Aufgespiesst: der Unterschied zwischen Entwicklungshilfe und GuT-Tourismusarbeit

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Was ist der Unterschied zwischen der deutschen Entwicklungshilfe und der Tourismusarbeit der GuT? Für die globale Perspektive lautet der Leitsatz: “wir müssen dahin gehen, wo die Not am größten ist”. Lokal ist das bei der GuT genau andersherum. Da kommen die Helfer ausgerechnet aus der Region, die danieder liegt. 14 Mitglieder für den GuT-Aufsichtsrat hat der Stadtrat am vergangenen Donnerstag gewählt.

6 Bad Münsterer für die GuT

Ganze sechs davon leben im Stadtteil Bad Münster. Das sind rund 43% (Einwohneranteil BME in der Gesamtstadt: unter 8%). Dr. Bettina Mackeprang, Birgit Ensminger-Busse und Norbert Welschbach wurden von der CDU nominiert, Willi Kuhn von der SPD, Stefan Köhl von der FDP und Siegrun Schneider von der Fraktion FWG-BüFEP.

Touristische Demarkationslinie

Wie die aktuelle Gästestatistik Januar bis April 2019 im Vergleich mit 2018 belegt, ist die 2014 ausradierte Stadtgrenze nach wie vor eine touristische Demarkationslinie. Östlich davon: steigende Zahlen in allen Bereichen. Westlich das genaue Gegenteil: Die Übernachtungen sind von 58.659 in 2018 auf 42.183 in 2019 eingebrochen (um 28,2%).

Wachstum in der Kerrnstadt

Klar, darin ist ein Teil des Paracelsus-Effektes enthalten. Die Schließung der Klinik, die aber schon Anfang vergangenen Jahres wegen der Insolvenz in 2017 nicht mehr durchgängig voll belegt war, wirkt sich natürlich aus. Aber ein Teil des Minus ist hausgemacht. Denn im Osten weist die Statistik Wachstum aus: ein schönes Plus von 1,9% bei den Übernachtungen, die von 130.107 um über 2.000 auf 132.563 in 2019 gestiegen sind.

Klärung auf breiter Basis

Wer sich vorurteilsfrei auf die Ursachenforschung begibt, wird erstaunliche Entdeckungen und Erkenntnisse machen. Eine ist: wer Investoren sucht, muß denen ein entsprechendes Umfeld und Konzepte bieten. Und vorab auf breiter Basis klären, was vor Ort vermittelbar ist – und was nicht. Wer gibt schon sein Geld aus, wenn er befürchten muß, mit Klagen und Protesten überzogen zu werden?

Touristische Nebelkerzen

Wer zu lange über die Anpassung von Neubauvorhaben an örtliche Wunschvorstellungen spricht, wird am Ende mit maroden Altbauten leben müssen. Auch die Thematisierung von touristischen Nebelkerzen durch den Ortsbeirat oder einzelne Mitglieder ist nicht zielführend. Das hat Energie, Zeit und Glaubwürdigkeit gekostet. Und so die dringend nötigen Umdenkungsprozesse behindert.

Schnapsidee: Brücke ins Huttental

So war es eine Schnapsidee einen Brückenbau ins Huttental ins Gespräch zu bringen, statt die letzte handgezogene Fähre in Süddeutschland als touristisches Alleinstellungsmerkmal hervorzuheben. Und ob Alkohol allein die Wahnvorstellung erklären kann, aus zwei Rostlauben – Entschuldigung, zwei maroden Fähren – eine zusammenschustern, wird von uns bezweifelt.

Hoffnungsträgerin Dr. Mackeprang

Hoffnung macht im ganzen Stadtgebiet vor diesem Hintergrund die Wiederwahl der Bad Münsterer Ortsvorsteherin. Dr. Bettina Mackeprang hat mit einer beispielhaften Geduld und Hartnäckigkeit das Projekt “Neuanschaffung einer Fähre” nunmehr fast zwei Jahre verfolgt. Und es sieht so aus, dass sie es noch in diesem Jahr erfolgreich wird abschliessen können. Trotz diverser Störmaßnahmen aus der Verwaltung.

Inselpolitik in BME

Auch die Integration ins städtische Innenmarketing läßt auf Seiten BME sehr zu wünschen übrig. Während im alten Stadtgebiet massiv für Veranstaltungen in Bad Münster geworben wird und wie beim Lampionfest viele Kernstädter in den Stadtteil kommen, betreibt man dort auch fünf Jahre nach der Eingemeindung eine Art Inselpolitik. Mitten im Ort gibt es zwar einen Wegweiser nach Berlin.

