Aufsichtsbehördliche Anordnung gegen die Stadt: OBin muß sparen

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Bürgermeister hatte schon im vergangenen Jahr gewarnt. Zu einem Zeitpunkt, als im Mai 2018 sein damals neuer sozialdemokratischer Parteifreund Günter Meurer sich öffentlich in Eigenlob für das Erreichen “ausgeglichener Haushalte” suhlte. Beide Akteure hielten bis Montag an ihrer Linie fest. Wolfgang Heinrich an der des Mahners und Warners. Und der SPD-Stadtparteivorsitzende und OBin-Gatte an der des kommunalpolitischen Playboys. Seit Wochenbeginn steht fest: der Bürgermeister hatte von Anfang an recht. Und Günter Meurer ist als Dampfplauderer überführt.

Denn anders als Meurer noch in der letzten Finanzausschußsitzung Glauben machen wollte, hat sich die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nicht einwickeln lassen. Und den Bad Kreuznacher Kommunalpolitikern die Quittung für ihre über Monate praktizierte mehrheitliche Ablehnung von konkreten Einsparmaßnahmen präsentiert. In Form einer aufsichtsbehördlichen Anordnung gegen die Oberbürgermeisterin. Das Schreiben vom 7. Oktober 2019 (nachstehend im Wortlaut abgedruckt) ist der Stadt am 9.10. zugegangen. Das Schreiben stellt eine einzige grosse Ohrfeige für die Verantwortlichen dar, die sich seit dem April 2019 beharrlich geweigert haben, eigene Konsolidierungsvorschläge zu machen oder die des Bürgermeisters anzunehmen.

Haushaltssperre angeordnet

Konsequenz: jetzt wurde in Trier entschieden, dass in Bad Kreuznach ab sofort gespart wird. Per Dienstanweisung. “Gemäß § 122 GemO ergeht hiermit gegenüber der Oberbürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach die Anordnung, im freiwilligen Aufgabenbereich eine haushaltswirtschaftliche Sperre gemäß § 101 GemO in Höhe des der Stadt zugestandenen Budgets von 1.655.680 € übersteigenden Betrages zu verfügen”. Und weiterhin: “gemäß § 122 GemO ergeht hiermit gegenüber der Oberbürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach die Anordnung, gemäß § 101 GemO eine haushaltswirtschaftliche Sperre von Ansätzen für Aufwendungen und Auszahlungen zur Kompensation der durch die rückwirkende Aufhebung der Satzung über die Erhebung eines Tourismusbeitrages entstandenen Mindereinnahmen i.H.v. 420.000 € zu verfügen”.

“Rechtswidriges Verhalten”

In der Begründung legt die ADD dezidiert dar, wie hoch die – grundsätzlich unzulässigen – Liquiditätskredite sind, welche Bestimmungen und Hinweise von der Stadt mißachtet wurden und wird dann sehr deutlich: “auch wenn ich in meiner Haushaltsverfügung die Erfüllung meiner Forderungen erbeten habe, so lag dieser Diktion der kommunalrechtliche Hintergrund der Beanstandung eines rechtswidrigen Verhaltens nach § 121 GemO und der Anordnung nach § 122 GemO zugrunde. Da aufgrund des bisherigen Verhaltens der zuständigen Organe der Stadt nicht zu erwarten ist, dass eigenverantwortlich die notwendigen Entscheidungen zeitnah getroffen werden, war es erforderlich, aufsichtsbehördlich eine Anordnung gemäß § 122 GemO zu verfügen”.

Beispiellos deutliche Formulierungen

Die ADD stellt damit unverblümt fest, dass sich die Mehrheit im Finanzausschuß und im Stadtrat “rechtswidrig” verhalten hat und nicht mehr in der Lage ist “eigenverantwortlich” Entscheidungen zu treffen. Diese Formulierungen sind, so erklärte dies Bürgermeister Heinrich am Montagabend im Finanzausschuß, beispiellos deutlich. In einer fast eineinhalbstündigen Diskussion, die unter dem Tagesordnungspunkt Mitteilungen stattfand, wurden in dem Gremium Schuldzuweisungen ausgetauscht und Ausreden gesucht. Der Bürgermeister machte den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern unmißverständlich klar: entweder treffen diese nun endlich Einsparentscheidungen. Oder die Bad Kreuznacher Kommunalpolitik wird künftig stärker aus Trier gestaltet (weitere Berichte folgen).

