Was ist Kult? Was ist Verein? Was ist wichtig für BME?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

In Bad Münster am Stein / Ebernburg war der Verkehrsverein über Jahrzehnte eine Institution. Schon lange, bevor die früher selbstständige Stadt ihn offiziell bezahlte, übernahm der e.V. nahezu vollständig die Aufgabe der örtlichen Tourismusförderung. Aus dieser Zeit stammen Anekdoten und Sachverhalte, die in 2019 selbst aktuelle Mandatsträger nicht mehr kennen. So die Verpflichtung der Stadt Bad Münster gegenüber dem Verkehrsverein, diesem kostenlos Raum und Unterkunft zur Verfügung zu stellen.

Kostenlose Räume

Laut dem heutigen Vorsitzenden und FDP-Ortsbeirat Stefan Köhl ist diese Verpflichtung eine Folge des Baues der Tiefgarage. Damals habe ein im Eigentum des Vereines stehender Pavillon weichen müssen. Als Entschädigung sei die Unterbringung vereinbart worden, die mit der Fusion als Verpflichtung auf Bad Kreuznach übergegangen sei. Bei diesen Ausführungen staunten auch einige der Ortsbeiratskollegen Köhls. Weil die von dieser Geschichte noch nie gehört hatten. Aber es ging gestern Abend in der Sitzung des Bad Münsterer Ortsbeirates nicht nur um Traditionen und Folklore.

110.000 Euro letztmals in 2019

Sondern auch um Zahlen. Zum Beispiel um jene 110.000 Euro, die letztmals in 2019 von der städtischen GuT GmbH an den Verkehrsverein gezahlt werden. Nicht als Zuschuß, wie Stefan Köhl klarstellte. Sondern als Honorar im Gegenzug für erbrachte Dienstleistugen. Zu denen gehört die Betreuung der vor Ort auflaufenden Gäste mit ihren Fragen. Deren Zahl gab der Geschäftsführer des Verkehrsvereins, Thomas Borchardt, mit rund 10.000 im Jahr an. Davon leicht mehr als die Hälfte am Telefon und leicht weniger als die Häfte vor Ort in der Tourismusinformation (TI).

Konopka: “verschwindend gering”

Diese Zahlen riefen Volker Konopka (SPD) auf den Plan. Er hatte die Gesamtzahl der Kontakte flugs auf die Öffnungstage umgerechnet und stellte fest: “Das sind 17 Anrufe und 15 Besuche täglich – nicht die Welt”. Auch die ergänzende Darstellung Borchardts, in der Hochsaison kämen “50 bis 70” Leute täglich in die TI, “dafür im Januar alle drei Tage nur einer”, vermochte Konopka nicht umzustimmen: “ich bin erschrocken über diese Zahl, die ist verschwindend gering”. Zuvor hatte sich der Ortsbeirat einen Sachstandsbericht Borchardts zur Lage des Tourismus im Stadtteil samt Vorstellung der neu gegründeten gemeinnützigen GmbH Kultur und Tourismus (KULT) angehört.

Abgrenzung zwischen gGmbH und e.V.

Auch die dort präsentierten Zahlen führten zu Nachfragen von Ortsbeiratsmitgliedern. So ließen die mitgeteilten 111 Jahres-Buchungen über den Verkehrsverein Willi Kuhn (SPD) an der Relevanz dieses Angebotes zweifeln. Die Nachfrage Kuhns, wieviele Übernachtungen in BME der Verkehrsverein denn nun konkret organisiere, konnte Borchardt mangels Datenmaterial nicht beantworten. Er stellte die gemeinnützige Kult-Gmbh hat “100%ige Tochter des Verkehrsvereines” vor. Als dann konkrete Fragen aus dem Ortsbeirat auf die Abgrenzung der Arbeitsinhalte von Verkehrsverein und gGmbH abzielten, kam Stefan Köhl seinem Geschäftsführer argumentativ zur Hilfe:

Touristeninformation vor Ort benötigt

“Wir sind noch in einem Findungsprozess und überlegen, wo wir was machen”. Diesen Prozess beschrieb Borchardt anschließend so: es werde überlegt, “in welcher Institution wir was lassen, um das Beste für uns rauszuholen”. Steuervermeidung ist dabei ein zentrales Anliegen. Stefan Köhl stellte unisono mit Borchardt dar, dass jeder Euro, der nicht als Steuer gezahlt werden müsse, im Ort investiert werde. Diesbezüglich sei man “mit dem Steuerberater noch im Gespräch”. Als Hauptziel kristallisierte sich in der fast einstündigen Diskussion heraus, dass auch nach dem Ablauf des Dienstleistungsvertrages mit der GuT eine Touristeninformation vor Ort in Bad Münster benötigt wird.

Jung: “Unabhängige Vermittlung”

Wie die arbeiten sollte, sprach Eckard Jung (SPD) an, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Er nahm zunächst Bezug auf einen Bericht dieser Seite, in dem nachgewiesen wurde, dass der Verkehrsverein zwar für Hotels in Obermoschel Werbung macht, aber nicht für Häuser im Kernstadtgebiet. Um später dann auf einer unabhängigen Beratung und Vermittlung von Gästen durch die TI an die Betriebe vor Ort zu bestehen. In seiner KULT-Vorstellungs-Präsentation hatte Geschäftsführer Borchardt sowohl mündlich als auch schriftlich das Marketing der Hansestadt Lübeck und dessen Ostseestadtteil Travemünde als Vorbild vorgestellt.

