Demokratiedefizit beim “Konzern Stadt”: Aufsichtsräte haben nichts zu sagen

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Seit einigen Monaten kann die Parkgebühr auf den Stellflächen der Stadt und ihrer Gesellschaft für Beteiligungen und Parken in Bad Kreuznach mbH (BGK) unbar erfolgen. Per Smartphon-App. Was beispielsweise auch ein “Nachlösen” aus der Entfernung bequem möglich macht. Dieser Service kostet einen Aufschlag. Über den gab es zwar weder bei der Stadt noch bei der BGK Beschwerden. Was den Schluß nahelegt, dass dem kleinen Teil der Parker*Innen, die das Angebot nutzen, der bessere Service und die nicht mehr erforderliche Kleingeldsuche ein paar Cent mehr wert sind. Trotzdem machte die Fraktionsgemeinschaft FDP / Faire Liste aus dem Aufschlag ein Thema für den Stadtrat.

Antrag FDP/Faire-Liste sorgt für Transparenz

Im August wurde dort der Antrag behandelt, die Oberbürgermeisterin damit zu beauftragen darauf hinzuwirken, dass die Servicegebühr “schnellstmöglich” entfällt. In der Sitzung am 29.8. wurde dieser Antrag in den Finanzausschuß verwiesen (diese Seite berichtete am 2.9. unter der Überschrift “Mariana Ruhl (FDP): last woman standing”). Gegen den Willen der Fraktionsgemeinschaft. Was FDP / Faire Liste damals nicht wissen konnten und auch ausweislich der mündlichen Antragsbegründung nicht beabsichtigten: mit ihrem Antrag haben sie in beispielhafter Weise Transparenz und Einblick in die rechtlichen Abläufe innerhalb der städtischen Gesellschaftskonzernstruktur ermöglicht.

Einfluss begrenzt

Natürlich unter freundlicher und hier ausdrücklich zu lobender Mithilfe von Wolfgang Heinrich und Klaus-Dieter Dreesbach. Denn der Bürgermeister forderte bei der BGK eine Stellungnahme zum Antrag an. Diese schaltete wegen der Antwort sogar ihren Wirtschaftsprüfer ein. Und verfasste dann eine mehrseitige, äusserst detailgenaue Antwort, die vom Hauptabteilungsleiter Technik Dreesbach unterzeichnet ist. Zugegeben. Das Dokument ist für Nichtfachleute schwer zu verstehen. Aber es ist das einzige amtliche Papier der vergangenen Jahre, in dem nachvollziehbar die durch die Gründung der städtischen Gesellschaften (Konzern Stadt) in der Ära des Oberbürgermeisters Rolf Ebbeke eingeschränkten Einflussmöglichkeiten kommunaler Gremien auf ehemals städtische Aufgaben dargelegt wird.

Kein Initiativrecht beim Aufsichtsrat

Daraus ergibt sich: anders als in den Fachausschüssen, die aufgrund der Haushaltshoheit der gewählten Kommunalpolitiker konkret entscheiden dürfen, welche Projekte von der Verwaltung realisiert werden und welche nicht, haben die Aufsichtsräte nichts zu sagen: “Weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch der Aufsichtsrat der BGK hat die Möglichkeit durch ein Initiativrecht dahingehend aktiv auf das operative Geschäft einzuwirken, dass der Inhalt der Beschlussvorlage umgesetzt wird. Auch die gesellschaftsvertraglich geregelten Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates zu bestimmten Geschäften greifen nicht ein, da diese gerade kein Initiativrecht begründen”, heisst es in der Stellungnahme.

Wenig Steuerzahllast durch wenig Einfluß

Der von der Fraktionsgemeinschaft FDP / Faire Liste eingeschlagene Weg über einen Ratsbeschluß wird von den Wirtschaftsprüfern als der einzig gangbare eingeschätzt: “wenn die Beschlussvorlage mehrheitlich vom Stadtrat angenommen wird, kann und wird die Stadt als Mehrheitsgesellschafterin den Beschluss hingegen auf Ebene der Gesellschafterversammlung der BGK entsprechend durchsetzen”. Was aber nicht in allen Fällen möglich ist. Denn der vor rund 25 Jahren eingeführte “Konzern Stadt” basiert auf einem sogenannten “steuerlichen Querverbund”. Vereinfacht ausgedrückt: die Stadt zahlt auf die von den Stadtwerken an die Stadtkasse ausgeschütteten Gewinne kaum Steuern, weil die Defizite bei den Bädern und anderen Einrichtungen vor der Berechnung der Steuern von der Gewinnausschüttung abgezogen werden.

