SPD bringt Dr. Kaster-Meurer in die Bredouille

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Am 29. November 2018 hatte der Stadtrat auf Antrag der FWG mit 21 zu 20 Stimmen die Abgabe des Jugendamtes an den Kreis beschlossen. Oberbürgermeisterin, SPD, Grüne und Linke nahmen die Abstimmungsniederlage damals gefaßt hin. Lag ihnen doch die Rechtsauffassung Mainzer Ministerien vor, derzufolge der Rat der Stadt für eine solche Entscheidung gar keine Kompetenz habe. Diese liege allein beim Landtag. Trotzdem setzte die Oberbürgermeisterin den Beschluß nicht formal aus. Sie tat einfach nichts. Anders als der Landtagsabgeordnete Dr. Helmut Martin (CDU). Der verzichtete auf Presseerklärungen. Sondern machte einfach seine Arbeit. Er ließ prüfen.

Gutachten aus dem Landtag

Um so grösser daher der Schock bei den heutigen Mehrheitsfraktionen, als ausgerechnet der Wissenschaftliche Dienst des Parlamentes vor wenigen Wochen zum genau gegenteiligen Ergebnis kam: demzufolge ist es sehr wohl eine Entscheidung des Stadrates, ob es bei der örtlichen Sonderregelung (Jugendamt bei der Stadt) bleibt oder ob der Landkreis, wie gesetzlich vorgesehen, die Jugendhilfe für alle Kreisbürger*Innen übernimmt. Unverzüglich nach Bekanntwerden der neuen juristischen Expertise wurde die SPD-Fraktion aktiv. Wie heiß das SPD-Papier gestrickt wurde, haben Beobachter schon daran erkannt, dass als Datum für den letztjährigen Stadtratsbeschluß mehrfach ein Datum in der Zukunft benannt wird: der “29.11.2019” (siehe nachstehender Screenshot).

Bis zum 29.11.19 ist es noch vier Monate hin. Der doppelte Tippfehler im SPD-Antrag ist für Beobachter ein Beleg dafür, dass er mit heisser Nadel gestrickt wurde.

Mit dem Antrag, der in der heutigen Sitzung des Stadtrates behandelt wird, verlangt die SPD zunächst eine “Aussetzung” des alten Beschlusses. Anschließend solle “die gesetzlich vorgesehene Anhörung des Jugendhilfeausschusses” durchgeführt werden. Und schließlich der Beschluß vom vergangenen Jahr aufgehoben. Mit der Begründung dieses Antrages bringen die Sozialdemokraten ihre Genossin Heike in die Bredouille. Denn die Oberbürgermeisterin hatte dem Rat der Stadt am 29.11.18 erklärt, dass der Jugendhilfeausschuß ein direktes Antragsrecht für den Stadtrat habe, um dann festzustellen: “Umgekehrt gibt es keine Vorschrift, dass er gehört werden muß”.

SPD hält JHA-Anhörung für zwingend

Die SPD behauptet nun das genaue Gegenteil. Das Sozialgesetzbuch mache es “zwingend notwendig” die “vorgeschriebene Anhörung des Jugendhilfeausschusses” (JHA) durchzuführen. In der Sitzung Ende 2018 sei von Seiten der SPD-Fraktion bereits darauf hingewiesen “und beantragt” worden, “dass der Jugendhilfeausschuss in dieser Thematik angehört werden muss, bevor der Stadtrat einen Beschluss zu dem damaligen Antrag der FWG treffen” durfte. Die SPD stellt dazu wörtlich fest: “dieser Hinweis wurde von der damaligen Mehrheit im Stadtrat ignoriert”. Diese Behauptung der SPD ist gleich in zwei Punkten erweislich unwahr.

Bandaufzeichnung abgehört

Zunächst war es, wie vorstehend ausgeführt, Dr. Heike Kaster-Meurer, die am 29.11.18 ausdrücklich feststellte, dass der Jugendhilfeausschuß nicht anzuhören ist. Die Stadtratsmitglieder Wilhelm Zimmerlin und Karl-Heinz Delaveaux (Fraktion FWG/BüFEP) hatten sich schon vor dem Jahrmarkt die Zeit genommen, die Tonaufzeichnung der letztjährigen Sitzung anzuhören und fertigten sich eine Mitschrift. Diese belegt, dass die vorstehende Darstellung dieser Seite im Wortlaut korrekt ist. Es war die Oberbürgermeisterin, die eine Anhörung des Jugendhilfeausschusses (JHA) für nicht zwingend erklärte. Und damit der SPD widersprach.

