FWG / BüFEP setzt Verschiebung der Etatberatungen durch

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Erst Anfang März 2020 wird der Stadthaushalt fürs laufende Jahr beraten und beschlossen. Das hat gestern Abend mit 11 Ja- zu 8 Nein-Stimmen der Finanzausschuß auf Antrag der Fraktion FWG / BüFEP entschieden. Es ist bereits die zweite Terminverlegung. Denn schon Anfang November vergangenen Jahres lehnte das Gremium die Behandlung des Verwaltungsentwurfes ab. Damals auf Antrag von CDU und Grünen. Bürgermeister und Kämmerer Wolfgang Heinrich wurde vor zwei Monaten per Mehrheitsbeschluß beauftragt einen ausgeglichenen Etatentwurf vorzulegen. Der ist bisher nicht abzusehen. Von dem im November noch präsentierten geplanten Defizit von rund 9 Millionen Euro wurden verwaltungsintern bisher erst rund 5 Millionen Euro abgebaut.

Bürgermeister Wolfgang Heinrich (links) und der Finanzausschuß der Stadt bewältigten gestern eine umfangreiche Tagesordnung.

Noch immer steht der Verwaltungsvorschlag in den Miesen. Aktuell mit rund 4 Millionen Euro. Ohne Einbeziehung der Hiobsbotschaften, die das Jugendamt betreffen. Allein dort sind Mindereinnahmen von bis zu 3,5 Millionen Euro möglich. Diese Zahlen und die von ihm genüßlich zitierte Erklärung der Oberbürgermeisterin im Jugendhilfeausschuß in der vergangenen Woche, sie sei Anfang Februar nicht in der Lage, verbindliche Daten zu nennen, machten es Karl-Heinz Delaveaux leicht seinen Antrag zu begründen. Es sei “unseriös mit einer Unsicherheit von 4 Millionen Euro eine Etatberatung” durchzuführen, stellte der FWG / BüFEP-Fraktionsvorsitzende fest. Und führte ergänzend die Unklarheit darüber an, wieviele fehlende Millionen eventuell noch dazukommen.

“Punkte durchaus alle zutreffend”

Manfred Rapp positionierte sich zunächst “zweigeteilt” zum Antrag. Dieser sei einerseits nicht verkehrt. Anderserseits “müssen wir aber auch handlungsfähig bleiben”. Nach dieser ergebnisoffenen Einleitung gab der erst seit sieben Monate amtierende CDU-Fraktionsvorsitzende wie ein mit allen Wassern gewaschener Politprofi die Aufgabe der Sachdarstellung an den Bürgermeister weiter: “Können Sie das verantworten diesem Antrag zuzustimmen?” Wolfgang Heinrich nutzte die Steilvorlage, um jeden einzelnen Aspekt des FWG / BüFEP-Antrages zu beleuchten. Wohlwollend positiv. Schon mit seiner ersten Aussage gab er die Richtung vor: “die im Antrag enthaltenen Punkte sind durchaus alle zutreffend”.

Jugendamt-Abgabe spart 2,1 Millionen Euro

So könnten tatsächlich durch die bereits beschlossene, von der Oberbürgermeisterin aber nicht umgesetzte Abgabe des Jugendamtes 2,1 Millionen Euro eingespart werden. Auch die im Stadt-Entwurf bisher eingepanten 19,6 Millionen Euro Kreiszuschuß seien nicht als verlässlich einzuschätzen, da es seit dem 1.1.20 keine vertragliche Vereinbarung mehr gebe: “also keine Rechtssicherheit. Wir können nur spekulieren”. Auch den dritten Punkt der Antragsteller hakte Heinrich positiv ab: “es steht auch nicht fest, ob die 3,8 Millionen für den Zeitraum 2015 bis 2019 jemals gezahlt werden”. Zudem sei das vierte Argument von FWG / BÜFEP leider zutreffend. Nämlich die Unsicherheit, ob die Stadt von der Landes-Schlüsselzuweisung B1 wie bisher nur rund 400.000 oder in 2020 erstmals 800.000 an den Kreis abgeben müsse.

