“Offener Rechtsbruch”: Oberbürgermeisterin verweigert Antrag für Stadtratssitzung

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

In § 33, Absatz 3 der Gemeindeordnung (GemO) ist es klipp und klar geregelt: “eine Fraktion kann in allen Angelegenheiten der Gemeinde und ihrer Verwaltung verlangen, daß der Bürgermeister den Gemeinderat unterrichtet”. Über diese gesetzliche Bestimmung hat sich Dr. Heike Kaster-Meurer am Montag hinweggesetzt.

Keine Antwort auf Anfrage

Obwohl die aus Peter Steinbrecher (Faire Liste) und Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) bestehende Fraktion einen Antrag fristgerecht eingereicht hat, nahm sie den nicht auf die Tagesordnung für die Stadtratssitzung am 18. April. Für Zimmerlin ein “offener Rechtsbruch”. Gern würden wir die amtliche Begründung der OBin für Ihre Vorgehensweise hier veröffentlichen. Aber wie so oft wurde unsere Anfrage nicht beantwortet.

“Schutzwürdige Interessen”

Im Hauptausschuß, der für die Festlegung der Tagesordnung nach dem Gesetz gar nicht zuständig ist (und wenn er es wäre sich nicht nichtöffentlich damit verstecken dürfte, sondern in öffentlicher Sitzung Farbe bekennen müßte), blieb Dr. Kaster-Meurer laut Sitzungsteilnehmern vage. Sie behauptete erst “sie wissen doch warum” und führte dann sinngemäß aus, dass “schutzwürdige Interessen” betroffen seien.

Geheimhaltung

Welche Interessen und welche Betroffene sie damit meinte, führte sie nicht aus. Die Vorgabe der Gemeindeordnung dazu lautet: “Absatz 1 Satz 2 sowie die Absätze 3 und 4 gelten nicht, wenn und soweit für die Vorgänge eine Geheimhaltung besonders vorgeschrieben ist oder überwiegende schutzwürdige Interessen Betroffener entgegenstehen”.

Prüfbericht des Landesrechnungshofes

Vorgeschriebene Geheimhaltung beträfe etwa die Landesverteidigung. Oder den Staatsschutz. Davon kann bezogen auf den Antrag nicht die Rede sein. Dessen Gegenstand ist die städtische Gewobau GmbH. Es geht um den Prüfbericht des Landesrechnungshofes (LRH) zu deren Arbeit ab dem Jahr 2011. Das amtliche Aktenzeichen ist 3-P-7061-32-1/2016.

Keinerlei Vorwürfe an den Rechtsanwalt

In den zitierten Textstellen wird lediglich eine Rechtsanwaltkanzlei namentlich benannt. Da einer der namensgebenden Rechtsanwälte, Dr. Helmut Martin, Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtages, mithin eine Person des öffentlichen Lebens ist und ihm keinerlei Vorwürfe vom LRH oder den Antragstellern gemacht werden, ist dessen Namensnennung sowohl zivil- als auch öffentlich-rechtlich zulässig.

Neffe, nicht Vetter

In einem konkret vom LRH benannten Fall wird lediglich das Verwandschaftsverhältnis eines Studenten, den die Gewobau als Praktikanten beschäftigt hatte und der mehr Geld dafür bekam, als andere Praktikanten, zum Geschäftsführer bezeichnet, ohne dies als “Vetternwirtschaft” oder ähnlich zu bewerten. Das Verwandschaftsverhältnis wird vom LRH als “Neffe” angegeben. Eine Identifizierung dieser Person durch Aussenstehende ist daher ausgeschlossen.

Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger

Es gibt in dem ganzen Antrag, der zu über 90% aus Zitaten aus dem Bericht des Landesrechnungshofes vom 21. November 2017 besteht, nur eine einzige Person, deren Verhalten vom Landesrechnungshof konkret kritisch hinterfragt wird: Geschäftsführer Karl-Heinz Seeger. Der stellt sich in der Gewobau-Mieterzeitung, auf der Gewobau-Internetseite, in Presseerklärungen und -gesprächen und in vielfältigen öffentlichen Veranstaltungen selbst vor Kameras und Stenoblöcke von Redakteuren.

“Transparenzpflichtige Stelle”

Auch er ist durch das öffentliche Amt (Geschäftsführer einer laut Prof. Dr. Kugelmann “transparenzpflichtigen Stelle”) eine Person des öffentlichen Lebens. Die Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichtes ist da ganz unzweideutig. Wer es weniger juristisch und mehr literarisch mag, kann sich an Freifrau Marie von Ebner-Eschenbach orientieren: “Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern”.

“Berufliches Verhalten hinterfragen”

Unzulässig könnte möglicherweise sein, wenn privates Verhalten eines Geschäftsführers einer städtischen GmbH, also bestimmte persönliche Vorlieben oder Schicksalsschläge, in einem kommunalen Gremium öffentlich diskutiert würden. Aber ohne jeden Zweifel ist es zulässig, unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten sogar nötig, berufliches Verhalten des Geschäftsführers einer städtischen Gesellschaft zu hinterfragen.