Kuhn: etwas deutlicher

Dort würden, trotzdem es eine Gesamtstadt gäbe, die Lübecker Innenstadt und das Ostseebad mit gesonderten Logos und Werbekonzepten beworben. Borchardt sah darin ein Vorbild für Bad Kreuznach und Bad Münster. Willi Kuhn, der vor wenigen Jahren aus Norddeutschland an den Rotenfels gezogen ist und der die Situation der Hansestadt aus eigener Anschauung gut kennt, verschlug es angesichts dieses Vergleiches fast die Sprache. Freundlich bat er zunächst um Verständnis (“ich hoffe es ist nicht schlimm, wenn es etwas deutlicher wird”), um sich dann höflich aber bestimmt in der Sache festzulegen:

Internetaufritt wird überarbeitet

“Derartige Vergleiche sind nicht mehr mutig, sondern beliebig”. Um dann nachzuschieben: “Ich wäre sehr froh über mehr strategische Positionierung”. Auch die Ankündigung Borchardts, der Internetauftritt des Verkehrsvereins bzw der Kult werde demnächst überarbeitet, löste bei Willi Kuhn keine reine Freude aus. Er hatte sich im Vorfeld der Ortsbeiratssitzung beide Angebote, die der GuT und die im Stadtteil angesehen und gravierende Unterschiede festgestellt.

Rapp: Doppelstrukturen abbauen

Während die GuT sowohl Veranstaltungen als auch gastronomische Angebote aus dem gesamten Stadtgebiet inklusive BME anbiete, werde auf der Seite des Verkehrsvereins nichts, was die Kernstadt und die anderen vier Stadtteile zu bieten haben, vorgestellt. Sein Fazit: “Das hört sich nicht nach Zusammenarbeit an”. Manfred Rapp (CDU) erinnerte an eine Bestimmung im Zusammenhang mit der Fusion, in der ausdrücklch der Abbau von Dopppelstrukturen verlangt werde. Während sich Borchardt mit konkreten Zahlen zur Zusammensetzung der Übernachtungen schwer tat, lieferte Ortsberatsmitglied Gebhard Benz (FDP) diese im Detail.

Welschbach: “einiges in der Schwebe”

Aufgrund der Erfahrungen in seinem Hotel bestimmte er die Quote der Eigenakquise auf “über 80%”, den Zulauf über das Gastgeberverzeichnis auf “über 15%” und die restlichen Buchungen über GuT mit “drei oder vier im Jahr” und Verkehrsverein mit “etwa 20”. Norbert Welschbach (CDU) gelangte schon recht früh in der Diskussion über Abgrenzung zwischen Kult und Verein zu der Einsicht, “dass da noch einiges in der Schwebe ist und die heutige Information wohl verfrüht”. Stefan Köhl räumte ein, dass “in einigen Monaten Klarheit herrscht. Anfang Januar 2020 kann ich Ihnen sagen, was wie läuft”. Aber weil man “nicht sektiererisch” sein wolle, habe man die von der Ortsvorsteherin Dr. Bettina Mackeprang eingeräumte Möglichkeit zur Vorstellung gern angenommen.

Meinung: wieder eine Chance vertan

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die Tagesordnung war amtlich bekannt gemacht. Wen es interessiert, der hätte es wissen können*. Trotzdem war keine einzige nicht aus dem Stadtteil stammende Kommunalpolitiker*In gestern Abend in Bad Münster anwesend. Dabei ging es um um ein Thema, das alle angeht: Tourismus. Und wie der am besten gefördert werden kann. Im Stadtteil hängen daran Existenzen. In der Kernstadt auch. Um so wichtiger wäre es gewesen sich über die Sichtweisen und Befindlichkeiten vor Ort zu informieren. Und über das Meinungsbild im Ortsbeirat.

Nur CDU-Stadträte anwesend

Und doch war kein einziges Stadtratsmitglied von SPD, Grünen, AfD, FDP, Die Linke, FWG, BüFEP, Progressive, Faire Liste und Freie Wähler vor Ort. Trotzdem werden die irgendwann entscheiden. Allerdings ohne sich auszukennen. Denn sie haben verpasst sich persönlich davon zu überzeugen, wie differenziert die Aspekte des Tourismus im Fremdenverkehrsstadtteil von den dreizehn Ortsbeiratsmitgliedern, der Kult gGmbH und dem Verkehrsverein gesehen werden.

Sachverstand nicht wahrgenommen

Vor allem die drei SPD-Herren Kuhn, Jung und Konopka hatten sich inhaltlich substanziell vorbereitet und stellten eine Vielzahl zielführender, konstruktiver Fragen. Deren Beantwortung könnte allen helfen. Im Stadtteil und in der Kernstadt. Es ist bedauerlich, dass im Kernstadtgebiet der im Stadtteil vorhandene Sachverstand nicht wahrgenommen und nicht als Bereicherung verstanden wird.

Eigentlich unverantwortlich

Schon die schlichte Anwesenheit von Entscheidungsträgern über den Kreis der CDU hin aus (die mit der Ortsvorsteherin Dr. Bettina Mackeprang, dem Fraktionschef Manfred Rapp und Norbert Welschbach gewichtig vertreten war) wäre unter dem Rheingrafenstein als Zeichen der Wahrnehmung und Wertschätzung verstanden worden. Aber es war wieder keiner da. Und so konnte einmal mehr die Informationsbasis nicht verbreitert und das Verständnis nicht vertieft werden. Eigentlich unverantwortlich.

* Auch wenn es wegen der sturen Informationsverweigerungshaltung der Oberbürgermeisterin auf der Stadtseite bad-kreuznach.de weder unter “Stadtteile” noch im “Rats- und Bürgerinformationssystem” die Einladung und die Beschlußvorlagen zu lesen gab.