Ähnlich markante Hinweise auf die Kernstadt fehlen. Auf der GuT-Seite werden alle Angebote in Bad Münster beworben. Auf bad-muenster-am-stein.de steht der Hinweis, dass BME ein Stadtteil ist, nur ein einziges Mal. In Zeile sechs. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, als handele es sich um einen selbstständigen Ort (“Kurort an der Nahe”). Und Hinweise auf Angebote in der Kernstadt: Fehlanzeige.

Norheim und Traisen kommen auf den Uralt-Wanderkarten, die im Stadtteil wie Ikonen verehrt und ausgestellt werden, ausführlich vor. Die Kernstadt findet keine Erwähnung.

Mit sechstelligen Beträgen aus dem Gesamthaushalt der Stadt hat die GuT drei zertifizierte Premiumwanderwege angelegt und ausgewiesen. Alle drei im Namen und den Wegstrecken mit deutlichen Bezügen zum Stadtteil: Ebernburg, Rheingrafenstein und Rotenfels. Vor Ort wird noch heute mit Tafeln aus dem vergangenen Jahrhundert geworben. Natürlich ohne jeden Hinweis auf Bad Kreuznach.

Lieber zeigt man im Schaukasten leere Stellen – als Angebote aus der Gesamtstadt. Auf die Idee, dass dieses Unterschlagen von Vielfalt und Möglichkeiten Gäste eher daran hindert sich in BME wohl zu fühlen, kommen die Betriebsblinden im Stadtteil nicht.

Mit Stefan Köhl sitzt nunmehr der Vorsitzende des Verkehrsverein Rheingrafenstein e.V., der seit Jahresanfang als Kultur und Tourismus Rheingrafenstein gGmbH weitergeführt wird, im GuT-Aufsichtsrat. Die praktische Arbeit von Verein und gGmbH sehen wie folgt aus: in den Schaukästen in Bad Münster wird auf Veranstaltungen im Reststadtgebiet nicht hingewiesen.

Obermoschel ist von BME weiter entfernt, als der Mitstadtteil Ippesheim ganz im Osten. Trotzdem wird für Zimmer im anderen Landkreis geworben. Und für die in der eigenen Stadt (ausserhalb BME) nicht.

Es hängen keine Gesamtstadtpläne aus. Und an der Touristik-Information in BME werden zwar Ferienwohnungen in Obermoschel, nicht aber in Bad Kreuznach beworben. In fünf Jahren ist es im Stadtteil erkennbar nicht gelungen die neue Situation anzunehmen. Nicht nur in der Kernstadt fragen sich viele, wann man in Bad Münster endlich auch eigene Fehler wahrnimmt und aus diesen lernt.

Meinung: Rückwärtsorientierung endlich überwinden

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Über die Ostler wird sich im Westen mitunter lustig gemacht. Weil die es schaffen auszublenden, dass sie 40 Jahre ohne Freiheit und Wohlstand ausgebeutet wurden. Und sich jetzt damit trösten, dass es damals ja (fast) allen gleich schlecht ging. In Bad Kreuznach zeigt sich: die Fähigkeit “ewig gestrig” orientiert zu leben, ist nicht tpypisch ostdeutsch.

Festhalten an alten Zöpfen

Auch an der Nahe wird allzugern an alten Zöpfen festgehalten. Da gibt es in Bosenheim einige Trauerklöße, die schon aufgrund des Geburtsdatums erkennbar keinen einzigen Tag als “freier Bosenheimer Erwachsener” gelebt haben. Und doch 50 Jahre nach der Eingemeindung noch immer über von ihnen persönlich gar nicht erlebte angebliche Benachteiligung klagen und jammern.

Kleinkarierte Sichtweise

Und in BME klammern sich einige mental noch immer an die “golde Zeit”, in der pro Kopf ein fünfstelliger Schuldenbetrag angehäuft wurde, weil die von den Steuerzahler*Innen allzu gütmütig zur Verfügung gestellte Mastercard überzogen wurde, bis es krachte. Wenn diese Form der kleinkarierten Sichtweise in einer globalisierten Welt nicht gefährlich wäre, könnte man Schmunzeln.

Innenmarketing

Der neue Stadtrat und der Stadtvorstand müssen hier endlich einen Weg finden, um das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Und den Meckerern und Jammerern die rote Karte zeigen. Es tut ein Konzept für Innenmarketing not. Alt-OB Rolf Ebbeke (t) hatte das in den neunziger Jahren bereits erkannt und angestoßen. Seine Nachfolger ließen es einschlafen.