“Öffentliche Auslegung nicht erforderlich”

Gern überlassen wir die Antwort auf die Frage, ob es der Antrag von Peter Steinbrecher (Faire Liste) und Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) wert ist, in einer Sitzung des Rates der Stadt behandelt zu werden, den geschätzten Leser*Innen. Wenn sich kein Mensch dafür interessiert, hat vielleicht doch Jörg Berres recht. Der Präsident des LRH schrieb am 11. Dezember 2017 an die Gewobau: “Eine öffentliche Auslegung der Prüfungmitteilungen … ist nicht erforderlich”. Schau’n mer mal was die Öffentlichkeit dazu sagt …

Im Wortlaut:

“Antrag für den Stadtrat am 18.04.2019, Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der GEWOBAU durch den Rechnungshof Rheinland-Pfalz (LRH)

Der Stadtrat beschließt: Die Oberbürgermeisterin wird gebeten, eine unabhängige und sachverständige Beurteilung zu den nachfolgenden Feststellungen des LRH zu veranlassen und dem Stadtrat vorzulegen. In der Beurteilung ist zu der Frage Stellung zu nehmen, inwieweit die einzelnen Feststellungen des LRH zutreffend sind oder nicht; dabei sind insbesondere die jeweiligen wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte und Schlussfolgerungen zu beleuchten.

1) „Der Geschäftsführer veranlasste nachweislich selbst zweimal die Abgeltung von eigenem Erholungsurlaub. Zum Januar 2014 (23 Tage aus 2013) und zum Oktober 2016 (30 Tage aus 2015) wurden insgesamt brutto 22.300 € abgegolten. … Begründungen für die Zahlbarmachungen waren weder in der Personalakte dokumentiert noch konkludent ersichtlich. Zustimmungen oder Genehmigungen des Aufsichtsrates lagen nicht vor.“

2) „Studenten wurde grundsätzlich ein Monatsentgelt von 300 € bis 550 € gezahlt. Hiervon abweichend erhielt der Neffe des Geschäftsführers als Student für sein Praktikum 687 € bar ausgezahlt. … Unternehmensinterne Regelungen zur Vergütung von Praktikanten bestanden nicht. Deren Höhe wurde durch den Geschäftsführer jeweils individuell festgelegt.“

3) „Darüber hinaus unterstützte die GEWOBAU den Betrieb des Cafés unter anderem durch den Kauf von mehr als 210 Frühstücksgutscheinen (4. 600 €), den Kauf von Präsenten (8.600 €) und das Abhalten von Aufsichtsratssitzungen im Café (2.800 €). … Ein Beleg für das Erfordernis der Pachtminderungen und sonstigen monetären Unterstützungen konnte bis zum Abschluss der örtlichen Erhebungen nicht vor gelegt werden (z.B. …).“

4) „Einzelne Firmen erhielten im Zeitraum 2011 bis 2015 Gesamtaufträge von 79.870 € bis 647.830 €, … Vergleichsangebote und schriftliche Leistungsbeschreibungen lagen den Aufträgen stets nicht zugrunde. … Insbesondere durch die unzureichende Auftragsbeschreibungen sind in der Folge die gestellten Rechnungen nicht prüffähig.“

5) „Aufgrund von mindestens vier Unfällen und sonstigen Schadereignissen wendete die GEWOBAU allein in den Jahren 2013 bis 2015 für Wertminderungen, Reparaturkosten und Selbstbeteiligungen mindestens 9.800 € auf. Den Schadensmeldungen lag stets ein (Mit-)Verschulden des Fahrzeugführers zugrunde. Geschäftsführer haften der Gesellschaft gemäß § 43 GmbHG bei Verstößen gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten. Hierzu zählen auch selbstverschuldete Schäden an einem von ihnen geführten Dienstwagen. … Ersatzansprüche gegenüber dem Geschäftsführer sind unverzüglich zu prüfen.“

6) „Im Prüfungszeitraum wurden für den – teilweise zeitlich parallelen – Einsatz von drei Personalberatungsunternehmen in der Gesellschaft insgesamt 130.243 € (brutto) verausgabt. Der jährliche Aufwand betrug bis zu 66.000 €. Schriftliche Verträge und konkrete Aufgabenbeschreibungen für die Personalberater lagen nicht vor.“

7) „2011 bis 2016 betrugen die Aufwendungen für Rechtsberatung etwa 438.000 €, jährlich zuletzt 129.695 €. Mit Rechtsberatungen wurde in den letzten Jahren fast ausschließlich die Rechtsanwaltskanzlei …, Bad Kreuznach, beauftragt (2016: 115.275 €) . … Selbst größere Wohnungsbaugesellschaften hatten deutlich geringeren Aufwand für allgemeine Anwaltsberatungen.“

