Hat die Gewobau gegen europäisches Recht verstoßen?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Der Landesrechungshof (LRH) meint: ja. Und zwar beim Abschluß der Gebäudeversicherungen. Für die zahlte die Gewobau in 2015 insgesamt 137.000 Euro. Die zugrundeliegenden Verträge wurden zum 1. Januar 2013 neu abgeschlossen. Nach Einschätzung des LRH ist die Gewobau “öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 99 Satz 1 Nr. 2 GWB”.

Prüfer zitieren Verordnung …

Daher müssten Versicherungsleistungen, deren Auftragswert den Schwellenwert von derzeit 209.000 Euro übersteigt, im offenen Verfahren vergeben werden. Die Prüfer beziehen sich dabei auf die eine Verordnung der Europäischen Kommission (Nr. 2015/2170 vom 24.11.2015). Der Schwellenwert habe bei Vertragsbeginn 200.000 Euro betragen.

… und fordern Auschreibung

Für Jahresverträge mit automatischer Verlängerungsklausel werde der Schwellenwert berechnet, indem der zu erwartende Jahres-Nettobeitrag ohne Versicherungssteuer mit der fiktiven Laufzeit von vier Jahren mulitipliziert werde (vgl. § 3 Abs. 1 und 11 Vergabeverordnung; VgV). Feststellung des LRH: “Er wurde aufgrund des durchschnittlichen Prämienaufwands bereits mit zwei Jahresprämien (zusammen etwa 230.000 Euro) überschritten. Dies löste die Pflicht zur Ausschreibung aus”.

Gewobau lehnt das ab

Erwartungsgemäß weiß die Geschäftsführung der Gewobau das besser. Nach deren Rechtsauffassung müsse es sich bei den ausschreibungspflichtigen Schwellenwerten immer um Dienstleistungen bezogen auf ein klar definiertes Objekt handeln. Vor diesem Hintergrund werde der Schwellenwert bei keinem einzigen bestehenden Versicherungsvertrag überschritten.

Kein Rahmenvertrag

Es bestehe für jedes einzelne Objekt ein rechtlich selbstständiger Versicherungsvertrag, insbesondere bestehe kein Rahmenvertrag. Hierzu gelte es auch die Stellungnahme des Versicherungsmaklers zu beachten. Auch der Behauptung des Rechnungshofs, die Gewobau sei ein öffentlicher Auftraggeber, werde im Übrigen nicht belegt oder begründet. Die Gewobau selbst gehe nicht davon aus, öffentlicher Auftraggeber zu sein.

Urteil stützt Position des LRH

Diese Verteidigungsposition zerlegt der LRH gleich mit mehreren Argumenten. So seien mehrheitlich kommunale Wohnungsbaugesellschaften in Privatrechtsform nach herrschender Meinung sehr wohl öffentliche Auftraggeber. Die Prüfer zitieren dazu die Rechtsauffassung des OLG Brandenburg und diverse Vergabekammern. “Die Gewobau hat daher europäische Vergaberecht zu beachten”.

Angebot für alles zusammen

Der Versicherungsschutz sichere für sämtliche Objekte identische Risiken ab (Sturm, Hagel, Feuer, Leitungswasserschaden, Elementarereignisse, am Gebäude angebrachte Gegenstände). Zudem gehe der Bedingungs- und Prämienvergleich des Maklers vom 2.11.2012 von 1.949 Wohn- und Gewerbeeinheiten sowie 342 Garagen von einer Jahresprämie aus: “Versicherungsvergleiche für die jeweils versicherten Einzelobjekte liegen nicht vor”.

Nur eine einzige Prämienrechnung

Weiterhin werde für alle Gebäude wird eine einzige Prämienrechnung erstellt. Schließlich seien die Vertragsparteien, Vertragsinhalte, Konditionen, Laufzeiten bei allen versicherten Gebäuden und demnach in 2016 bei mehr als 124 Versicherungsscheinen bis auf die Objektbezeichnung identisch.

Zweifel an Wirtschaftlichkeit

“Selbst wenn, die vorstehenden Punkte außer Acht lassend, von rechtlich selbständigen Verträgen ausgegangen werden muss, erschließt sich nicht die Sinnhaftigkeit dieser Vorgehensweise. Es bestehen Zweifel, inwieweit die Versicherungsaufgaben optimal und wirtschaftlich wahrgenommen werden”. Zwar lägen die Auftragswerte für die Gebäude im Einzelfall unter den Schwellenwerten.