Parken steuerlich begünstigt

Ohne diese Regelung würden dem Stadthaushalt jährlich viele hunderttausend Euro weniger zufliessen, weil dieses Geld vom Finanzamt abkassiert würde. Demzufolge, so das Dreesbach-Papier, muß bei Aufträgen des Stadtrates an die “städtischen” Gesellschaften genau darauf geachtet werden, welche Themen angesprochen sind. Denn begünstigt sind gemäß § 8 Abs. 7 KStG (Körperschaftssteuergesetz) nur Tätigkeiten, die aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ausgeübt werden. Für den Antrag von FDP / Faire Liste hat das eine positive Konsequenz: “bei einer Maßnahme, die eine negative Auswirkung auf das Parkraum-Ergebnis hat, dürften sich keine negativen steuerlichen Folgen ergeben, da das KStG diese Tätigkeit ausdrücklich begünstigt”.

Risiko für steuerlichen Querverbund

Damit im Kreise der Ratsmitglieder erst gar keine Begehrlichkeiten aufkommen, stellt das Papier allerding nachfolgend direkt klar: “sollte hingegen eine Tätigkeit betroffen sein, die nicht nach § 8 Abs. 7 KStG begünstigt ist, kann eine Maßnahme, die das Tätigkeits-Ergebnis verschlechtert und diese Ergebnis-Verschlechterung im Gesellschafterinteresse liegt, durchaus zu einer verdeckten Gewinnausschüttung und folglich zu einer Kapitalertragssteuerbelastung führen. Zudem wäre einer Verrechnung im Querverbund dann nicht mehr möglich”. Mit katastrophalen Folgen für den Stadthaushalt. Unser Leser*Innen-Tipp: lassen Sie sich doch bitte diese Rechtsfrage vom Stadtratsmitglied Ihres Vertrauens erläutern.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

02.09.19 – “Mariana Ruhl (FDP): last woman standing”

Die BGK*-Stellungnahme im Original:

“Sehr geehrter Herr Heinrich, sehr geehrter Herr Heidenreich,

wunschgemäß senden wir Ihnen unsere Stellungnahme zum Antrag der Fraktion FDP / Faire Liste zu. Im Zusammenhang mit dem Antrag haben wir die Frage gestellt, in welcher Art und Weise ein Aufsichtsratsvorsitzender grundsätzlich auf das operative Geschäft (einer Gesellschaft) Einfluss nehmen kann, insbesondere auch wenn die Oberbürgermeisterin (OB) selbst nicht im Aufsichtsrat vertreten ist. Mit der Prüfung beauftragt wurde die PwC, die die Einflussnahmemöglichkeiten des Aufsichtsrates bzw. des Aufsichtsratsvorsitzenden auf das operative Geschäft der Gesellschaft geprüft hat und sich mit der Frage auseinander gesetzt hat, ob dem Aufsichtsrat bzw. dem Aufsichtsratsvorsitzenden auf Ebene der Gesellschaft für Beteiligungen und Parken Bad Kreuznach mbH (BGK) ein Initiativrecht zur Durchsetzung des Beschlussinhalts zusteht.

Im Ergebnis hat weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch der Aufsichtsrat der BGK die Möglichkeit durch ein Initiativrecht dahingehend aktiv auf das operative Geschäft einzuwirken, dass der Inhalt der Beschlussvorlage umgesetzt wird. Auch die gesellschaftsvertraglich geregelten Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates zu bestimmten Geschäften greifen nicht ein, da diese gerade kein Initiativrecht begründen. In einem gesonderten Abschnitt werden darüber hinaus die gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen aufgezeigt, sofern der Stadtrat der Beschlussvorlage der Fraktion FDP / Faire Liste mehrheitlich zustimmen würde.

Hier kommt die PwC zu dem Ergebnis, wenn die Beschlussvorlage mehrheitlich vom Stadtrat angenommen wird, kann und wird die Stadt als Mehrheitsgesellschafterin den Beschluss hingegen auf Ebene der Gesellschafterversammlung der BGK entsprechend durchsetzen. Die gesellschaftsrechtliche Würdigung finden Sie im unteren Teil der E-Mail. Ebenso erfolgte eine steuerrechtliche Betrachtung.