8) „Darüber hinaus bestand sehr oft kein Erfordernis für eine anwaltliche Rechtsberatung. Beispiele:
– Der Geschäftsführer informierte sich anlässlich der Prüfung des Rechnungshofs kostenpflichtig unter anderem über dessen Prüfungsrechte und Befugnisse. Bis zum Abschluss der örtlichen Erhebungen berechnete die Anwaltskanzlei mindestens 12.500 €. Die Prüfungsbefugnisse sind gesetzlich und durch § 15a Gesellschaftsvertrag der GEWOBAU gesichert. … Zudem bestand die Möglichkeit die Beteiligungsverwaltung oder das Rechtsamt des Mehrheitsgesellschafters hiermit unentgeltlich zu befassen.
– Es ist bedenklich, dass die GEWOBAU zur Begründung des Beratungsaufwands die Anwaltskanzlei mit einer entsprechenden Prüfung betraut, welche zuletzt wesentliche Beratungsaufträge erhielt. …
– Die kommunalrechtliche Vertretung der Stadt Bad Kreuznach in der Gesellschafterversammlung war Gegenstand einer Beauftragung (Aufwand: 6.750 €).“

9) „Äußerung der Geschäftsführung:
… Zudem gehe die Rechtsberatung auf Äußerungen des Rechnungshofs zurück. Dies beträfe insbesondere die Aufforderung, Regressansprüche gegen die ehemaligen Geschäftsführer zu prüfen.“

10) „Aus Sicht des Rechnungshofs muss die GEWOBAU sehr wohl – ohne Inanspruchnahme der beauftragten Anwaltskanzleien – insbesondere Auftragsdaten, Gegenstände der Mandatierungen sowie die Notwendigkeiten einer anwaltlichen Beratung in allen Einzelfällen darlegen können. Befremdlich ist, wenn Auftragnehmer derartige Nachweise für den Auftraggeber erbringen und hierfür gegebenenfalls Folgeaufträge getätigt werden müssen.“

11) „Im Rahmen der Stellungnahme vom 15. August 2017 hat die Geschäftsführung unter anderem verdeutlicht, dass Rechtsaufwendungen von mehr als 50.000 € (netto) durch Versäumnisse der Hauptgesellschafterin in Zusammenhang mit dem anhängigen Normenkontrollverfahren verursacht wurden. Offen bleibt, ob daraus gegebenenfalls erwachsende Ersatzansprüche geprüft und geltend gemacht wurden. Für fehlerhaftes Verwaltungshandeln von kommunalen Vertretern und Mitarbeitern besteht bei Kommunen und kommunalen Unternehmen regelmäßig Versicherungsschutz (z.B. Eigenschadenversicherung). Die Geschäftsführung sollte Erstattungsansprüche auf grund der von ihr dargestellten
Versäumnisse prüfen und über das Prüfergebnis berichten.“

12) „Die Anwaltskanzlei wurde durch den Geschäftsführer auch in Geschäftsführerangelegenheiten beauftragt. Konkrete
Ermächtigungen der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats zur Auftragsvergabe und zum Führen der Korrespondenz waren bisher nicht ersichtlich. Folgende anwaltliche Tätigkeiten wurden beispielsweise in diesem Zusammenhang mit der GEWOBAU abgerechnet:

Mai 2015
– Recherche zur Vertrags- und Rechtslage wegen Geschäftsführerbestellung,
– Entwurf einer Stellungnahme zur nächsten 5-jährigen Bestellung, …

Februar 2016
– Prüfung des Verhältnisses von Kommunalrecht zu Gesellschaftsrecht bei der Bestellung des Geschäftsführers einer GmbH einschließlich Stellungnahme. …

In der Folgezeit wurden insbesondere nachstehende Anwaltstätigkeiten den Geschäftsführer betreffend der GEWOBAU in Rechnung gestellt:

Dezember 2016
– Rechtsprüfung zur Urlaubsabgeltung bei Geschäftsführern,
– Mehrfach überarbeitete und ausführliche Stellungnahme zur Sach- und Rechtslage an den Geschäftsführer, …

Januar 2017
– Prüfung der Unterlagen zur Kfz-Regelung, …
– Prüfung zu Haftungsfragen bei Dienstwagenüberlassung, …

Insgesamt betrugen die Anwaltskosten für rechtliche Aspekte der aktuellen Geschäftsführerstellung bislang überschlägig 8.000 €. Gegen die Vorgehensweise bestehen rechtliche Bedenken. … Demnach ist ein Geschäftsführer aufgrund unstreitig bestehender Interessenkonflikte nicht berechtigt, Sachverständige mit der Prüfung in eigenen Angelegenheiten zu beauftragen und darüber hinaus die – in der Regel nicht ausreichend dokumentierte
– Korrespondenz zu führen. Hiervon unabhängig kann ein Geschäftsführer als betroffene natürliche Person, ihn betreffende Rechtsfragen auf eigene Rechnung durch Anwälte überprüfen lassen. … Abhängig vom Prüfungsergebnis sind gegebenenfalls Erstattungsansprüche gegenüber dem Geschäftsführer geltend zu machen”.

Wilhelm Zimmerlin, stellv. Fraktionsvorsitzender und 1. Vorsitzender Bündnis für soziale Energiepreise und gerechte Politik e.V. (BüFEP)”