Umgehungsverbot

Aber § 3 Abs. 2 VgV verbiete den Auftragswert einer funktional zusammenhängenden Leistung so aufzuteilen, dass der Gesamtauftrag der Anwendung des europäischen Vergaberechts entzogen wird (Umgehungsverbot): “Ein Gesamtauftrag liegt vor, wenn Leistungen unter anderem in funktionaler, technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht einen einheitlichen Charakter aufweisen. Dies ist vorliegend bei der Wohngebäudeversicherung gegeben”.

“Risiken für den Bestand”

Daraus schlußfolgert der LRH: “Aufgrund der Vergabe von Leistungen ohne Ausschreibung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Abschluss des Versicherungsvertrags unwirtschaftlich war. Darüber hinaus birgt eine solche Vergabe im Falle eines Nachprüfungsverfahrens Risiken für den Bestand des Vertrags (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB)”. Die Prüfungsfeststellung 57 lautet daher nicht überraschend:

LRH: Vertrag kündigen

“Der Vertrag sollte zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt und die Versicherungsleistungen im offenen Verfahren ausgeschrieben werden”. Weiterhin fand der Rechnungshoh heraus, dass die Gewobau bereits 2004 eine Düsseldorfer Assekuranzvermittlung mit der Wahrnehmung der Versicherungsangelegenheiten der Gesellschaft betraute.

Gewobau mußte erst nachfragen

Unangenehm aufgestoßen ist dem LRH, dass “nahezu alle Auskünfte im Zusammenhang mit den Versicherungen erst nach Rückfrage bei dem beauftragten Unternehmen erteilt werden konnten. Bis zuletzt war vor allem die Vorlage von vertraglich vorgesehenen Angebotsvergleichen bezüglich beabsichtigter und bestehender Versicherungen sowie der betreffenden Beratungsprotokolle nicht möglich”.

“Entscheidungshilfe”

Die Gewobau-Geschäftsführung verteidigt das mit dem Hinweis, “selbstverständlich erhalte die GEWOBAU von ihrem Makler eine Entscheidungshilfe. Nachdem die Gebäudeversicherungsschäden in 2012 zugenommen hätten, beabsichtigte die frühere Versicherung Selbstbeteiligungen bei Schäden. Hierauf sei der Assekuranzmakler tätig geworden und habe neu ausgeschrieben.

Ledglich 2 Unternehmen verglichen

Zudem sei die Entscheidungshilfe dem Landesrechnungshof bereits zur Verfügung gestellt worden. Das kontert der LRH mit folgender Feststellung: “Anlässlich der örtlichen Erhebungen wurde lediglich der Bedingungs- und Prämienvergleich des Maklers für die Gebäudeversicherung ab 1. Januar 2013 übergeben. Dies ist als alleinige Entscheidungshilfe unzureichend, da ausschließlich zwei Unternehmen verglichen werden.

Maklerempfehlungen nicht belegt

Eine Übersicht der Angebote und Konditionen aller angefragten Versicherer konnte die GEWOBAU nicht vorgelegen. Es sei denn, die vom Makler durchgeführte “Ausschreibung” beinhaltete lediglich diese beiden aufgeführten Unternehmen. Darüber hinaus konnten auch sonstige Maklerempfehlungen zu den übrigen Versicherungen, welche teilweise bereits 2005 abgeschlossen wurden, nicht belegt werden.

Beratungsprotokolle fehlten

“Zudem war der Gewobau die Vorlage der vertraglich vereinbarten Beratungsprotokolle bislang in keinem Fall – trotz wiederholter Nachfragen – möglich”. Die Mitwirkung von externen Beratern sei – insbesondere bei komplexeren Versicherungsangelegenheiten – grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Abhängigkeit vermeiden

Dennoch sollte auch bei einer weitgehenden Übertragung der Verwaltung von Versicherungsleistungen sichergestellt werden, dass die Gewobau nicht ausschließlich von den Dienstleistungen des Auftragnehmers abhängig ist. Dies gilt insbesondere bei der Prüfung von Vergleichsangeboten einschließlich der hierfür erforderlichen transparenten Angebots- und Beratungsdokumentation.