Gewobau: bis zu 66.000 Euro im Jahr für Personalberatung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Bei den Etatberatungen war das ein massiver Kritikpunkt der ehrenamtlichen Kommunalpolitiker an der hauptamtlichen Verwaltung. Die externen Beratungskosten. Bei der Stadtverwaltung fielen da rund 500.000 Euro verteilt auf mehrere Jahre an. Stichwort Kienbaum. Bei immerhin einigen hundert Mitarbeiter*Innen. Relativ stellt das die Gewobau locker in den Schatten.

Schriftliche Verträge lagen nicht vor

Für nur einen Bruchteil an Festangestellten wurden bis zu 66.000 Euro im Jahr für Personalberatung rausgehauen. Das hat der Landesrechnungshof (LRH) im Rahmen seiner Prüfung aufgedeckt. Und auch bei diesem Punkt die Feststellung: “schriftliche Verträge und konkrete Aufgabenbeschreibungen für die Personalberater lagen nicht vor”.

Aufwand sehr hoch

Der Beratereinsatz erfolgte zuletzt vor allem bei Bewerbungsgesprächen, der Erarbeitung von Stellenanzeigen, einer “Back-Office-Schulung” der Vorzimmerkraft sowie zum Führungskräfte-Coaching eines stellvertretenden Abteilungsleiters. “In Anbetracht von durchschnittlich 17 hauptamtlichen Beschäftigten ist der Aufwand von 7.661 € je Beschäftigtem für Personalberatung sehr hoch (Ohne Fort-und Weiterbildung)” merkt der LRH an.

Permanenter Bedarf nicht erkennbar

Zwar könne “im Einzelfall” der Einsatz eines Personalberaters angezeigt sein. “Ein permanenter Bedarf hierfür war anlässlich der örtlichen Erhebungen nicht erkennbar”. Zudem erforderten beispielsweise das Erarbeiten einer Stellenanzeige (z. B. Assistentenstelle) und das Führen von Bewerbungsgesprächen nicht zwingend externen Sachverstand, meinen die Prüfer. Die auch einen guten Rat zur Belegführung parat haben:

LRH: Verträge schriftlich dokumentieren!

“Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten Verträge mit Personalberatern und deren Aufgabenbeschreibung schriftlich dokumentiert und konkretisiert sein. Erst dies ermöglicht zudem eine ordnungsgemäße Rechnungsprüfung”. Die Gewobau hat dazu eine umfassende Antwort gegeben, die die vielschichtigen Probleme und die sehr eigenwillige Sichtweise der aktuellen Geschäftsführung transparent macht und die wir daher gern umfassend weitergeben.

“Gravierende strukturelle und personelle Themen”

Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen spricht Karl-Heinz Seeger an, was er mit der Übernahme der Geschäftsführungsfunktion im Jahre 2007 vorgefunden haben wil: “gravierende strukturelle und personelle Themen, welche sich in den davor liegenden Jahren begründeten”. Und dann legt Seeger offen, dass der damalige Geschäftsführer Ende 2006 mit fünf Mitarbeitern Altersteilzeit vereinbart habe.

Turbulenzen in der Gewobau

Deren kurz- und mittelfristige Freisetzung sei eine nicht vorausschauende Personalplanung gewesen, da Know-how und wertvolle Erfahrung für das Unternehmen verloren gegangen wären. Zudem hätte diese Entscheidung damals in der GEWOBAU zu Turbulenzen geführt. Kurzfristig hätten neue Mitarbeiter rekrutiert und eingearbeitet werden müssen.

Azubis schlossen Lücken

Es seien Auszubildende für das Berufsbild “Immobilienkaufmann/-kauffrau” eingestellt worden, um laufende Projekte bearbeiten und entstandene Lücken schließen zu können. Kein Mitarbeiter im Unternehmen habe zu diesem Zeitpunkt diesem Berufsbild entsprochen. Gleichzeitig seien die jungen Mitarbeiter zu integrieren gewesen. Zudem habe ein leitender Angestellter die GEWOBAU verlassen.

