Meinung: das Jugendamt wird viele hunderttausend Euro im Jahr teurer

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Aus Sicht der Oberbürgermeisterin und der Kommunalpolitiker von SPD, Grünen und Linken ist das Jugendamt in Trägerschaft der Stadt eine zentrale örtliche Aufgabe und Einrichtung. Damit rechtfertigt dieser Teil der Stadtpolitik ein Millionendefizit, das entsteht, weil die vom Stadtrat in 2018 beschlossene Abgabe des Jugendamtes an den Kreis noch immer nicht vollzogen ist. Aus zwei Gründen wird die städtische Trägerschaft künftig mehr Geld kosten. Für die vergangenen fünf Jahre bestreitet der Landkreis seine Kostenerstattungspflicht in Höhe vieler hunderttausend Euro. Das Geld war in den Stadthaushalten von 2014 bis 2019 als Einnahme eingestellt. Und wurde von der letzten Abschlagszahlung Ende vergangenen Jahres vom Kreis abgezogen (diese Seite berichtete). Somit klafft ein riesiges Liquiditätsloch in der Stadtkasse.

Kreis kürzt um hunderttausende von Euro

Und das wird künftig nicht kleiner werden. Denn die alte Finanzvereinbarung zwischen Stadt und Kreis lief an Silvester um 24 Uhr ab. Seit dem Neujahrstag gibt es keine Zahlungsverpflichtung des Kreises an die Stadt mehr. Darüber hat Dr. Kaster-Meurer ohne jede Begründung erst im November 2019 die Verhandlungen aufgenommen, obwohl das Auslaufen des alten Vertrages fünf Jahre lang absehbar war. Und mußte erfahren, dass der Landkreis nicht länger bereit ist, die bisherigen Zahlungshöhen beizubehalten. An vielen Punkten soll gekürzt werden, zusammen sechsstellige Beträge im Jahr. Gesprochen wird darüber unter der Überschrift “Verhandlung”. Aber das ist natürlich Augenwischerei. Und wer ehrlich ist, weiß das auch. Für eine “Verhandlung” braucht es auf beiden Seiten vergleichbare starke Positionen.

Die OBin pokert mit aufgedeckten Karten

Und für ein möglichst gutes Ergebnis idealerweise grosse Handlungsspielräume. Diese hat sich Dr. Kaster-Meurer selbst und der Stadt genommen. Die Oberbürgermeisterin ist zwar eine begabte Schauspielerin. Aber jedes kartenspielende Kindergartenkind wäre in der Lage sie abzuzocken. Sie pokert mit aufgedeckten, für alle sichtbaren Karten. Denn das einzige Druckmittel, dass die Stadt zu Durchsetzung auskömmlicher Zuschüsse des Kreises hat, ist die Drohung mit der Abgabe des Jugendamtes. In diesem Fall müßte der Landkreis 100% bezahlen. Und die Stadt davon nur rund ein Drittel über die Kreisumlage. Diese würde für alle Kreisgemeinden erheblich steigen. Wegen der Millioneneinsparung durch die Abgabe könnte die Stadt das mittelfristig gut verkraften.

Stadtpolitik dem Landkreis ausgeliefert

Nicht aber die kleinen Gemeinden und Verbandsgemeinden im (westlichen) Kreisgebiet. Dort würde eine höhere Kreisumlage großen Unmut hervorrufen. Dieses einzige Druckmittel hat die OBin von Anfang an aus der Hand gegeben, in dem sie ohne jede Einschränkung die Abgabe des Jugendamtes an den Kreis verweigert hat. Sogar noch nach dem Stadtratsbeschluß vom 29.11.18. Damit hat sie die Stadtpolitik dem Landkreis ausgeliefert. Die derzeit laufenden Gespräche sind also keine “Verhandlungen”. Es sind für den Landkreis erfreuliche Treffen, in denen die Landrätin der Oberbürgermeisterin die Grenzen aufzeigt. Und deren Ergebnis feststeht: es gibt weniger Geld vom Kreis. Da aus Sicht der Oberbürgermeisterin im Jugendbereich Leistungskürzungen nicht gewünscht sind, bedeutet dies:

