite an, als bei der Stadt. Der klamme Kreis kann sich daher die zusätzliche Zuständigkeit sogar leisten. Weil er vom Land besser bezahlt wird, als die Stadt. Die Antwort auf die Frage, wieso das trotz der starken Präsenz von MdLs aus dem Kreis Bad Kreuznach nach Jahrzehnten noch immer so ist, liegt leider nicht vor.

Diskussion nur wegen Defizit

Warum die Befürworter einer städtischen Trägerschaft das bisher nicht aufgeklärt haben, soll wohl ihr Geheimnis bleiben. Gäbe es nämlich eine mindestens 90% Kostenübernahme durch das Land, gäbe es die ganze Diskussion nicht. Es gibt nun aber die Millionendefizite. Und das gesetzliche Defizitverbot. Um dem gerecht zu werden setzte Bürgermeister Heinrich im Finanzausschuß zwei Notbremsen-Beschlüsse durch. Die unverzügliche Umsetzung der Jugendamts-Abgabe. Und eine bis zu deren Umsetzung geltende Sonderfinanzvereinbarung mit dem Kreis. Ob es die Drückebergerei Dr. Kaster-Meurers vor dem Finanzausschuß war. Oder die Klarheit in Argumentation und operativer Herangehensweise Heinrichs.

OBin kein Garant mehr

Dieser Beschluß hat erstmals seit 15 Monaten dazu geführt, dass Zweifel an der Aussitzen-Taktik der Oberbürgermeisterin laut wurden. Zumal die von ihr angekündigten Unterstützungs-Klarstellungen aus Mainzer Ministerien über Monate hinweg ausblieben. Als Dr. Kaster-Meurer dann eine Woche später am 10. Februar in Stadtvorstand und Hauptausschuß nicht einmal mehr durchsetzen konnte, dass der Stadtrat wie von ihr im Januar vollmundig im Jugendhilfeausschuß angekündigt am 27. Februar gemeinsam mit dem JHA tagt und dort die Fachgutachter vom ISM gehört werden, wurde klar: die Oberbürgermeisterin ist nicht mehr der Garant für das Jugendamt in städtischer Trägerschaft, als den sie sich über Jahre dargestellt hatte.

Wieso über ein Jahr untätig?

Und daher brach in der Folge des 3. Februar, sich nach dem 10. Februar noch verstärkend, eine Flut von Aktivitäten für das Jugendamt in städtischer Trägerschaft los, die rein von der Sache her gesehen schon Ende 2018 und Anfang 2019 politisch sinnvoll gewesen wären (Online-Petition, Infoveranstaltung der Grünen usw). Auch um die Kommunalwahl im Mai 2019 zu einem Referendum in dieser Frage zu machen. Die Befürworter einer städtischen Trägerschaft für das Jugendamt werden sich später einmal fragen lassen müssen, wieso sie über ein Jahr untätig blieben und sich in einer Rechts- und Politikfrage auf die Auskunft einer Ärztin verließen. Es geht doch auch keiner zum HNO, wenn er aufgrund eines Augenproblems die Zeitung nicht mehr lesen kann.

Demostart am 27.2. um 15.30 Uhr am Bahnhof

Eine der nun verspätete organisierten Aktionen findet am kommenden Donnerstag den 27. Februar von 15.30 bis 17.30 Uhr vor der Stadtratssitzung statt. Eine Demonstration der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di für den Erhalt des städtischen Jugendamts. Der angemeldete Aufzug mit anschließender Kundgebung führt vom Bahnhofsvorplatz zum Verwaltungsgebäude im Brückes 2-8, wo ab 17.30 Uhr der Stadtrat tagt. Vor dem Gebäude ist eine Kundgebung geplant. Erwartet werden rund 100 Teilnehmer*Innen. Für die Versammlung wird der Brückes vor dem Verwaltungsgebäude ab 16.30 Uhr halbseitig für den Verkehr gesperrt. Die Wilhelmstraße bleibt für den Verkehr frei, da die Teilnehmer nach Auflage der Stadtverwaltung den Gehweg benutzen werden, hat die Stadtpressestelle dazu gestern mitgeteilt.