Von unserem Redakteur
Claus Jotzo
Er beschreibt sich selbst als “jungen Mann aus dem ländlichen Raum in Ostdeutschland”. Und als konservativ. Der 26jährige CDU-Bundestagsabgeordnete war gestern Abend auf Einladung von Claudia Rapps VINELLA Gast im Bad Münsterer Kurhaus. Passend zum Image wurde Amthor mit dem Thema “Patriotismus und Heimat: Verbindendes statt Trennendes” angekündigt. Und dazu sagte er einiges, was sich der wertkonservative Teil der parteinahen Gäste sehnlich gewünscht hatte. Werner Klopfer sprach für diese Gruppe des Publikums und lobte Amthors klare Ansagen gegen eine ungesteuerte Migration und für deutliche Anleitungen zur Integration.
In der sich an den Vortrag anschließenden lebhaften Diskussion im prallgefüllten Kursaal erwies sich Amthor, der seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages ist und wegen seiner Jugend noch neun Jahre Mitglied der Jungen Union sein darf, als Polit-Profi der neuen Generation, der sich zu keinen Äusserungen verleiten läßt, die als eine Profilierung zu Lasten der Partei verstanden werden könnten. Die Frage, ob AKK (die neue CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer) nach mehreren Ungeschicklichkeiten und Darstellungsfehlern die richtige Merkel-Nachfolgerin sein könne, blockte Amthor routiniert mit der Erklärung ab, die CDU dürfe “nicht den selben Fehler machen wie die SPD und sich in Personaldiskussionen verstricken”.
Um die Fragesteller anschließend mit dem Hinweis, “Sie sind nicht die ersten, die mir das sagen”, zu beruhigen. Auch die Anschlußfrage, wie lange CDU-Anhänger “diese Koalition noch ertragen müssen”, konterte Amthor elegant-unverbindlich: “die Koalition ist bei weitem nicht so schlecht, wie ihr Ruf”. Auch wenn diese Argumentationslinien vertraut klingen, bringt Philipp Amthor doch andere Zwischentöne hervor. Und zeigte sich angriffslustig. Über die SPD witzelte er, viele dort wollten “Opposition sein, aber ungern auf die Ministerlimousine verzichten”. Und die Grünen pickste er mit dem Hinweis, diese zu wählen “muß man sich leisten können”.
Schlagfertig räumte er die Befürchtungen einer anstehenden Bundestagsneuwahl beiseite. “Ich rate Ihnen ab in den Baumarkt zu gehen und die Kabelbinder für neue Wahlplakatständer jetzt schon zu kaufen”. Auch wenn die SPD jetzt auf DSDS (Deutschland Sucht Den Supersozi) mache, sei ein Bruch der Koalition nicht so schnell zu erwarten. Amthor riet, “konkrete Politik zu machen, Probleme zu lösen und sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen”. Und er gab einen kleinen Eimnblick in seinen Arbeitstag. Der vorgestrige endete am gestrigen Freitagmorgen um 1.40 Uhr im Plenarsaal des Deutschen Bundestages mit einem Brexit-Beschluß. Der gestrige begann fünf Stunden später um 6.45 Uhr mit einer Aufzeichnung für das ARD-Morgenmagazin. Und nachmittags dann ab mit dem Zug nach Bad Münster.
Trotzdem präsentierte sich Amthor ausgeschlafen und entspannt. Und wollte bei aller Berechtigung für eine nachhaltige Klimaschutzpolitik “die Hysterie der Klimaschutzdebatte nicht mitmachen”. Philipp Amthor befürchtet in diesem Zusammenhang eine neue “Spaltung der Gesellschaft”, wie sie schon durch die Migrationsfrage aufgeworfen worden sei. Und er erkannte in den Geschehnissen rund um Greta Thunberg unter dem Applaus einiger Zuhörer*Innen “pseudoreligiöse Züge”. Nach über zweistündiger Veranstaltung stand Philipp Amthor für Selfies und Kurzgespräche zur Verfügung. Nur der Satz, mit dem Amthor vor Wochen bundesweit Aufmerksamkeit erregt hatte, konnte ihm keiner der Fans mehr entlocken: “hey Rezo, Du alter Zerstörer.” Das mag daran liegen, dass Rezo gestern nicht da war. Aber in das von Dr. Andreas Rapp gestaltete Format des VINELLA-Kultur-Zyklus würde auch der natürlich passen.