ver.di macht ernst: Mantelsonntag 2019 vor dem Aus

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Auch wenn eine breite Mehrheit im Stadtrat am verkaufsoffenen Sonntag Ende Oktober festhalten möchte. Und eine Minderheit sogar mehrere Einkaufs-Sonntage befürwortet. Der 28. Oktober 2018 war wohl der letzte seiner Art. Denn in diesem Herbst macht ver.di ernst. Noch im Sommer hätten sich die Antragsteller von Pro City die Hände reiben können. Die damals vom DGB Mainz aufgestellte Behauptung, nach wie vor sei ein Rechtsverfahren gegen den Mantelsonntag anhängig, war schlicht falsch. Das wußte aber niemand. Denn auf die Idee, diese Behauptung beim Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht in Koblenz zu überprüfen, kam keiner der kommunal Verantwortlichen.

Normenkontrollantrag gestellt

Der Redaktion dieser Seite teilten beide Gerichte bereits vor einigen Wochen schriftlich mit, dass dort trotz intensiver Nachforschungen keine anhängige Sache gefunden werden konnte. Diesen Sachverhalt hat die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in der vergangenen Woche nachhaltig geändert. Weil über den von Pro City schon im Juli und damit fristgerecht eingereichten Antrag für 2019 von der Stadtverwaltung immer noch nicht entschieden ist, fährt ver.di als Sachwalterin des Aktionsbündnisses arbeitsfreier Sonntag nun die ganz grosse juristische Kanone auf: einen Normenkontrollantrag.

Verordnung 2018 unter der Lupe

Wie das OVG der Redaktion dieser Seite auf Anfrage mitteilte, ist der dort am 15. August eingegangen und wird unter dem Aktenzeichen 6 C 11206/19.OVG geführt. Der Normenkontrollantrag richtet sich – formal vollkommen korrekt – nicht gegen den Mantelsonntag 2019. Denn die entsprechende Verordnung ist von der Stadt ja noch gar nicht beschlossen. Sondern gegen die für das Jahr 2018. Wie jede andere kommunale Satzung kann auch jene für den letztjährigen Mantelsonntag innerhalb eines Jahres nach amtlicher Bekanntmachung beim OVG hinterfragt werden. Die Veranstaltung wird dadurch natürlich nicht rückwirkend ungeschehen gemacht.

Rechtsamt führt Verfahren

Aber das OVG stellt fest, ob die von der Stadt erteilte Genehmigung rechtlich korrekt war. Oder eben nicht. Und im Falle eines Neins hat dies Auswirkungen für die künftigen verkaufsoffenen Sonntage. Und natürlich für die Bewertung der Unabhängigkeit und Kompetenz der Stadt in Rechtsfragen. Auf Anfrage hat die Stadtverwaltung vorgestern eingeräumt, dass der ver.di-Antrag am Donnerstag dort ankam. “Das Verfahren wird vom Rechtsamt (Frau Trierweiler) geführt”, heisst es in der Mitteilung von Stadtpressesprecherin Isabel Gemperlein. Bei den treuen Leser*Innen dieser Seite wird diese Information für ein Aufhorchen sorgen.

ver.di-Antrag bringt Stadt in Zwickmühle

Nicola Trierweiler? War da nicht was? Allerdings. Die Juristin zeichnete auch für die Stadtverwaltung in Sachen des Normenkontrollantrages Antonio Valentino gegen Stadt Bad Kreuznach wegen Tourismusbeitrag als zuständig. Das Ende ist bekannt: am 19. Dezember 2018 gab das OVG Rheinland-Pfalz dem Valentino-Antrag statt und erklärte die Satzung der Stadt für rechtswidrig. Auf dieses schlechte Omen für die Stadt kommt es in der Sache aber gar nicht an. Juristisch-taktisch stellt der ver.di-Antrag beim OVG eine Meisterleistung dar. ver.di hat der Stadtverwaltung Bad Kreuznach damit eine Zwickmühle aufgebaut.

Pro-City-Antrag ist nicht mehr nachzubessern

Freunde des Brettspiels wissen: der Ausgang ist daher schon jetzt absehbar. Denn der Pro-City-Antrag vom Juli 2019 kann, auch in Kenntnis der aktuellen Argumente der ver.di-Juristen, nicht mehr fristwahrend geändert werden. Nachbesserungen hätten nicht nur einen faden Beigeschmack, wären formalrechtlich zweifelhaft und würden eine Verfristung bewirken. In der Sache würde jede Veränderung für 2019 die Praxis des Vorjahres und damit die Genehmigung vom September 2018 in Zweifel ziehen. Die substantielle Kritik an der städtischen Entscheidung des Vorjahres ist im aktuellen Normenkontrollantrag auf 18 Seiten nachzulesen.

