Jugendamt-Abgabe: “gesellschaftspolitisch falsch und zu kurz gedacht”

Mit Sorge betrachtet die Gewerkschaft ver.di die anhaltendenden Diskussionen um die Abgabe des städtischen Jugendamts Bad Kreuznach an den Kreis. Die Auseinandersetzung werde auf einer falschen Ebene geführt und die Leidtragenden seien am Ende die Kinder und Familien in der Stadt. Die Frage würde aktuell alleine unter dem Gesichtspunkt der Kosteneinsparung diskutiert. Viel wichtiger sei aber die Frage, welchen Stellenwert Kinder-, Jugend- und Familienpolitik in der Stadt haben sollen.

„Durch die Abgabe des Jugendamtes verzichtet die Stadt auf 43 Millionen Euro an Steuergeldern, über deren Verwendung sie selbst bestimmen kann. Die Arbeit des Jugendamtes bestimmt maßgeblich die Rahmenbedingungen für Familien, Kinder, Jugendliche, Eltern und Großeltern in der Stadt. Nicht zuletzt durch die Finanzierung und Steuerung der Kindertagesstätten und Jugendzentren. Diesen Gestaltungsspielraum freiwillig aufzugeben halten wir für falsch.“, so Christian Baer, Gewerkschaftssekretär.

Auch sei die Maxime der Kosteneinsparung um jeden Preis eine ziemlich kurzsichtige. „Die Ergebnisse einer guten Kinder-, Jugend- und Familienpolitik zeigen sich meist erst nach Jahrzehnten. Die Folgen einer schlechten Kinder-, Jugend- und Familienpolitik sind oft erhöhte Ausgaben für Sozialleistungen und Sicherheit.“ so Baer. „Jetzt auf Teufel komm raus das Jugendamt abzugeben, um 2 bis 3 Millionen Euro einzusparen, ohne zu wissen, wieviel Geld man anschließend als Abgabe wieder an den Kreis weiterreichen muss und was von dort wieder in die Stadt investiert wird, ist ein riskantes Geschäft.“ Sowohl die Daten zur Kinderarmut als auch zur Jugendarbeitslosigkeit und zu bestimmten Familienformen zeigten, dass überdurchschnittlich viele junge Menschen und Familien (auch Großeltern) sich in prekären Lebenslagen befinden.

Daraus würden sich besondere Anforderungen zur Ausgestaltung eines funktionierenden Gemeinwesens, das Benachteiligungen abbaut und Teilhabechancen eröffnet, ergeben. Dass der Stadtrat beschlossen hat, sich nicht mit den Gutachten zu beschäftigen, die diese Situation seit Jahrzehnten verdeutlichen und den zuständigen Jugendhilfeausschuss anzuhören, bezeichnet Baer als „Skandal und beispiellose Ignoranz“.

Ebenfalls unklar sei auch noch die Frage, ob eine Abgabe des Jugendamts überhaupt vom Bad Kreuznacher Stadtrat beschlossen werden kann, oder ob hierfür eine Gesetzesänderung durch den Landtag notwendig ist. Die seit November wieder aufgeflammte Situation verunsichere die Beschäftigten. „Der Konflikt wird auf dem Rücken der Kinder, Familien und zuletzt auch der Beschäftigten ausgetragen. Diese gehen jeden Tag zur Arbeit und wollen höchstmotiviert und mit Herzblut ihren Job erledigen. Die tägliche Ungewissheit über das Fortbestehen ihres Arbeitsplatzes zermürbt die Leute aber Stück für Stück. Das muss ein Ende haben!“, so Baer.

Text: ver.di Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland