Kornmarkt versifft: die Hintergründe

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Kornmarkt ist ein wunderbares Beispiel für das, was wir in Bad Kreuznach können. Und gleichzeitig für unsere größten Fehler und Schwächen. Der Plan für den Ausbau: zukunftsweisend. Ein offener, heller Platz. Auf den ersten Blick erkennbar als Zentrum der Innenstadt. Die Baudurchführung wurde an ein seit Jahrzehnten erfolgreiches Bad Kreuznacher Unternehmen vergeben.

Planung und Realisierung top

Die Firma Gerharz realisierte das Projekt, trotz Problemen mit dem Baugrund, schneller als im Zeitplan vorgesehen. Und im Kostenrahmen. Hand in Hand mit einem der Leistungsträger in der Stadtverwaltung. Hans-Georg Sifft vom Grünflächenamt (der ist in Urlaub und hört daher nicht mit^^) koordinierte und improvisierte, damit am Ende alles passte. Um die besten Bäume für das zur Verfügung stehende Geld auszusuchen, fuhr er eigens nach NRW zur Baumschule.

OBin wollte werbewirksame Bilder

Als die gepflanzt wurden spielte auch das Wetter mit. So gab es die ersten Blüten schon in diesem Frühjahr. Und dann wurde deutlich: andere Verantwortungsträger versagen geradezu erbärmlich. Für die Oberbürgermeisterin war allein wichtig, dass es vor der Kommunalwahl noch ein schönes von ihr eröffnetes Fest gab. Eine Einweihung im Sommer wäre auch bei Regenwetter kein Flop geworden. Aber dann hätte es die Bilder und Berichte von ihr und dem Innenminister ja nicht mehr vor dem Wahltermin gegeben.

Kalt und Dauerregen

Aus diesem Grund ließ sie Anfang Mai feiern. Da regnete es nicht nur. Es war auch kalt. Folge: kaum Gäste. Für die Standbetreiber ein Desaster. Und danach? War der OBin der Kornmarkt schnuppe. Selbst die Initative des eigenen Ehemannes, der Anfang Mai öffentlichkeitswirksam eine zusätzliche Absicherung der Treppe zur Roßstrasse zum Schutz für Rollstuhlfahrer*Innen vorschlug, blieb ohne jede Reaktion durch das Kaster-Meurer geführte Bauamt.

Menschen brauchen Hilfe

Wie weit sich die Verwaltung in ihrer Wahrnehmung und im Denken vom normalen Leben entfernt hat, wurde deutlich, als es endlich warm wurde im Städtchen. Die Menschen machen nun das, was von Anfang an beabsichtigt war. Sie nutzen den Platz. Wer schon mal mit Menschen zu tun hatte weiß: die brauchen Hilfe. Auch bei ganz einfachen Dingen. Nicht alle. Aber eben einige. Jedes Jahr müssen am Jahrmarkt Autos abgeschleppt werden, weil diese in Rettungswegen pp geparkt sind.

Anfangs gern im Stundentakt

Tagtäglich zieht die Polizei Führerscheine Besoffener ein. Einen städtischen Platz so nutzen, dass möglichst viele etwas davon haben, ist mit Sicherheit nicht so leicht, wie nüchtern Autofahren. Für genau diese Fälle, also um den Menschen zu helfen sich richtig zu verhalten, bezahlt die Stadtverwaltung einige Mitarbeiter*Innen. Diese arbeiten beim kommunalen Vollzugsdienst (KVD). Ein denkendes Lebewesen mit Lebenserfahrung hätte dafür Sorge getragen, dass die Vollzugskräfte, anfangs gern im Stundentakt, über den Platz laufen und helfen.

Erklärungen für Schwachmaten

Also den Schwachmaten freundlich erklären, dass man auf den Boden gefallenes Eis auch selbst wegmachen darf, Abfälle in Mülleimern zu entsorgen sind, Kippen keine Platzverschönerung darstellen und nicht derjenige der tollste ist, der die größten Rotzflecken auf den Boden spuckt. Weiterhin darauf hinweisen, dass Wasserspender keine Spielgeräte und Kleinkinderwackler nicht zum Frustabbau für Jugendliche gedacht sind, die Sparkassenfassade keine Torwand ist und Bänke zum darauf Sitzen aufgestellt wurden.

Knöllchen als Lernhilfe

Dieses Informationsprogramm hätte dazu geführt, dass Tag für Tag mehr Einwohner*Innen gelernt hätten, was man nicht macht. Bei den schwer Begriffsstutzigen hätte der Vollzugsdienst mit Knöllchen sicherlich den Lernprozeß beschleunigt. Und dann steht ja auch noch die Polizei zur Verfügung. Jedenfalls wenn man der Oberbürgermeisterin glauben darf. Dr. Kaster-Meurer hat vor genau sechs Jahren laut Stadtseite erkärt: “wir als Verwaltung, insbesondere unser Ordnungsamt, arbeiten sehr intensiv und sehr gut mit der Polizei zusammen, damit wir für die Bürgerinnen und Bürger mehr Sicherheit gewährleisten”.

Vollzugsdienst nicht vor Ort

Also wäre ein Informations- und Sicherheitskonzept für den neuen Kornmarkt möglich gewesen. Es wurde einfach verpennt. Weil es Arbeit macht. Weil es bequemer ist nichts zu tun. Fakt ist: in den letzten 14 Tagen unserer Kornmarkt-Recherche war nicht ein einziges Mal ein Team vom KVD oder eine Streife der Polizei vor Ort. Und so konnten einfach Strukturierte und andere Hilfebedürftige Tag für Tag Fehlverhaltensweise einüben.