Nachstehend noch einige Anmerkungen zu “paybyphone”:

Die App wurde als „on Top-Dienstleistung“ eingeführt. D.h. konkret, beim Vorschlag der FDP wird die Gesellschaft finanziell geschwächt. Zusammenfassend: Die BGK-Verantwortlichen wollten einen weiteren Service anbieten und alle bisher bestehenden Zahlungsmöglichkeiten so belassen. Die Beteiligungsgesellschaft bietet diese Bezahlmöglichkeit als zusätzliche Dienstleistung an, die folgende Features bietet:

• Ohne Registrierung: Man muss sich nicht registrieren, einen Parkschein bucht man sofort.
• Einfache Abrechnung: Man bezahlt über seine Mobilfunk-Rechnung oder mit Prepaid Guthaben. Mit Registrierung kann man auch über PayPal mit Kreditkarte oder per SEPALastschrift bezahlen.
• Automatische Erinnerung: Vor Ablauf der Parkuhr wird man an das Parkzeitende erinnert, wo immer man auch ist.
• Mehr Alltagskomfort: Man muss nicht mehr nach dem Parkautomaten suchen und auch das Rauskramen von Münzen kann man sich sparen.
• Einfaches Verlängern: Man möchte sein Auto noch ein wenig stehen lassen? Einfaches Verlängern des Parkscheines in der App ist möglich. Somit kann man bei einer ungewissen Parkdauer erst mal eine kurze Zeit buchen, um dann bei Bedarf weitere Parkzeit hinzu zu buchen. Damit kann man sogar Parkgebühren sparen und bekommt nur die Zeit abgerechnet, die man auch wirklich parkt.

Somit steht den Parkenden ein verbesserter Service gegenüber dem reinen Münzgeldzahler zur Verfügung, getreu unserem Motto “Wir machen Mobilität einfach“. Ein Vergleich mit anderen Städten und dortigen Preisen für Serviceleistungen ist immer schwierig, weil der Gesamtkontext nicht bekannt ist. Dies betrifft hier die BGK, aber vom Grundsatz her alle Gesellschaften. Wenn solch ein Argument in Zukunft gelten sollte, ist eine betriebswirtschaftliche Entwicklung für Serviceleistungen in Bad Kreuznach mit den hiesigen Rahmenbedingungen nur eingeschränkt möglich.

Wichtig an dieser Stelle wäre auch zu hinterfragen, inwieweit der Antrag gegen die bestehende „Gebührenordnung der Stadtverwaltung Bad Kreuznach über die Erhebung von Parkgebühren für öffentliche Parkflächen“ verstößt und ob diese Themen nicht dort grundsätzlich aufzuführen wären. Dies wurde seitens der BGK nicht geprüft. Aufgrund der unterschiedlichen Behandlung von öffentlichen Parkplätzen (Pacht durch die BGK) und öffentlich gewidmeten Parkplätzen (Betriebsführung BGK) kommt es sowohl bei der BGK als auch bei der Stadt Bad Kreuznach zu Umsatzverlusten durch die Übernahme der Servicegebühr. In diesem Zusammenhang müssten auch die Pachtverträge geprüft werden.

Steuerliche Beurteilung:

Bei einer Anweisung durch den Gesellschafter, geschäftliche Maßnahmen vorzunehmen, die zu einer Ergebnis-Verschlechterung in der jeweiligen Tätigkeitssparte führen (hier gerade in Diskussion: Verringerung der Parkentgelte bei bargeldloser Zahlung, obwohl wegen der Bereithaltung der bargeldlosen Zahlungsmöglichkeit Kosten entstehen), ist hinsichtlich der steuerlichen Auswirkungen genau zu schauen, um welche konkrete Tätigkeit es geht. Bei einer Maßnahme, die eine negative Auswirkung auf das Parkraum-Ergebnis hat, dürften sich keine negativen steuerlichen Folgen ergeben, da § 8 Abs. 7 KStG diese Tätigkeit ausdrücklich begünstigt. Danach werden – selbst wenn die Tätigkeit dauerhaft mit Verlust betrieben wird – die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht gezogen (obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung vorliegen). § 8 Abs. 7 KStG umfasst dabei Tätigkeiten, die aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen ausgeübt werden.

Sollte hingegen eine Tätigkeit betroffen sein, die nicht nach § 8 Abs. 7 KStG begünstigt ist, kann eine Maßnahme, die das Tätigkeits-Ergebnis verschlechtert und diese Ergebnis-Verschlechterung im Gesellschafterinteresse liegt, durchaus zu einer verdeckten Gewinnausschüttung und folglich zu einer Kapitalertragssteuerbelastung führen. Zudem wäre einer Verrechnung im Querverbund dann nicht mehr möglich. Eine Anweisung durch den Gesellschafter, konkrete Maßnahmen vorzunehmen, stellt dabei natürlich ein sehr starkes Indiz dafür dar, dass die Ergebnisverschlechterung im Gesellschafterinteresse vorgenommen wird.