Henke: “möglichst schnelle Verabschiebung”

“Ich weiß das als Kämmerer erst dann definitiv rechtssicher, wenn das durch die Gremien und unterschrieben ist”. Insgesamt bilanzierte Heinrich “jede Menge Unsicherheiten eines zweistelligen Millionenbetrages”. Dieser unmissverständlichen Positionierung des Bürgermeisters für die Verschiebung widersprach Michael Henke (Grüne). Er halte dies für “unmöglich” und plädierte für eine “möglichst schnelle Verabschiebung” des Haushaltes. Denn es dauere “eigentlich immer zwei Monate bis zur Genehmigung”. Dr. Herbert Drumm (Freie Wähler) zeigte sich einer “völlig anderen Meinung als Herr Henke” und sprach sich klar für die Verschiebung aus. Mit dieser werde “endlich Druck ausgeübt, dass die Geschichte geklärt wird”.

Zimmerlin: “keine zielführende Alternative”

Wilhelm Zimmerlin (FWG / BüFEP) hält es für “völlig sinnlos einen Etat zu beraten, der zum Zeitpunkt der Beschlußfassung reine Makulatur ist”. Das sei vertane Zeit. “Daran nehme ich nicht teil”, stellte das langjährige Stadtratsmitglied fest. Auch wenn dies ohne Beispiel sei, spreche er sich “sehr stark dafür aus den Antrag anzunehmen. Es gibt dazu keine zielführende Alternative”. Lothar Bastian (Grüne) formulierte seinen Beitrag selbsterklärtermaßen “ganz emotionslos” und zeigte sich dennoch “hin und her gerissen”. Zwar hätte seine Fraktion am 4.11.19 mit der CDU gemeinsam verschoben. Aber der Haushalt betreffe halt nicht nur das Jugendamt, sondern ganz viele Bereiche, in denen teilweise sogar große Übereinstimmung im Rat zu erzielen sei.

Bastian: “Nachtrag kein Sündenfall”

Die nötigen Korrekturen könnten auch “sehr schnell mit einem Nachtragsetat” umgesetzt werden, den “wir immer mal wieder hatten”. Dies sei kein Sündenfall, weil dieser sich auf jene Punkte bezieht, die sich ändern würden. Bastian räumte aber ein: “es sind sehr hohe Beträge, um die es geht”. Jürgen Locher (Linke) machte es kurz und klar: “Schon die erste Verschiebung war falsch, der Antrag ist erst recht falsch”. Bezogen auf das Jugendamt werde sich für 2020 nichts mehr ändern können, egal ob die Beschlußfassung im Februar oder im März erfolge: “das Jugendamt wird 2020 bei der Stadt sein, daran wird sich nichts ändern”. Mit Christoph Anheuser (FDP / Faire Liste) meldete sich dann wieder ein zwiegespaltener Diskussionsteilnehmer zu Wort.

Fechner: “völlig alte Zahlen unverantwortlich”

Es sei naiv zu denken durch eine Aussetzung der Etatberatungen Druck machen zu können: “ich glaube nicht, dass durch eine erneute Verschiebung Bewegung in das Thema Jugendamt kommt”. Jörg Fechner (AfD) bezeichnete es als “unverantwortlich” mit völlig alten Zahlen zu hantieren. Er erinnerte an den Stadtratsbeschluß zur Abgabe des Jugendamtes vom 29.11.18 und fragte: “gibt es eine Frist, in der ein Beschluß umgesetzt werden muß?” In seinen Augen ist es “fahrlässig so mit Millionenbeträgen umzugehen”. Fechner riet “nach den Ausgaben zu schauen, dort findet sich die Lösung”. Dr. Heinz Rüddel (SPD) führte ein vollkommen neues Argument ein. “Wir sind der Souverän über den Etat und haben uns das durch die Verschiebung aus der Hand nehmen lassen”.

Dr. Drumm: “klares Signal setzen”

Es werde höchste Zeit, dass “wir uns abstimmen. Dazu brauchen wir eine Etatberatung”. Diese gebe die Möglichkeit aufzuzeigen, “wo mehr gespart werden muß”. An dieser Stelle griff Bürgermeister Heinrich kurz in die Diskussion ein um klarzustellen: “der Beschluß des Finanzausschusses hat mir auferlegt Ihnen einen ausgeglichen Etat vorzulegen. Wenn so ein Entwurf existiert, lege ich den vor – sonst nicht”. Dr. Drumm widersprach Lothar Bastian mit der Erklärung, ein Nachtragsetat sei “ein Notnagel für unabsehbare Fälle”. Die Unwägbarkeiten seien aber bekannt. “Offensichtlich arbeitet ein Teil der Verwaltung nicht so, dass die notwendigen Zahlen vorliegen. Es ist höchste Zeit ein klares Signal zu setzen, dass es so nicht geht”.