Auch Hunde im Brunnen?

Jetzt wird es sehr viel schwerer werden, diese zu Veränderungen zu bewegen. Das wird die Spannungen in der Stadtgesellschaft erhöhen. Weil einige nicht tatenlos zusehen können oder wollen, wie städtisches Vermögen geschädigt wird. Wer verantwortungslos handelnde Eltern anspricht, wird schnell als kinderfeindlich kritisiert. Und wenn dann die ersten Hunde im Brunnen baden, weil es ja tierfeindlich wäre, den Tieren bei der Hitze eine Abkühlung zu verweigern, treten Interessenskonflikte auf.

Stadt haftet

Wie diese ausgehen werden, darf aus den einschlägigen aktuellen Diskussionen um Wildtiere im Zirkus geschlußfolgert werden: gegen das Einsperren von Löwen erhebt sich flächendeckend die Empörung. Die in Zirkussen alltägliche Kinderarbeit wird nicht mit einem Wort angesprochen. Immerhin ist klar, wer verantwortlich ist, wenn im Originale-Brunnen etwas passiert. Die Stadt. Denn die derzeitige Nutzung als Kinderplanschbecken ist nicht verboten. Also nicht durch eine städtische Satzung.

Satzung gilt nicht

In der über die “Benutzung der Grünanlagen” sind zwar vielen Stellen Brunnen und was man alles darin nicht darf angesprochen. Aber diese Satzung gilt auf dem Kornmarkt nicht. Ganz davon abgesehen, dass das Regelwerk einzig und allein geschaffen wurde, um die Nachtruhe auf der Kirschsteinanlage effektiver durchsetzen zu können. Wörtlich ist für die Geltungsbereiche der Satzung bestimmt: “Sie sind durch entsprechende Beschilderung gekennzeichnet oder durch gärtnerische Anlegung und Pflege als öffentliche Grünfläche erkennbar”.

U.a. am Fischerplatz unterhalb vom Fischerturm steht ein Schild – am Kornmarkt nicht.

Und Schilder gibts natürlich am Kornmarkt keine. Wenn man mit Verantwortlichen über die faktische Verwendung des Originale-Brunnens als Nichtschwimmerbecken spricht und auf die sich daraus ergebenden Gefahren hinweist, kommt sofort die Antwort: “das war doch früher auch nicht anders und nie ist was passiert”. Wie vieles, was die Stadt macht, ist auch dieser Reflex leider falsch. Der neue, schönere Brunnen bietet viel mehr Platz, als der alte, weil das Becken ungleich grösser ist.

Eigentlich sollten die Bäder in Bosenheim und Bad Münster die Alternative für das geschlossene Freibad im Salinental sein. Tatsächlich ist es der Originale-Brunnen.

Und wegen seiner Gestaltung, die weitgehend auf harte Kanten verzichtet, lädt er zur Nutzung als Wasserspielplatz geradezu ein. Im alten Brunnen konnte man eben nicht Nachlaufen spielen. Jedenfalls nicht mit mehr als einer handvoll Kindern. Der alte Brunnen stand zudem in einer Platzecke. Jetzt ist er, nicht nur aus stadtplanerischer Sicht vorzugswürdig, in die Mitte gerückt. An diesem exponierten Standort ist es ganz leicht die Aufmerksamkeit der erfreulich vielen Passanten und Platzgäste zu erregen.

Die Figuren sind randalegefährdet.

Am Samstag wurde der Redaktion dieser Seite der erste Jugendliche gemeldet, der die Originale bekletterte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das (wie der Sprung von der alten Nahebrücke in den Mühlenteich) zu einer Art “Mutprobe” oder Selbstdarstellungsgehabe wird. Die Figuren sind mit den Betonträgern verdübelt. Es braucht kein Physikstudium um zu erkennen, dass zB die Hebelwirkung beim Schutzmann Wiechert und den anderen hohen Figuren das Herausbrechen aus dem Träger bewirken kann, auch wenn der Kletterer, der sich an ihnen festklammert, nur 50 Kilo wiegt.

Schon am frühen Donnerstagabend fährt der Fisch-Shop auf den Kornmarkt.

Ein weiteres Bad Kreuznacher Problem: leider gilt nicht gleiches Recht für alle. So darf der Fischwagen schon 12 Stunden vor Markteröffnung parken. Das Risiko der Verunreinigung durch heraustropfendes Motoröl wird so verdreifacht. Egal. Es gibt natürlich gute Gründe für die Sonderbehandlung. Die die Stadt allerdings auch auf schriftliche Anfrage nicht mitteilt.

Sokrates oder Sócrates?

“Der Intelligente lernt aus allem und von jedem. Der Normale aus seinen Erfahrungen. Und der Dumme weiß alles besser” formulierte Sokrates schon vor über 2.400 Jahren. Man kann nur hoffen, dass sich in der Stadtverwaltung jene durchsetzen, die Sokrates nicht nur als einen mittelmässig erfolgreichen brasilianischen Fußballer kennen.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

08.07.19 – “Kornmarkt versifft: der Bauhof ist nicht schuld”
05.07.19 – “Stadtverwaltung untätig: der Kornmarkt versifft”