Nicht von den Mitarbeitern zu bewältigen

Personalbedarfsplanung (Stellenbeschreibung, Anforderungsprofile, Nachfolgemanagement), Personalgewinnung und Personalentwicklung hätten zusätzlich zum Kerngeschäft bewältigt werden müssen. Die inhaltliche Bewältigung setze juristische und personalwirtschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, die aus zeitlichen Gründen nicht von den Mitarbeitern bewältigt werden können.

Transformation seit 2007

Zumal die GEWOBAU über keine eigene Personalabteilung oder Personalentwicklung verfüge. Dass man zusätzlich Personalberater für schwierige Themen hinzuzieht, verstehe sich bei dieser Unternehmensgröße und bei dieser Historie von selbst. Seit 2007 erfolge eine Transformation (Unternehmensstruktur und Unternehmenskultur) von einer “Verwaltung” zu einem erfolgreichen, modernen Service-Unternehmen, einhergehend mit veränderten Schwerpunkten und anderer strategischer Ausrichtung.

Organisationspsychologie

Für die neue Kultur sei eine aktive Gestaltung durch die Mitarbeiter und Führungskräfte wichtig. Instrumente moderner Personal- und Unternehmensführung seien erarbeitet worden. Diese Veränderungsprozesse seien von externen Beratern begleitet worden, da diese über das erforderliche Fachwissen zu den Themen der Arbeits- und Organisationspsychologie verfügten.

Bewerbergespräche erfordern Kenntnisse

Diese professionelle Beratung und Unterstützung (Workshop, Coaching, Supervision) sei durchaus üblich. Anforderungsprofile und Stellenbeschreibungen (einschließlich Befugnisse und Verantwortlichkeiten) seien klar geregelt worden und dienten auch für die Vorbereitung und Durchführung von Bewerbergesprächen. Die strukturierte Analyse der Bewerberunterlagen und Durchführung von Bewerbergesprächen (Interviews) erfordere Kenntnisse.

Keine eigene Personalabteilung

Dies könne nicht einfach von den Mitarbeitern und Führungskräften “nebenbei” erledigt werden, da die GEWOBAU über keine eigene Personalabteilung verfüge. Deshalb sei die Unterstützung in der Vorbereitung und Durchführung dieser Gespräche eine wichtige Beraterleistung. Auch die Führungsinstrumente hätten ohne den fachlichen Support der Berater nicht so professionell implementiert werden können.

Im Ausnahmefall erhöhter finanzieller Aufwand

Durch diese wortreiche Argumentation hat sich der Rechnungshof nicht einlullen lassen. Großzügig stellen die Prüfer zunächst fest: “Unternehmensspezifisch kann damit im Ausnahmefall ein vorübergehend erhöhter finanzieller Aufwand verbunden sein”. Um dann den Spieß umzudrehen. Die Geschäftsführung stelle ausführlich eine erfolgreiche Transformation von Prozessen und Implementierung von Führungsinstrumenten dar.

Angeeignetes Know-how

“Vor diesem Hinergrund ist davon auszugehen, dass der Bedarf für eine Personalberatung im bisherigen Umfang nicht mehr erforderlich ist”. Pfiffig fahren die Prüfer fort: “Zumal durch die seit 2007 andauernden Beratungen bei den Mitarbeitern und Führungskräften bei der kleinen Gesellschaft zwischenzeitlich von zusätzlicher Erfahrung und angeeignetem Know-how ausgegangen werden kann”.

“Bewerberverfahren autark durchführen”

So dürften insbesondere aufgrund vorliegenden Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen Bewerberverfahren für Stellen der mittleren Führungsebene und Sachbearbeitung autark durchgeführt werden können. Für Unternehmen der Gewobau-Größenordnung bestehe kein Bedarf für eine eigenständige Personalabteilung. Und der Landesrechnungshof bringt eine ganz neue Variante der Personalwirtschaft ins Spiel:

Personalverwaltung durch die Stadt?