JHA tagt am 8.1. um 17.30 Uhr öffentlich

Der ohnehin weit überzogene Stadthaushalt wird noch weiter belastet werden. Das sind natürlich höchst unerfreuliche Umstände, mit denen Dr. Kaster-Meurer ungern in Verbindung gebracht werden möchte. Sie läßt sich lieber als “Silvesterkracher” fotografieren und für ihr Outfit loben, als verbindliche schriftliche Informationen für die städtischen Gremien auszuarbeiten. So steht der Tagesordnungspunkt “Sachstandsmitteilung über die Verhandlungen zur öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über Finanzausgleichsleistungen des Landkreises Bad Kreuznach an die Stadt Bad Kreuznach gem. § 25 Abs. 3 LFAG” zwar auf der Tagesordnung des Jugendhilfeauschusses (JHA), der morgen (8.1.20) um 17.30 Uhr im ehemaligen Telekom-Gebäude (Brückes 2-8) öffentlich tagt.

Keine schriftliche Information

Aber eine Mitteilungsvorlage, der konkrete Details entnommen werden könnten, fehlt. Statt dessen heisst es schlicht: “Die Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, Frau Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer, wird in der Sitzung über die Entwicklungen bezüglich der Gespräche zur öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit dem Landkreis Bad Kreuznach informieren”. Und keine der Fraktionen im Rat der Stadt protestiert gegen diese Form der Unverbindlichkeit und Ungenauigkeit in einer für die Stadtfinanzen so wichtigen Frage. Wie es eine Bürgerin in Bezug auf das Verhalten der städtischen Kommunalpolitik zur von der Verwaltung bis heute nicht genehmigten Eisbahn auf dem Kaufland-Parkplatz so treffend formulierte: “und die anderen nicken nur ab, wie ein Stall voll Esel”.

Bei Kleinbeträgen gefühlt kompetent

Vermutlich muß man auch ganz besonders schlau sein, um auf den Gedanken zu kommen, dass jene Dinge, die einer Kommune ausserordentlich wert und teuer sind, besonders gut begründet werden können. Und sollten. Zum Beispiel um die Bürger*Innen mitzunehmen und zu überzeugen. Aber es ist halt so wie oft in den städtischen Ausschüssen. Über Kleinbeträge wird intensiv und lang gestritten. Da fühlen sich viele kompetent. Wenn es dann an etwas komplexere Aufgabenstellungen geht, die eben kaum noch eine(r) aus persönlicher oder beruflicher Erfahrung kennt, dann wird sich gern auf die Verwaltung “verlassen”. Von der weiß man zwar durch die Berichte des Landesrechnungshofes, dass diese gern auch mal Fehler macht, die die Stadtkasse fünf- und sechsstellige Beträge kosten.

Am Ende vom Geld kommen die Fragen

Aber die müssen ja nicht von den Stadtratsmitgliedern persönlich aufgebracht und zurückgezahlt werden. Also läßt man in solchen Punkten die “Profis” gern unter sich weiterverschwenden. Aus den Augen, aus dem Sinn. Das geht allerdings nur solange gut, bis sich die Bürger*Innen – aus welchem Grund auch immer – dafür zu interessieren beginnen. Wenn zB liebgewonnene Leistungen gekürzt oder eingestellt werden müssen, weil einfach kein Geld mehr da ist. Dann werden die Menschen beginnen zu fragen, wie es dazu kommen konnte. Auf den Tag freue ich mich. Also, liebe Amts- und Verantwortungsträger*Innen, macht gern weiter so wie bisher. Denn das beschleunigt diese Entwicklung enorm.

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