Dr. Kühn: Verordnung war rechtswidrig

Fazit des Antrages: “nach alldem ist festzuhalten, dass die Verordnung im angegriffenen Umfange nicht mit der Rechtslage und den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stand und daher rechtswidrig war”. Und darin besteht nun die Zwickmühle für die Verwaltung: geht Sie im aktuellen Genehmigungsverfahren für 2019 auf die im Normenkontrollverfahren vorgetragenen Argumente ein, wirft dies die Frage auf, wieso sie diese Punkte im vergangenen Jahr nicht berücksichtigt hat – und stützt damit direkt den Normenkontrollantrag. In diesem Zusammenhang könnte die Stadtverwaltung unter dem Eindruck des erstmals gestellten Normenkontrollantrages die im vergangenen Jahr weitgehend ausgeblendete Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes stärker berücksichtigen, die juristische Ausweglosigkeit des Mantelsonntag-Vorhabens einsehen und den Pro-City-Antrag für 2019 ablehnen (was natürlich die Genehmigung für 2018 mit einem riesigen Fragezeichen versehen würde, da der Sachverhalt nahezu identisch ist).

Schicksal des Mantelsonntags juristisch besiegelt

Verweigert sie die Genehmigung nicht, macht sie die selben Fehler wie im vergangenen Jahr erneut. Wenn dann im September der bereits angekündigte ver.di-Eilantrag gegen den Mantelsonntag 2019 – in diesem Jahr fristgerecht – gestellt wird, ist das Schicksal des Mantelsonntags nach Einschätzung aller von dieser Seite gefragten Juristen besiegelt. Ob durch das Normenkontrollverfahren gegen 2018. Oder durch den Eilantrag gegen 2019. Auch eine weitere Bearbeitungsverzögerung durch die Verwaltung wird das Dilemma nicht auflösen. Der ver.di-Eilantrag muß nur wenige Tage nach der amtlichen Bekanntmachung der Genehmigung beim OVG gestellt werden, um die im vergangenen Jahr vom Gericht formulierten Bedenken auszuräumen. Ausgeheckt hat diese Strategie der Leipziger Rechtsanwalt Dr. Friedrich Kühn.

Pro City zum Zuschauen verurteilt

Heute sind die Mitglieder, der Vorstand und die Geschäftsführung von Pro City in dieser Sache zum Zuschauen verurteilt. Denn das Heft des Handels liegt allein bei der Stadtverwaltung. Nur diese ist Verfahrensbeteiligte. Die Innenstadthändler könnten aus dieser Situation allerdings lernen, dass die Verwaltung eben nicht der verlässliche Partner ist, als den sie sich selbst gern darstellt. Hätte die Stadt den Händlern nämlich schon 2018 die unangenehme Wahrheit mitgeteilt, dass ihr durch das einschlägige Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes die Hände gebunden sind, hätten die Händler ein Jahr länger mit der Stadt daran arbeiten können, wie der Handelsstandort Bad Kreuznach gestärkt werden kann.

Mantelsonntag hatte Magnetwirkung

Denn eines ist vollkommen unbestritten: der Mantelsonntag hatte, weit über die Stadtgrenzen hinaus, eine Magnetwirkung. Eine verantwortungsbewusste Verwaltung hätte eben nicht versucht mit Tricks und Kniffen die obergerichtlichen Festsetzungen zu umgehen. Sie hätte die Händler motiviert an Alternativen zu arbeiten. Und Baustellen zur Verbesserung der Attraktivität der Innenstadt gibt es mehr als genug. So hätte es der Stadtverwaltung gut zu Gesicht gestanden, den als “Hamburger Fischmarkt” getarnten “Kreis Neuwieder Texilmarkt” nicht zuzulassen.

Von der Stadt verlassen

Aber auch der Handel muß sich fragen lassen, warum er belebende Initiativen nicht hinreichend unterstützt bzw deren Ende nicht versuchte zu verhindern. So wie die von Andreas Schnorrenberger organisierten Beachvolleyball-Tuniere auf dem Kornmarkt, zu denen Teilnehmer*Innen aus weitem Umkreis nach Bad Kreuznach kamen. Statt initiativ zu bleiben haben sich die Innenstadthändler, so die Einschätzung eines bei Pro City ausgetretenen Geschäftsmannes aus dem Gewerbegebiet, auf die Stadt verlassen: “und sind nun verlassen” (weitere Berichte folgen).

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

24.07.19 – “Herbstmarkt mit verkaufsoffenem Sonntag: das sagen die Stadtratsparteien”
12.07.19 – “Pro City plant Herbstmarkt – Allianz für den freien Sonntag will ihn verhindern”
25.10.18 – “Mantelsonntag findet statt (II)”
16.10.18 – “Mantelsonntag findet statt”