Wahrzeichen wackelt: Brückenhaus mit der Schwedenkugel hat “erhebliche Schäden”

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Im Juni 2018 waren in den Augen der Oberbürgermeisterin Spinnenweben das Hauptproblem am Brückenhaus mit der Schwedenkugel. Damals war ihr die “optimale Präsentation der historischen Fachwerkhäuser” eine eigene Presseerklärung wert. Und in der legte Dr. Heike Kaster-Meurer der staunenden Öffentlichkeit dar, wie ihre Prioritätenliste aussieht: “als erste Maßnahme sollen die Fensterscheiben, die zurzeit noch einen unattraktiven Einblick gewähren, mit einer Fotofolie beklebt und die Spinnweben entfernt werden” (diese Seite berichtete am 21. Juni 2018 unter der Überschrift “Gesponnenes und seine Bedeutung für Tourismus”). In der heutigen Presseerklärung aus dem Stadthaus stellen sich die Probleme des Bad Kreuznacher Wahrzeichens ungleich dramatischer dar:

“Das Brückenhaus in der Mannheimer Straße 94, auch bekannt als Haus mit dem „Geschoss der Schweden“, weist erhebliche Schäden am Tragewerk auf. Unter anderem sind Balken gebrochen oder verformt und das Holz durch Schädlinge angegriffen”. Dabei handelt es sich nicht um die Spinnentiere, auf die Oberbürgermeisterin im Sommer vergangenen Jahres die Jagd eröffnete. Sondern um den Hausbockkäfer. Der arbeitet naturgemäß im Verborgenen und war bei der oberflächlichen letztjährigen Betrachtungsweise nicht aufgefallen. Architekt Sandro Ferri, der sich im Auftrag des Eigentümers Klaus Endemann um die Sanierung des Brückenhauses bemüht, berichtete gestern Abend nichtöffentlich im Planungsausschuß die Ergebnisse seiner Untersuchung.

Die Fotos aus dem Inneren des Hauses (hier das Erdgeschoß) stammen von …

Und die haben es, wie sich aus einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung ergibt, in sich: “Über die Jahre haben verschiedene Umbauten die Statik des Brückenhauses verändert, so dass die auskragenden Balken des Erdgeschosses zu stark beansprucht wurden. Durch die zusätzliche Last sind einige Balkenabschnitte durchgebrochen, andere stark verformt. So wurde zum Beispiel eine Innenwand zurückgebaut, um einen größeren Raum im Erdgeschoss zu schaffen. Abwasserrohre, die für die Toilette eingebaut wurden, haben einzelne Balken in ihrem Querschnitt stark geschwächt. Durch den Fassadenumbau entfernt wurde auch das Widerlager, also die Auflast im Bereich der Brücke. Hinzu kommt:

… (und hier das Obergeschoß) stammen von Eric Tschernow (Berlin).

Die Decke im Auskragungsbereich weist mehrere Estrichschichten mit einer Gesamtdicke von bis zu 25 Zentimetern auf. Schon früher gab es Versuche, das Gebäude zu sichern. Im Laufe der Zeit muss es zu Setzungen und Verformungen der Decke gekommen sein, denn auf der Außenseite am Sockelfinden sich unterdimensionierte U-Stahlprofile und es wurden Zusatzstreben aus Holz und Stahl eingebaut“, erläutert Architekt Ferri. Doch nicht nur die starke Beanspruchung macht den alten Holzbalken zu schaffen. An dem gesamten freigelegten Holz entdeckten die Fachleute einen Befall durch den Hausbockkäfer. Der ist zwar nicht mehr aktiv − an den untersuchten Stellenfanden sich keine Larven – aber im Bereich der Füllung im Fachwerk ist kein Halt mehr gegeben.

Der schlechte bauliche Zustand des leer stehenden Brückenhauses ist in Teilen bereits seit dem Frühjahr bekannt. Bei verschiedenen Begehungsterminen mit der Unteren Denkmalbehörde und der Generaldirektion Kulturelles Erbe wurde das komplette Erdgeschoss und einzelne Wandabschnitte im Obergeschoss freigelegt, um den statischen Zustand des Haupttragwerks zu überprüfen. Zwischenzeitlich fanden weitere Voruntersuchungen und statische Berechnungen statt. Um das Gebäude instand zu setzen, muss die Außenfassade mit einem Stahlgerüstabgestützt werden, so die Empfehlung des Fachmanns”. Bekannt ist mittlerweile auch die nötige Investitionssumme zur “denkmalgerechten Restaurierung”. Diese beläuft sich auf mindestens 900.000 Euro.

“Zu viel für den Eigentümer des historischen Gebäudes Klaus Endemann”, wie die Stadtverwaltung mitteilt. Ziel der Stadt ist es nun, Alternativen zur dauerhaften Sicherung des Bad Kreuznacher Wahrzeichens zu erarbeiten. „Die Alte Nahebrücke mit den Brückenhäusern ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Stadt. Als Stadtverwaltung tragen wir Verantwortung für das beliebte, überregional bekannte und beworbene Wahrzeichen von Bad Kreuznach“, appelliert Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer an den unbedingt notwenigen Erhalt des Brückenhauses. Eine würdige und nachhaltige Sanierung sei eine Verpflichtung der Stadt. Im Jahr 1609 errichtet, ist das Gebäude das älteste der architektonischen Kleinode über dem Mühlenteich. Seit den 80er-Jahren stehen die vier Brückenhäuser unter Denkmalschutz.

Da der Investor die unerwartet hohen Kosten zur Sanierung nicht alleine tragen will, sind laut Dr. Kaster Meurer drei Vorgehensweisen denkbar:

1. Endemann verbleibt im Besitz der Immobilie, die Stadt beantragt beim Land erhöhte Zuschüsse für die Instandsetzung.

2. Die Stadt kauft das Brückenhaus zurück. Eine angemessene Sanierung ist hier nur durch eine entsprechende Förderung (Städtebaufördermittel) durch das Land möglich.

3. Gründung einer Bürgerstiftung, in der sich Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt des Denkmals einbringen können. Über die einzelnen Optionen werde nun in den Fraktionen beraten.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

27.08.19 – “Stahlgerüst für das Brückenhaus mit der Schwedenkugel kommt bis Dezember”

09.04.19 – “Brückenhaus braucht Stahlkorsett”

21.06.18 – “Gesponnenes und seine Bedeutung für Tourismus”

Weil die Oberbürgermeisterin von aussen keine Spinnenweben im Innneraum sehen mochte, wurden die informativen Schautafeln in die Fenster gestellt. Jetzt zeigt sich: nicht Spinnen sind das Hauptproblem des Brückenhauses, sondern der Hausbockkäfer. Und unsachgemäße Sanierungsmaßnahmen in der Vergangenheit.