Zwei Stunden für 140 Millionen Euro

Im Bad Kreuznacher Stadtrat ist einiges anders als anderenorts. Das fängt schon damit an, das nur noch in einer anderen rheinland-pfälzischen Stadt 2014 zehn Parteien und Listen gewählt wurden. Heute sind es immer noch 10. Aber die Namen und Zusammensetzungen haben sich in einigen Fällen geändert. Bei den Etatberatungen führt das zu einem kuriosen Erscheinungsbild. Zu erwarten waren bei 10 Gruppen, dem Kämmerer und der Verwaltungschefin 12 Haushaltsreden.

Acht Etatreden

Gehalten wurden nur 8. Erklärung: die unter dem Ticket der AfD gewählten Mutter und Tochter Schneider, die die Parteilose Fraktion bilden, hatten sich krankgemeldet. FDP und Linke, die mit je zwei Sitzen in den Stadtrat gewählt wurden, haben durch Austritte je ein Mitglied und damit den Fraktionsstatus verloren und somit kein Rederecht. Und die als Einzelkämpfer in den Rat gewählten Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) und Peter Steinbrecher (Faire Liste) haben sich zusammengeschlossen.

“Selbst die Ansätze derart reduziert”

Die Oberbürgermeisterin eröffnet die Rede-Runde. Sie erinnerte an den Beginn der Konsolidierungspolitik im Jahr 2012. Und daran, dass der Stadtrat damals per Beschluß eine Sanierung der Kunstrasenplätze bis 2027 ausgeschlossen hatte. Dr. Kaster-Meurer stellte sich selbst als Sparbrötchen hin und nahm für sich in Anspruch “selbst die Ansätze derart reduziert” zu haben, um die Konsolidierungziele erreichen zu können. Und stellte dann fest: “Heute, wenige Monate vor der Kommunalwahl, gehört der Wille zur Konsolidierung der Vergangenheit an”.

“Wir sind Menschen und keine Roboter”

Um dann zu kritisieren, dass “eine Mehrheit im Finanzaausschuß” den Personaletat um 1,5 Millionen Euro gekürzt habe, obwohl die Verwaltung selbst diesen Betrag schon intern gestrichen hatte. Ihre Konsequenz: “daher müssen wir uns schon im Frühsommer um einen Nachtragsetat kümmern”. Der Kämmerer war in seinem Beitrag erkennbar bemüht, die bei den Etatberatungen teilweise hochgeschlagenen Wellen zu beruhigen. Wolfgang Heinrich bezeichnete die Haushaltsführung seit 2012 als “eigentlich sehr erfolgreich” und lobte den 2019 ausgewiesenen Überschuß von rund 1,6 Millionen Euro. Im Finanzausschuß seinen “harte Worte gefallen”, das sei aber normal, “weil wir Menschen sind und keine Roboter”.

Ausnahmsweise Neuverschuldung

Er dankte allen,”die die drei Tage mitgearbeitet und gekämpft haben”. Die Erfolgsstory hätten alle mitgeschrieben. Der Bürgermeister rief dazu auf, “nicht immer nur das Negative zu sehen, sich aber auch nicht selbst zu beweihräuchern”. Im Saldo habe Bad Kreuznach durch eine erhebliche Entschuldung in den vergangenen sechs Jahren etas geleistet, “das nicht jede Stadt vorweisen kann”. Heinrich zeigte sich überzeugt, dass “Menschen unsere Stadt attraktiv finden, weil es hier schön ist und weil wir was tun”. Die für 2019 geplante Neuverschuldung von über 3 Millionen Euro “kann man ausnahmsweise mal machen, wenn man danach wieder spart”.

Konservativ im Sinne Adenauers

Als erster Redner aus dem Stadtrat erhielt Dr. Herbert Drumm das Wort. Der frühere CDU-Kreisvorsitzende war 2014 für die Bürgerliste gewählt worden und hatte sich später Stephanie Engelsmann von der CDU geschnappt und mit ihr die Freie Fraktion gegründet. Zum Beginn seiner Etatrede teilte er eine weitere Mutation mit: man habe sich zu “Freien Wählern” umbenannt. Diese seien eine konservative Partei im Sinne Adenauers. Als “eklatanten Fall” geisselte Drumm den Stadtratsbeschluß zur Aufhebung des Tourismusbeitrages und kündigte an, dieser werde nach der Kommunalwahl wiederkommen, weil er sehr gerecht sei. Die “brilliante Idee” der CDU, beim Personal 1,5 Millionen Euro zusparen, bewertete er als “unseriös und rechtswidrig”.

FWG lehnte Etat ab

Aus seiner Sicht wäre ein Verzicht auf zweiten hauptamtlichen Beigeordneten ein guter Einsparungsbeitrag gewesen. Das sei aber an der Postengier bei CDU und SPD gescheitert. Wolfgang Kleudgen spracht für die FWG e.V. Klartext. Er kündigte die Ablehnung des Haushaltes an, weil die Mehrheit ein geschöntes Zahlenwerk entworfen habe, dem es an Klarheit und Vollständigkeit fehle. Einsparungen im Personaletat seien für die Oberbürgermeisterin ein Fremdwort. Und dann wandte er sich mit mehreren Kritikpunkten an die SPD.

Kleudgen löste Unruhe bei SPD aus

Der fehle bei freiwilligen Leistungen der Sparwille. Die Sozialdemokraten verstünden unter Haushaltskonsolidierung nur Steuererhöhungen. Kleudgen führte zum Beleg seiner Vorhaltungen konkrete Beschlüsse und Anträge der SPD an, die mit einem immer lauter werdenden Genöhle aus der SPD-Fraktion beantwortet wurden. Selbstbewusst schloß Wolfgang Kleudgen: “Habe ich Unruhe ausgelöst bei der SPD?”