Delaveaux: “erst alle Fakten auf den Tisch”

Karl-Heinz Delaveaux stimmte zunächst Dr. Drumm zu und wandte sich dann an Christoph Anheuser und erinnerte diesen daran, dass die Liberalen gegen Gebühren- und Steuererhöhungen seien. Ein defizitärer Haushalt sei aber nur so zu auszugleichen. Daher müßten erst alle Fakten auf den Tisch, bevor beraten werden könne mit dem Ziel die Lücke zu schließen. Dr. Silke Dierks (CDU) schloß sich diesem Ziel an und beschrieb die aktuelle Situatiuon als ein “Dilemma, fast wie in einer griechischen Tragödie”. Um dann eine Rückstellung ins Gespräch zu bringen. Für diesen Vorschlag heimste sie ein dickes Lob vom Bürgermeister ein. Wolfgang Heinrich befürwortete diesen Ansatz, der voraussetze, dass man zunächst “ein dickes Plus für Unwägbarkeiten” durch zusätzliche Sparanstrengungen erreiche. Norbert Welschbach (CDU) zeigte sich überrascht vom FWG / BüFEP – Antrag.

In der von der CDU beantrgaten Beratungspause wurden intern und über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg in immer neuen Zusammensetzungen Gespräche geführt.

Ziel müsse es sein die Handlungsfähigkeit der Stadt zu erhalten. Diese sei aber durch einen unausgeglichenen Haushalt höchst gefährdet, denn dieser werde nicht genehmigt. “Wenn keine Genehmigung vorliegt, hat sich das Ding schon erledigt”. Die CDU habe Lösungsvorschläge. Welschbach kritisierte ausdrücklich im Hinblick auf das Jugendamt, dass “fünf Jahre nichts getan wurde und auch ein Jahr nach dem Beschluß nichts passiert ist”. Dies sei nicht zielführend. Bürgermeister Heinrich informierte an dieser Stelle über Gespräche mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, mit der man natürlich gesprochen habe: “die ADD erwartet einen ausgeglichenen Etat, sonst können Sie sich die Genehmigung abschminken”. Holger Grumbach, der neue Co-Fraktionsvorsitzende der SPD, sprach sich klar gegen eine weitere Verschiebung aus.

Jörg Fechner (mit Brille) erhielt auf seine wiederholte Frage, in welchem Zeitrahmen ein Stadtratsbeschluß von der Verwaltung umgesetzt werden muß, keine Antwort.

Um das Problem mit dem Jugendamt zu lösen, schlug er vor, es im Stadthaushalt “so einzustellen, wie es der Kreis auch gemacht hat”. Und mußte sich von Bürgermeister Heinrich aufklären lassen, dass der die von der Oberbürgermeisterin vorgesehenen 19,6 Millionen bei sich nicht eingeplant hat. Sondern bedeutend weniger. Um dann noch einmal klarzustellen, dass er seinen Arbeitsauftrag, einen ausgeglichenen Entwurf vorzulegen, erfüllen werde. Er habe den Fraktionen ausreichend Vorschläge unterbreitet, wie dies möglich sei: “da können Sie sich was aussuchen”. Und sprach dann sein langjähriges Lieblinsgthema an: “wir müssen an die freiwilligen Ausgaben rangehen, irgendwann kann man das nicht mehr finanzieren”.

Auch Zuhörer, wie hier Rolf Bühring (schwarzer Schal), nahmen an den Gesprächen rege teil.

