Lothar Bastian: “die rote Lampe ist eigentlich schon am 4. April angegangen”

Von Gabriele Stroh
und Claus Jotzo

Mit schriftlicher Verfügung vom 7. Oktober hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) die Oberbürgermeisterin zum sofortigen Sparen gezwungen. Darüber informierte Bürgermeister Wolfgang Heinrich am Montagabend den Finanzausschuß (diese Seite berichtete am 16.10. unter der Überschrift “Aufsichtsbehördliche Anordnung gegen die Stadt: OBin muß sparen”). Der Tagesordnungspunkt “Mitteilungen” wurde so einmal mehr zur tiefschürfenden Diskussionsrunde. Heinrich leitete die Aussprache mit dem moderaten Hinweis ein, “ich finde es schade, dass es dazu kommen musste” und stellte klar: “es war nicht richtig die ADD als Papiertiger zu bezeichnen”.

Heinrich: man hat es überzogen

Denn diese habe die Stadt “unterstützt und nicht gegängelt”. Durch die Weigerung des Finanzausschuß- und Stadtratsmehrheit, konkrete Einsparungen zu beschließen, “hat man es überzogen”. Und bekomme daher “jetzt das scharfe Schwert”. Um zum Schluß festzustellen: “das sollten Sie sich vielleicht oder auch nicht zu Herzen nehmen”. Der erste, der den vom Bürgermeister dargestellten Ernst der Lage nicht ganz so weit an sein Herz heranlassen mochte, war Norbert Welschbach (CDU). Für ihn ist das ADD-Schreiben “keine Überraschung”. Da die Gremien keine Möglichkeit hätten jetzt schnell tätig zu werden war sein Rat: “Rechtsmittel einlegen, um Zeit zu gewinnen”.

Welschbach: Widerspruch einlegen

Damit rief er den deutlichen Widerspruch des verantwortlichen Kämmerers hervor: “was soll das, wollen sie sich es mit der ADD ganz verscherzen? Da legt man doch keinen Widerspruch ein”, empörte sich Heinrich und machte klar: “das kann ich der Oberbürgermeisterin nicht empfehlen”. Der Stadt würden von der ADD berechtigter Weise “ganz klare, krasse Rechtsverstöße” vorgeworfen, “weil Sie (Anmerkung der Redaktion: er meinte die Kommunalpolitik insgesamt) nix getan haben”. Die Peinlichkeit der Anweisung hätte man sich sparen können, ist Heinrichs Fazit. Damit war Norbert Welschbach nicht einverstanden: “der Zweck heiligt die Mittel, das wollen alle so nicht haben” rechtfertigte er sein Festhalten am Widerspruch.

“Wollen Sie sich völlig lächerlich machen?”

Immerhin handele es sich dabei um ein “legetimes Rechtsmittel”. Heinrich konterte mit der Bewertung, Welschbach habe nicht erfasst, um welche Bedeutung es hier gehe: “die Lösung liegt nicht in einer Formalie, sondern in der Ausführung der Anordnung”. Welschbach blieb bei seiner Haltung: “in der Kürze der Zeit können wir das nicht lösen, anders als mit dem Widerspruch sehe ich keine Lösung”. Da wurde der Bürgermeister noch deutlicher: “Sie haben die Tragweite nicht erfasst. Das kommt ganz selten vor, so eine ADD-Anweisung. Auf deren Fuß folgt die Ersatzmaßnahme. Wollen Sie sich völlig lächerlich machen?” Diese klaren Worte Heinrichs zeigten Wirkung.

Meurer: Machtdemonstration der ADD

Günter Meurer, der in der Vergangenheit die Haushaltslage der Stadt immer schön geredet hatte, räumte ein: “das Schreiben liegt vor. Wir haben doch einen Fehler gemacht”. Er sah eine “Machtdemonstration der ADD und das Thema auf den Punkt gebracht”. Der SPD-Ortsparteivorsitzende riet davon ab, einen Widerspruch an die ADD zu richten. “Das ist nicht der richtige Weg, wenn ich wissentlich weiß, dass ich etwas falsch gemacht habe. Wir müssen versuchen uns nicht kaputt zu lachen, wir haben ein Problem”. Es sei seine persönliche Einschätzung, “wenn wir etwas falsch gemacht haben, nicht Spiele zu spielen mit der ADD, welche Machtdemo jetzt zum Zuge kommt”.

Senel: keine Konfrontation

Meurer appellierte “sachlich, zielorientiert zu sein”. Auch Yunus Senel (SPD), der als Finanzbeamter das ADD-Schreiben richtig einzuordnen versteht, riet von einer Konfrontation ab und statt dessen die Zeit bis zum “Fristende für gute Ideen zu nützen”. Lothar Bastian machte aus seinem Herzen keine Mördergrube: “es ärgert mich total, dass Norbert Welschbach nur der Widerspruch einfällt”. Für den erfahrenen grünen Kommunalpolitiker ist “die rote Lampe eigentlich schon am 4. April angegangen” (dieses Datum trägt das ADD-Haushaltsgenehmigungschreiben für 2019). Schon damals sei sein Vorschlag eine Sondersitzung des Finanzausschusses gewesen mit der Maßgabe: “wir setzen uns solange hin, bis wir das raushaben”.