“Bei vergleichbaren Gesellschaften sind Hilfestellungen der kommunalen Gesellschafter und gegebenenfalls die vertragliche Übernahme aller wesentlichen Aufgaben (z. B. Personalverwaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung) durchaus üblich”. Eine derartige Konstellation sei auch für die GEWOBAU denkbar. Nicht überraschend daher der Inhalt der Prüfungsfeststellung 63: “Die GEWOBAU sollte den zukünftigen Einsatz von Personalberatern überprüfen. Aufwandsminderungen sind möglich. Vereinbarungen sind schriftlich zu konkretisieren”.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

02.05.19 – “Hat die Gewobau gegen europäisches Recht verstoßen?”
01.05.19 – “Meinung: am Thema Gewobau werden wir noch lange Freude haben”
29.04.19 – “Seeger kocht über: “Sie sind ein Schmierfink”
28.04.19 – “Gewobau jetzt auch Thema beim Strassenwahlkampf”
26.04.19 – “Gewobau: zukünftig keine Minusstunden mehr zum Jahreswechsel”
25.04.19 – “Zimmerlin thematisiert Regress gegen Ex-Geschäftsführer der Gewobau”
25.04.19 – “Die Gewobau sucht ein Leck – wieder einmal”
24.04.19 – “Aufgespiesst: Gewobau lädt “an einem Freitagabend” für Donnerstagnachmittag ein”
20.04.19 – “Ausreißer kostet die Gewobau 5.000 Euro”
19.04.19 – “Gewobau: CDU und Grüne unterstützen Aufklärungsantrag von BüFEP/Faire Liste”
19.04.19 – “Aufgespiesst: biologische Gefahr für die Gewobau?”
18.04.19 – “Seeger belastet Dr. Kaster-Meurer”
18.04.19 – “Prüfungbericht Gewobau: auf Schwärzung folgt Weißung”
18.04.19 – “Meinung: der Fall Seeger – beim Versuch weißzuwaschen angeschwärzt”
17.04.19 – “Gewobau zahlte 8.000 Euro für Seegers Geschäftsführerberatung”
16.04.19 – “Gewobau-Barkasse: unterversichert, ungeprüft und ohne Kassensturzfähigkeit”
16.04.19 – “Meinung: Datenschutz mißbraucht als Deckmantel für Rechtsbrüche und Täuschung”
15.04.19 – “Landesrechnungshof: Gewobau-E-Bikes nutzen oder abschaffen”
15.04.19 – “Meinung: einen fetten SUV fahren und Klimaschutz predigen?”
14.04.19 – “Ersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer sind unverzüglich zu prüfen”
13.04.19 – “Geschwärzt um zu vertuschen”
12.04.19 – “Landesrechnungshof: Gewobau zahlte 7.100 Euro für Oktoberfestbesuch”
11.04.19 – “Dr. Kaster-Meurer weiß spätestens seit dem 21. November 2016 bescheid”
10.04.19 – “Offener Rechtsbruch: Oberbürgermeisterin verweigert Antrag für Stadtratssitzung”
12.02.19 – “Dr. Kaster-Meurer lenkt ein und gibt Gewobau-Prüfbericht an Zimmerlin”
11.02.19 – “Kreistagsmitglieder informiert euch über die Gewobau!”
04.02.19 – “Meinung: Glaubt die OBin damit durchkommen zu können?”
02.02.19 – “Zimmerlin macht Druck wegen dem Prüfbericht des Landesrechnungshofes”
01.02.19 – “Koblenzer Richter blocken Gewobau ab”
31.01.19 – “Verwaltungsgericht verurteilt Dr. Kaster-Meurer”
28.01.19 – “Jetzt fordert Zimmerlin den Gewobau-Prüfbericht von der Landrätin”
23.01.19 – “Hat die OBin Einnahmen aus Nebentätigkeiten erhalten und abgeführt?”
16.01.19 – “Zimmerlin wird gegen Kaster-Meurer gewinnen”
17.07.18 – “Die OBin verweigert Transparenz”