In diesem Zusammenhang gehe es “nicht darum, soziale Sachen abzuschaffen”. Auch Mirko Kohl (CDU) bekannte vom FWG / BüFEP-Antrag “überrascht” worden und zunächst skeptisch gewesen zu sein. “aber ich sehe das Problem”. Das Streichen bei den freiwilligen Ausgaben tue weh, da seien bei sensiblen Themen “schwere Entscheidungen zu treffen”. Seine Frage an den Bürgermeister: “schaffen wir das überhaupt Anfang Februar? Ist es realistisch den Termin zu halten?” Aufgeräumt stellte Wolfgang Heinrich in seiner Antwort klar: “ihre einzige Chance wäre gewesen: heute die Liste abzuarbeiten”. Annette Thiergarten (Grüne) richtete ihren Redebeitrag an Jörg Fechner: “hier wird nicht fahrlässig beraten”.

Christoph Anheuser (links) und Kay Maleton (beide Fraktion FDP / Faire Liste) kamen nach einer freundschaftlich-sachlichen Aussprache zu entgegengesetzten Abstimmungsvoten: Anheuser für, Malenton gegen die Verschiebung.

Es entstehe der Eindruck als sei die Stadt die einzige Verantwortliche für die Nichteinigung bei den Gesprächen mit dem Kreis. Werner Lorenz (FDP / Faire Liste) erkannte “eine grausame Situation, in der wir uns befinden”. Er erinnerte an 2001, als Ex-OB Rolf Ebbeke beim PuK von einem Verlust von 100.000 Euro gesprochen habe. Dieser sei auf 415.000 Euro angewachsen. Die rhetorische Frage des Bosenheimers: “hochgerechnet auf die nächsten 15 Jahre: wo landen wir?” Yunus Senel (SPD) nahm die Oberbürgermeisterin ausdrücklich in Schutz. Er erkannte das Jugendamt als Hauptthema. “Solange es bei der Stadt ist, handelt es sich um eine Pflichtaufgabe und muß bezahlt werden”. Freiwillige Ausgaben würden von den Bürgern gewünscht, demzufolge sei es unumgänglich “irgendwann in 10 Jahren die Steuern zu erhöhen”.

Bürgermeister Heinrich hat den Weg für die Etatberatungen persönlich vorgegeben: und seit Weihnachten durch konsequente Disziplin beim Essen schon einige Pfunde abgespeckt. Das freut Dr. Herbert Drumm (mitte) und Kämmereiamtsleiter Thomas May.

Diese lägen in Bad Kreuznach im Vergleich mit anderen Gemeinden “nicht viel viel höher. Das wird irgendwann kommen müssen”. Vom Wort “Steuererhöhung” zeigte sich Manfred Rapp unangenehm berührt. “Ich bin erschrocken über den Beitrag von Herrn Senel”, leitete er seine Replik ein. Die Tinte in den Wahlbroschüren, in denen die Abwehr von Erhöhungen versprochen wurde, sei noch nicht trocken, da würde schon wieder darüber gesprochen. “Ich erhöhe hier keine Steuer mehr”. Um dann zu verraten, was die CDU als nächstes plant: seine Fraktion werde die Oberbürgermeisterin auffordern den Ende 2018 gefaßten Beschluß zur Abgabe des Jugendamtes “endlich umzusetzen”. Dies sei zum 1. Juli 2020 möglich. So könne schnell eine Million Euro eingespart werden.

Holger Grumbach (rechts neben Dr. Heinz Rüddel) beim – vergeblichen – Versuch, Mirko Kohl und Manfred Rapp zu einem Verzicht auf die Verschiebung zu überzeugen. Tobias Wilbert (rechts) und Werner Lorenz (links) hören interessiert zu.

Um den vorher nicht bekannten FWG / BüFEP-Antrag beraten zu können, beantragte Rapp eine Sitzungsunterbrechung. Diese wurde einmütig beschlossen. Und von allen Anwesenden quer über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg zu Aussprachen genutzt. Nach der Beratungspause kam es dann zügig zu der Abstimmung mit dem eingangs geschilderten Ergebnis. Auffällig dabei: der Bürgermeister (SPD) stimmte mit CDU (5), AfD (2), FWG / BüFEP (1), FDP (1) und Lothar Bastian gegen SPD (4), Grüne (2), Linke (1) und Faire Liste (1). Stattfinden werden die Etatberatungen nun voraussichtlich am 2., 3. und 4. März 2020. Berichte über die anderen Beratungspunkte und Entscheidungen der Sitzung folgen.