Locher: Oberbürgermeisterin am Zug

Bastian möchte “keinen Schuldenberg für unsere Kinder hinterlassen” und forderte: “wir müssen heute anfangen zu kürzen”. Es gehe nun darum, dass wir uns in den Punkten und Themen mit dem Kämmerer einig sind”. Jürgen Locher (Linke) hingegen sieht die Oberbürgermeisterin am Zug. Diese müsse “das jetzt entscheiden”. Dabei solle die Landesregierung einbezogen werden. Lothar Bastian stimmte er nur in diesem Punkt zu: “Widerspruch einzulegen ist Blödsinn”. Für Oliver John (FDP-Faire Liste) “bringt eine Verzögerungstaktik nix”. Er plädierte dafür sich noch einmal ernsthaft zusammenzusetzen und “die Treppe von oben zu kehren”. Sein Tipp dabei: “wir müssen das Thema Jugendamt nochmal anpacken”.

Kohl: ganz viele Bereich zum Einsparen

Beim Tourismusbeitrag sieht John keine Lösung, da dieser nur ein Teilbereich sei. Dem stimmte Mirko Kohl (CDU) vollinhaltlich zu. Es sei nicht redlich, die akuten Probleme auf dessen Abschaffung zu schieben, denn “es gab ganz viele Bereiche, wo man einsparen muss”. Er bat darum “nicht mit dem Finger auf die anderen zu zeigen und zu sagen, ihr seid die Bösen wegen dem Tourismusbeitrag”. Interessiert haben den Winzenheimer Ortsvorsteher die Ergebnisse der AG Haushaltsausgleich: “was war das Ergebnis?” Die darauf erteilten Antworten lassen sich mit dem Wort “dürftig” kurz und fündig zusammenfassen. “Ohne Ergebnis sang und klanglos auseinandergegangen” merkte Norbert Welschbach dazu an.

Nühlen: Mißachtung des Gremiums

Und Reinhard Nühlen (FWG-BüFEP) berichtete von “einer Mißachtung des Gremiums”, da “leitende Beamte nicht willens sind” mitzuarbeiten. Kein Vorschlag des Bürgermeisters sei durchgekommen, die Treffen seien eher “Alibiveranstaltungen” gewesen. Nühlen brachte daher eine Verschiebung der Etatberatungen ins Gespräch. Dr. Heinz Rüddel (SPD) riet dazu der “ADD Eckpunkte mitzuteilen” und eine Sondersitzung des Finanzausschusses zum Thema Einsparungen einzuberufen. Kay Maleton (FDP-Faire Liste) stellte unmißverständlich fest: “es gibt keine rechtlichen Zweifel an diesem Schreiben” und befürchtete “wir machen uns zur Witznummer”. Jörg Fechner (AfD) riet dazu, “Einnahmen nicht zu erhöhen und Bürger nicht mehr zu belasten”.

Henke: nicht miteinander geredet

Er bat um Übermittlung der “Zahlen so früh wie möglich, damit man sich damit auseinandersetzen und andere Vorschläge ausarbeiten kann”. Michael Henke (Grüne) sieht die Rettung in “einem Bündel von Maßnahmen” und stellte mit Bedauern fest: “es ist leider bis jetzt nicht der Fall, dass man miteinander redet”. Genau das möchte Manfred Rapp, lehnt aber – auch wenn er den Vorschlag von Dr. Rüddel als “aller Ehren wert” bezeichnete – einen Sonder-Finanzausschuß als Gesprächsrunde ab. In einem Pressegespräch in der vergangenen Woche hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende bilaterale Gespräche mit SPD und Grünen angekündigt (diese Seite berichtete). Rapp gab zu “politisch haben wir in dem Sparausschuss gar nichts gemacht”. Um dann mit einer Frage auf das Kernanliegen seiner Fraktion einzugehen:

Rapp: Kostenanalyse des Jugendamtes

“Wann kommt die Kostenanalyse des Jugendamtes?”. Diese Stoßrichtung vertiefte Dr. Silke Dierks (CDU): “wir brauchen eine valide Zahlenbasis, um konkrete Entscheidungen zu fällen”. Bürgermeister Heinrich versicherte den Christdemokraten “wir sind mit Hochdruck dran”. Eigentlich sei dies nicht die Aufgabe der Kämmerei, sondern des Hauptamtes. “Aber der Herr May (Anmerkung der Redaktion: Thomas May ist Leiter des Kämmereiamtes) macht das trotzdem, weil wir weiterhelfen wollen, deshalb kriegen sie diese Zahlen rechtzeitig”. Von einer Sondersitzung riet Heinrich ab: “sie kostet nur Zeit und ist nicht zielführend, denn es ist eine politische Entscheidung. Die Fraktionen müssen dass jetzt machen, wir können nur Vorschläge und Empfehlungen geben”.

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