“Kleinkrieg muß aufhören”

Den kürzesten Beitrag liefert Peter Steinbrecher (Fraktion Faire Liste und BüFEP). Er sprach ohne Drumrumgerede einen Punkt an, der bei Gesprächen in der Stadt immer wieder für negative Bewertungen sorgt: die fehlende Zusammenarbeit im Stadtvorstand. Die teure externe Beratung durch Kienbaum, die Steinbrecher als “unnötige Ausgabe” bezeichnete, habe da wohl nichts gebracht. Das Führungsleitbild werde erkennbar nicht umgesetzt. Mit der Erkenntnis “der Fisch stinkt vom Kopf her”, sprach er offen aus, was viele schon lange denken und forderte: “Der Kleinkrieg unter den Dezernaten muß aufhören”. Dafür gabs Zustimmung von vielen Ratsmitgliedern.

Abgabe Jugendamt = Populismus

Für die Grünen stellte Hermann Bläsius fest, dass man den Etat auch im November 2018 hätte beraten können. Den Abgabebeschluß zum Jugendamt aus rein fiskalischen Gründen bezeichnete er als “Populismus”. Jede soziale Aufwendung müsse dort stattfinden, wo die Leute leben, vor Ort. Positiv hob Bläsius hervor, dass im Kulturbereich keine weiteren Kürzungen vorgesehen seien. Kritisch bewerten die Grünen den Investitionshaushalt. Viele nötige Maßnahmen, wie der barrierefreie Ausbau der Mühlenstrasse oder die Einrichtung von Radwegen auf der Wilhelmstrasse fehlten oder würden in Folgejahre verschoben. Die mit 150.000 Euro Planungskosten eingestellte “Ost-West-Belastungsstrasse” lehnte Bläsius u.a. mit einem Hinweis auf deren Fehlen im Bundesverkehrswegeplan 2030 ab.

Ost-West-Trase utopisch

Deren Realisierung sei “utopisch”. Die dort durch Grundstücksbevorratung gebundenen Mittel könnten an anderer Stelle werthaltig eingesetzt werden. Investives Highlight für die Grünen: die auf ihren Antrag hin beschlossene Sonderzahlung an de GuT, mit der die fällige Schwarzdornausstattung für die Gradierwerke möglich wird. Hermnn Bläsius mahnte eine Prioritätenliste für das Investitionsprogramm an, ohne die es “einzelnen Personen aus dem Stadtvorstand oder der Verwaltung überlassen” bleibe, was gemacht werde und was nicht.

“Sanft wie ein Lämmchen”

CDU-Fraktionschef Werner Klopfer brachte seine Freude darüber zum Ausdruck, dass “der Kämmerer heute so sanft ist wie ein Lämmchen” und damit zeige, dass er das kann. Mit dem Ergebnis der Etatberatungen seien die Christdemokraten zufrieden. Die CDU habe mit eine Reihe von Anträgen Akzente setzen können. So beim Personaletat, für den 40 neue Stellen gefordert wurden, was auf 12 habe abgesenkt werden können. Er führte in seiner Rede zehn Themenschwerpunkte an. Die Angaben von Vorrednern zum Bevölkerungswachstum relativierte er.

CDU erwartet riesigen Überschuß

Die deutsche Wohnbevölkerung sei nicht gewachsen, aber 3.000 Einwohner*Innen mit “teilweise exotischer Herkunft” seinen dazugekommen. Während Klopfer diesen Zuwachs erkennbar nicht positiv einschätzt, freute er sich auf einen anderen Überschuß, den er in der Variante “riesig” erwartet. Nämlich im Finanzhaushalt durch überplanmässige Steuereinnahmen. Die Oberbürgermeisterin forderte er auf, ihrer Pflicht zur Integration des Stadtvorstandes nachzukommen.

Henschel gegen SPD-Bashing

Andreas Henschel verwahrte sich zunächst gegen das “SPD-Bashing” durch Wolfgang Kleudgen (FWG). Dieses sei “neurotisch veranlagt, sehr hart, übertrieben”. Diese Aussagen führten zu Kopfschütteln und Widerspruch bei vielen Ratsmitgliedern ausserhalb der SPD. Henschel fuhr fort, seine Fraktion habe sich im Dezember den Haushalt angeschaut. Dabei habe man erkannt: die “11-Millionen-Grenze bei den Investitionen” sei nicht zu halten. Für die SPD seien drei Punkte besonders wichtig: der Kunstrasenplatz im Salinental, der Abriß des Hallenbewegungsbades in Bad Münster und der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Planig.

Grosse Mehrheit für den Etat

Die “vielen anderen Anträge anderer” fand der SPD-Fraktionschef “nicht gut”. Die Kürzung im Personalhaushalt sei ein “falsches Signal”. “Ganz grosse Freude” bei den Genossen hätten die drei zusätzlichen Stellen fürs Ordnungsamt ausgelöst. Henschel räumte ein, die SPD-Forderung nach 10 Stellen (Zwischenrufer erinnerten ihn an die Ausgangsforderung von 18) “war überzogen”. Der vom Finanzausschuß beschlossene Entwurf wurde mit einer von der CDU beantragten Änderung (diese Seite berichtete gestern unter der Überschrift “CDU setzt mehr Geld für Grünflächen durch”) mit großer Mehrheit angenommen.