Phantom-Antrag der SPD

Da die FWG ihren damaligen Antrag fristgerecht eingereicht hatte, war die Stadtverwaltung nicht nur verpflichtet, sondern hatte ausreichend Zeit diese Rechtsfrage vor der Sitzung zu klären. Und weil auch Stadtrechtsdirektorin Häußermann Ende November 2018 eine Behandlung des Abgabe-Antrages im JHA als nicht vorgeschrieben einstufte, kritisiert die SPD heute auf der Basis einer unwahren Tatsachenbehauptung die Falschen. Dabei schreckt die SPD nicht davor zurück eine weitere erweislich unwahre Tatsachenbehauptung aufzustellen. Denn den von der SPD behaupteten Antrag, den Jugendhilfeausschuß zu befassen, hat es am 29.11.18 nicht gegeben.

Für die eiligen Leser*Innen haben wir das Protokoll der Stadtratssitzung vom 29.11.18 einfach abfotografiert. Wer es in Ruhe lesen mag, kann diesen Link verwenden: bad-kreuznach.de/politik-und-verwaltung/politik-stadtrat-und-gremien/stadtrat/sitzungen-des-stadtrats-2018/stadtrat-29.11.2018-protokoll.pdf?cid=qd

Dies beweist das öffentlich zugängliche Protokoll zu Punkt 12 der Stadtratssitzung vom 29.11.18. Dort ist nur ein einziger SPD-Antrag festgehalten. Der auf namentliche Abstimmung, den der Stadtrat mit 17 Jastimmen und 20 Neinstimmen bei drei Enthaltungen ablehnte. “Es wird heute in der Stadtratssitzung interessant sein zu hören, wieso die SPD (Anmerkung der Redaktion: in dem von Andreas Henschel unterschriebenen Antrag) gleich zwei unwahre Tatsachenbehauptungen aufstellt”, meint dazu auf Anfrage dieser Seite Karl-Heinz Delaveaux. “Eigentlich müßten doch diejenigen, die die besseren Argumente zu haben glauben, ganz nah bei der Wahrheit bleiben können und haben solche Tricks nicht nötig”.

Delaveaux sieht Fürsorgepflicht

Delaveaux freut sich darauf erleben zu dürfen, wie die Oberbürgermeisterin in ihrer Fürsorgepflicht und Verantwortung für die gewählten Ratsmitglieder heute mit den unwahren Behauptungen im Antrag ihrer Parteifreunde umgehen wird. “Läßt sie aus parteipolitischen Gründen zu, dass Darstellungen von Stadtratsmitgliedern und Abläufe einer von ihr persönlich geleiteten Stadtratssitzung falsch und unzutreffend dargestellt werden, wird dies Konsequenzen haben”. Welche ließ der FWG/BüFEP-Fraktionsvorsitzende gestern offen.

Von Pyrrhos nichts gelernt?

Aber es gibt wohl bereits rechtskräftig ausgeurteilte Fälle, in denen entsprechendes Fehlverhalten von Bürgermeistern als Verwaltungschefs gerichtlich geahndet wurde. Kleiner Einschub zum Thema “aus der Geschichte lernen (oder eben nicht …)”: am Ende werden die Oberbürgermeisterin und die SPD-Fraktion heute Abend eine rund 2.300 Jahre alte Erfahrung des griechischen Königs Pyrrhos I wiederholen: auch ein Sieg kann sehr schnell eine endgültige Niederlage einleiten.

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14.08.19 – “CDU: Dr. Kaster-Meurer muss Jugendamts-Abgabe zügig aktiv betreiben”
08.08.19 – “Jugendamt: Delaveaux begrüsst Dr. Martins Wirkungstreffer”
07.08.19 – “Landtag: Stadt darf Jugendamt an den Kreis abgeben”
10.05.19 – “Delaveaux (FWG): “Dr. Kaster-Meurer sabotiert einen Stadtratsbeschluß”
21.02.19 – “Stadt schenkt dem Kreis 750.000 Euro”
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04.02.19 – “Oberbürgermeisterin widerspricht den Grünen”
30.11.18 – “Stadtjugendamt soll zum Kreis”