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

29.09.19 – “Kultur-, Schul-, Sport- und Stadtbauamt boykottieren die AG Haushaltskonsolidierung”
11.09.19 – “Kapitän” Wolfgang Heinrich “wie auf ‘nem Schiff bei Nebel”
14.08.19 – “Finanzausschuß: mit großer Mehrheit ab ins Hinterzimmer”
12.08.19 – “Heinrich: Halbierung der Entschädigung für Stadtratsmitglieder auf 120 Euro”
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17.05.19 – “Steilvorlage der FWG für Wolfgang Heinrich”
07.05.19 – “Heinrich setzt Zuschußanträge der evangelischen und katholischen Gemeinden ab”
05.05.19 – “Insgesamt ist ein Betrag in Höhe von 792.220 € zu konsolidieren”
07.05.18 – “ADD: Stadt verstösst gegen Gemeindeordnung”

Das Schreiben der ADD im Wortlaut:

“Haushaltssatzung und Haushaltsplan der Stadt Bad Kreuznach für das Haushaltsjahr 2019; Aufsichtsbehördliche Anordnung

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Verbindlichkeiten aus Liquiditätskrediten belaufen sich planmäßig zum 31.12.2019 voraussichtlich auf rd. 22,5 Mio. €. Eine geordnete Haushaltswirtschaft ist damit nicht gegeben. Wegen des Verstoßes gegen § 105 GemO i. V. m. § 94 Gemeindeordnung – GemO -, wonach Liquiditätskredite nur zur rechtzeitigen Leistung von Auszahlungen und nicht zur Finanzierung des Haushaltes aufgenommen werden dürfen und folglich die Liquiditätskredite vorrangig abzubauen sind, ergeht folgende Entscheidung

1. Gemäß § 122 GemO ergeht hiermit gegenüber der Oberbürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach die Anordnung, im freiwilligen Aufgabenbereich eine haushaltswirtschaftliche Sperre gem. § 101 GemO in Höhe des der Stadt zugestandenen Budgets von 1.655.680 € übersteigenden Betrages zu verfügen.

2. Gemäß § 122 GemO ergeht hiermit gegenüber der Oberbürgermeisterin der Stadt Bad Kreuznach die Anordnung, gem. § 101 GemO eine haushaltswirtschaftliche Sperre von Ansätzen für Aufwendungen und Auszahlungen zur Kompensation der durch die rückwirkende Aufhebung der Satzung über die Erhebung eines Tourismusbeitrages entstandenen Mindereinnahmen i.H.v. 420.000 € zu verfügen.
Begründung

Durch Unterfinanzierung des Finanzhaushaltes in Vorjahren hat die Stadt in erheblichem Umfang Liquiditätskredite aufgenommen. Damit hat die Stadt gegen § 105 GemO verstoßen, wonach Liquiditätskredite nicht als Deckungsmittel, sondern nur zur Überbrückung des verzögerten Eingangs von Deckungsmitteln aufgenommen werden dürfen. Auch wenn die Stadt aufgrund von eigenen Anstrengungen und der allgemein positiven konjunkturellen Entwicklung die Liquiditätskrediteverschuldung planmäßig zum 31.12.2019 auf rd. 22.5 Mio. € zurückgefahren haben wird, bleibt sie verpflichtet, ihre eigenen Einnahmemöglichkeiten vorbehaltlos auszuschöpfen und alle gestaltbaren Möglichkeiten zur Ausgabenreduzierung zu nutzen.

Auf diese Verpflichtung wurde die Stadt Bad Kreuznach von Seiten der Aufsichtsbehörde wiederholt hingewiesen. Mit meiner Haushaltsverfügung vom 04.04.2019 wurde die Stadt Bad Kreuznach daher gebeten,

1. den das Budget für freiwillige Maßnahmen im Haushalt 2019 (1.655.680 €) mit 370.220 € übersteigenden Betrag durch Verfügung von Mindestausgaben oder Mehreinnahmen im freiwilligen Bereich im Rahmen des Haushaltsvollzuges zu kompensieren und mich über das Veranlasste bis zum 01.06.2019 zu unterrichten (S. 17 der Haushaltsverfügung) sowie

2. mir bis zum 01.06.2019 nachhaltige Maßnahmen mitzuteilen, die geeignet sind, den sich aus dem nachträglichen Verzicht auf die Erhebung von Tourismusbeiträgen ergebenden Mindereinnahmen i. H. v. 420.000 € zu kompensieren (S. 17 der Haushaltsverfügung).