Gesellschaftsrechtliche Würdigung

1. Kein Initiativrecht des Aufsichtsrates / Aufsichtsratsvorsitzenden

Für den fakultativen Aufsichtsrat der BGK sind – sofern nichts Abweichendes im Gesellschaftsvertrag geregelt ist – grundsätzlich die Regeln des Aktiengesetzes (AktG) entsprechend anzuwenden. Die Rechte des Aufsichtsrates sind in § 111 AktG geregelt. Gemäß § 111 Abs. 4 S. 1 AktG können Maßnahmen der Geschäftsführung nicht auf den Aufsichtsrat übertragen werden. In jedem Fall ausgeschlossen sind jedoch Weisungsrechte des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand (hier der Geschäftsführung) und – über die allgemeine Beratungsaufgabe hinausgehende – Initiativrechte in Fragen der Geschäftsführung (vgl. MüKoAktG/Habersack, 5. Aufl. 2019, AktG § 111 Rn. 13). Konkret bedeutet dies, dass weder Aufsichtsrat als Organ, noch der Aufsichtsratsvorsitzende initiativ in das Geschäft der BGK eingreifen kann. Er kann daher nicht aktiv Einfluss auf die Preispolitik bezüglich der Online-Parktickets nehmen. Dem Aufsichtsrat kommt insoweit nur eine überwachende und beratende Funktion zu.

Gemäß § 11 Abs. 4 S. 2 AktG kann lediglich regelt werden, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen. Davon hat die BGK zwar in § 8 Abs. 1 Buchstaben a) bis g) des Gesellschaftsvertrags der BGK Gebrauch gemacht, aber die Zustimmungsvorbehalte setzen stets voraus, dass eine initiative Entscheidung der Geschäftsführung erfolgt, welche dann dem Aufsichtsrat vorzulegen ist. Für eine kommunal-beherrschte Gesellschaft gilt bezüglich der Kompetenzen des Aufsichtsrats bzw. des Vorsitzenden nichts Anderes, unabhängig davon, ob ein Bürgermeister oder Oberbürgermeister die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden bekleidet. Maßgeblich sind hier allein die Vorgaben des Gesellschaftsrechts und die gesellschaftsvertraglichen Regelungen.

2. Beschlussvorlage der FDP / Faire Liste Fraktion

Sollte hingegen der Stadtrat der Beschlussvorlage der FDP / Faire Liste Fraktion mehrheitlich zustimmen, dann ist der Vertreter der Stadt Bad Kreuznach als Alleingesellschafterin verpflichtet, die Gesellschafterversammlung einzuberufen und einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss herbeizuführen, der die Geschäftsführung der BGK anweist, den Inhalt des Ratsbeschlusses umzusetzen.

Aufgrund der vorliegenden Beteiligungsverhältnisse gilt grundsätzlich Folgendes:

Sofern der Stadtrat der Stadt Bad Kreuznach mehrheitlich einer Beschlussvorlage zustimmt, durch welche die Geschäftsführung der BGK (oder der SWBK) angewiesen werden soll, eine bestimmte geschäftsführerische Maßnahme vorzunehmen oder einzustellen, ist sie berechtigt und sogar verpflichtet, dies mittels ihres herrschenden Einflusses auf Ebene der jeweiligen Gesellschafterversammlungen entsprechend umzusetzen. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer der BGK zunächst nicht dazu angehalten ist, die Preispolitik die Online-Parktickets betreffend aktiv umzugestalten, solange sich der Stadtrat nicht mit der Beschlussvorlage befasst und dieser mehrheitlich zugestimmt hat.

Zusammenfassung:

Wenn die Inhalte des Antrages der FDP der politische Mehrheitswille ist, sollte dies als Prüfauftrag umformuliert werden, damit alle Aspekte (finanzielle Auswirkungen auf die Stadt bei den eigenen Parkflächen), der BGK (Ergebnisveränderung), die Pachtverträge, die Gebührenordnung etc. substanziell bewertet werden können. Diese Bewertung kann nur gemeinsam zwischen Stadtverwaltung und BGK erfolgen. Für weitere Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen ppa. Klaus-Dieter Dreesbach Hauptabteilungsleiter Technik

*Gesellschaft für Beteiligungen und Parken in Bad Kreuznach mbH