Mantelsonntag: nun sind die Richter am Zug

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Gestern hat die Stadtverwaltung laut Markus Schlosser den Mantelsonntag 2019 für den 27. Oktober genehmigt. Gerade mal 23 Tage vor dem Termin. Die Reaktion von ver.di kam prompt. Sobald die formal erforderliche amtliche Bekanntmachung vorliegt, geht der Eilantrag ans OVG in Koblenz raus. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte im Oktober 2018 noch der Stadt recht gegeben. Mit einer rein formalen Begründung. Im vergangenen Jahr hatten sich die von der Gewerkschaft beauftragten Rechtsanwälte wochenlang Zeit genommen für ihren Verbotsantrag. Diesen Fehler, so die Ankündigung aus Mainz und Leipzig, wird man 2019 nicht noch einmal machen.

OVG-Urteil vom September

Das wird die verwaltungsgerichtliche Lage ganz anders aussehen lassen. Denn noch ein zweiter Sachverhalt hat sich im Vergleich zu 2018 geändert. Vor ein paar Tagen, am 19. September, hat das OVG zwei von drei verkaufsoffenen Sonntagen in Andernach für rechtswidrig erklärt. Und in seinem Urteil klare Anforderungskritierien für eine Veranstaltung wie den Mantelsonntag definiert. Der Presseerklärung der Stadt ist nicht zu entnehmen, wie sie bei ihrer Genehmigung diese Anforderungen berücksichtigt hat. Es wird auf die aktuelle gerichtliche Entscheidung nicht einmal Bezug genommen. Während dieser Umstand die Gegner des verkaufsoffenen Sonntags hoffnungsfroh stimmt, nährt er bei den Befürworter des Mantelsonntags eine Befürchtung.

Härten für alle Betroffenen

Nämlich die, dass sich die Stadt längst mit der juristischen Undurchführbarkeit der Veranstaltung abgefunden hat, aber die Verantwortung dafür lieber bei den OVG-Richtern abladen möchte, als selbst die geltende Rechtslage durch- und sich damit Protesten auszusetzen. Jetzt sind also die Richter am Zug. Entweder das OVG kassiert die Genehmigung der Stadt bereits im Eilverfahren ein. Das macht ein Gericht eigentlich sehr ungern. Weniger aus den dann immer angegebenen juristischen Gründen (Vermeidung der Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache). Sondern weil eine derart kurzfristige Entscheidung natürlich für alle Betroffenen Härten bedeutet.

“Anlaßveranstaltung” von ver.di nicht angegriffen

Es könnte also zu einer Wiederholung der Entscheidung aus 2018 kommen: der Mantelsonntag 2019 findet statt, weil seine Absage den Einzelhändlern von ihnen nicht zu verantwortende Kosten aufbürden würde. Und eine Absage nicht mehr alle Kunden erreichen würde. Letztgenanntes Argument widerlegt allerdings im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren die Behauptung, die Menschen kämen wegen dem Herbstmarkt. Denn die Genehmigung für die “Anlaßveranstaltung” wird von ver.di nicht angegriffen. Der dürfte also in jedem Fall stattfinden. Die Gäste würden also keine “Metzgerfahrt” machen. Würde das OVG also zum zweiten Mal in Folge beide Augen zudrücken, fällt die Entscheidung über die Zukunft des Mantelsonntages in Sachen des an hängigen Normenkontrollantrages gegen den in 2018.

Fragen von Einzelhändlern

Und wie der Fall Andernach zeigt kommt es dabei nicht darauf an, ob das Gebiet, in dem Ladengeschäfte öffnen dürfen, etwas größer oder kleiner gefaßt ist, so wie das in der Presseerklärung der Stadt anklingt. Entscheidungserheblich ist allein die Bedeutung und die Werthaltigkeit der Anlaßveranstaltung. Und diesbezüglich wird die Stadtverwaltung vor Gericht in Erklärungsnöte kommen. Aber nicht nur dort. Auch vor Ort werden bereits Fragen gestellt. Von Einzelhändlern die, warum die Entscheidung über den Mantelsonntag in 2019 rund einen Monat später fiel, als in 2018 – obwohl die formaljuristische Fragestellung exakt die selbe war: wurde da verwaltungsintern geschlampt oder hat dies mit den zeitversetzten Erholungsurlauben der Stadtrechtsdirektorin und des zuständigen Beigeordneten zu tun?

Schlosser antwortete nicht

Oder denkt man bei der Verwaltung, dass die späte Entscheidung die Veranstaltung schützt? Wir hätten das gern vom zuständigen Beigeordnten Markus Schlosser gewusst. Und haben ihm daher gestern Mittag eine schriftliche Anfrage vorgelegt. Eine Antwort haben wir nicht erhalten. Genau so, durch verweigerte Kommunikation, schiebt man einen Karren noch weiter in den Dreck. Über kurz oder lang wird die Verwaltung offenlegen müssen, was sie seit dem Eingang des Pro-City-Antrages Mitte Juli konkret getan hat. Als “Eigentor der Stadtverwaltung” werten Juristen deren Presseerklärung von gestern (von dieser Seite im Wortlaut unter der Überschrift “Heute mittag: Stadt genehmigt Mantelsonntag” veröffentlicht).

Mantelsonntag als Tradition

Denn darin wird die jahrzehntelange Sonntagsöffnung der Läden am letzten Oktoberwochenende (“Mantelsonntag”) als Tradition dargestellt. Derartige Zuschreibungen bezogen auf die “Anlaßveranstaltung Herbstmarkt” fehlen aber vollständig. Dies steht wörtlich im Gegensatz zu den Ausführungen der OVG-Richter im Fall Andernach: “darüber hinaus ist notwendige Bedingung der prägenden Wirkung der Anlassveranstaltung, dass die Veranstaltung nach einer bei Erlass der Norm anzustellenden Prognose für sich genommen – ohne die Ladenöffnung – einen erheblichen Besucherstrom anzieht, der die bei einer alleinigen Ladenöffnung – ohne die Veranstaltung – zu erwartende Besucherzahl übersteigt”. Demzufolge ist es für die Entscheidung vollkommen irrelevant, wie traditionsreich der verkaufsoffene Sonntag ist. Im Gegenteil. Mit ihrer Pressemitteilung belegt die Stadt, dass in ihren Augen der Mantelsonntag von Bedeutung ist. Und nicht der Herbstmarkt.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

04.10.19 – “ver.di reagiert: Eilverfahren eingeleitet”
04.10.19 – “Heute mittag: Stadt genehmigt Mantelsonntag”
30.09.19 – “Horrorszenario” für den Mantelsonntag?”
27.09.19 – “Stadtverwaltung hat noch immer nicht über den Mantelsonntag entschieden”
24.08.19 – “ver.di macht ernst: Mantelsonntag 2019 vor dem Aus”
24.07.19 – “Herbstmarkt mit verkaufsoffenem Sonntag: das sagen die Stadtratsparteien”
12.07.19 – “Pro City plant Herbstmarkt – Allianz für den freien Sonntag will ihn verhindern”
25.10.18 – “Mantelsonntag findet statt (II)”
16.10.18 – “Mantelsonntag findet statt”