Wie ich aus Ihrem Schreiben vom 31.05.2019 und 03.09.2019 entnehme, hat die Verwaltung dem Stadtrat zwar insoweit Konsolidierungsvorschläge unterbreitet, im Ergebnis sind aber darüber hinaus bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konstruktiven Reaktionen der Stadt zu verzeichnen, die verbindlich die seitens der Aufsicht eingeforderten Verbesserungen bewirken. Vielmehr sind vom Stadtrat neue Maßnahmen beschlossen worden, die Sie nach eigener Einschätzung dem freiwilligen Bereich zuordnen. Angesichts der beschriebenen Haushaltslage der Stadt Bad Kreuznach ist diese Handlungsweise des Stadtrates mit der Pflicht zum Haushaltsausgleich beziehungsweise zur Konsolidierung nicht vereinbar. Soweit Herr Bürgermeister Heinrich die vom Stadtrat beschlossenen zusätzlichen Maßnahmen dem freiwilligen Bereich zuordnet, habe ich diesen mit E-Mail vom 05.06.2019 auf die Möglichkeit des Aussetzens von Beschlüssen nach § 42 GemO hingewiesen.

Auch wenn sich die Haushaltssituation der Stadt Bad Kreuznach tendenziell in den vergangenen Jahren verbessert hat, befreit das die Stadt Bad Kreuznach nicht von der Einhaltung der Pflicht der vorrangigen, zwingenden und vollständigen Rückführung der Liquiditätskredite.

Auch hat sich die Stadt Bad Kreuznach aufgrund des Konsolidierungsvertrages zur Teilnahme am kommunalen Entschuldungsfonds Rheinland-Pfalz verpflichtet, ihren Bestand an Liquiditätskrediten jährlich mindestens in Höhe von 80 v. H. der auf sie entfallenden Jahresleistung des KEF-RP zu mindern (gemäß § 2 Absatz 3 Satz 1 des Konsolidierungsvertrages).
Der vorgenannten Verpflichtung kommt die Stadt Bad Kreuznach jedoch nur bedingt mit einem eingeplanten Tilgungsbetrag i. H. v. 953.000 € nach. Damit verfehlt die Stadt ihre Verpflichtung aus dem KEF-RP-Vertrag, pro Jahr eine Mindesttilgung der Liquiditätskredite i.H.v. 2.223.423 € zu erwirtschaften um 1.270.425 €.

Aufgrund des Nichterreichens der Mindest-Nettotilgung hat die Stadt Bad Kreuznach die Verpflichtung gemäß §2 Abs. 3 Satz 2 des Konsolidierungsvertrages, alle Möglichkeiten zur Verminderung der Liquiditätskredite auszuschöpfen.

Zudem erhält die Stadt Bad Kreuznach aus der Teilnahme am KEF-RP jährlich vom Land eine Entschuldungshilfe i. H. v. 1.852.853 € u. a. mit der Verpflichtung, alle in Betracht kommende Maßnahmen zu ergreifen, um die Liquiditätskeditverschuldung zurückzuführen.
Es ist nicht vertretbar, wenn die Stadt ihre freiwilligen Maßnahmen ausweitet und auf Einnahmen ohne Kompensation verzichtet und das Land kontinuierlich eine jährliche Entschuldungshilfe i. H. v. 1.852.853 € leistet. Auch dieser Verpflichtung kommt die Stadt Bad Kreuznach nicht nach, indem sie aufsichtsbehördliche Forderungen missachtet.

Da der Stadtrat meiner mit Haushaltsverfügung vom 04.04.2019 vorgegebene Konsolidierung bis zum heutigen Zeitpunkt nicht nachgekommen ist und im Hinblick auf das schon sehr weit fortgeschrittene Haushaltsjahr nicht davon auszugehen, dass aufgrund noch möglicher Gremienbeschlüsse die geforderten Verbesserungen durch spezielle Maßnahmen bis zum Ende des Haushaltsjahres noch erwirtschaftet werden, ist die Verfügung einer haushaltswirtschaftlichen Sperre durch die Oberbürgermeisterin gem. § 101 GemO zwingend geboten.

Auch wenn ich in meiner Haushaltsverfügung die Erfüllung meiner Forderungen erbeten habe, so lag dieser Diktion der kommunalrechtliche Hintergrund der Beanstandung eines rechtswidrigen Verhaltens nach § 121 GemO und der Anordnung nach § 122 GemO zugrunde.
Da aufgrund des bisherigen Verhaltens der zuständigen Organe der Stadt nicht zu erwarten ist, dass eigenverantwortlich die notwendigen Entscheidungen zeitnah getroffen werden, war es erforderlich, aufsichtsbehördlich eine Anordnung gemäß § 122 GemO zu verfügen.

Einen Abdruck der jeweiligen Verfügung bitte ich mir zukommen zu lassen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion einzulegen. Der Widerspruch kann

1. schriftlich oder zur Niederschrift bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, Kurfürstliches Palais, Willy-Brandt-Platz 3, 54290 Trier, oder

2. durch E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur an: add@poststelle.rlp.de erhoben werden.

Mit freundlichen Grüßen
In Vertretung
Begoña Hermann”