Aufsichtsratswahl bewirkt Folgeschäden

Analyse von
Claus Jotzo

Seit unserer Veröffentlichung vom Freitag (“Wahl-Posse um den Gewobau-Aufsichtsrat”) erreichten uns mehrere Dutzend Anfragen und Kommentare zur Neuwahl des Aufsichtsrates der Gewobau. “Darf der Holger Grumbach das?” und “Wie kann die FDP auf zwei Sitze kommen, wenn die vierfach größere CDU auch nur zwei hat?” sprechen zwei wesentliche Aspekte an. Zunächst ein kleiner Rückblick: elf Posten waren zu vergeben. Ein “gemeinsamer Wahlvorschlag” aller Fraktionen kam nicht zustande. Bei der Wahl stimmte SPD-Co-Fraktionsvorsitzender Holger Grumbach nicht für seine SPD.

Freier Wähler machte Vorschlag für Faire Liste

Sondern für die Grünen und verhalf diesen damit zu einem zweiten Sitz. Soweit die Kurzzusammenfassung. Jetzt zunächst einmal zu den Fragen nach der Rechtslage. Die hat zwar ihre Tücken. Aber was die FFF-Fraktion gemacht hat, nämlich einen Wahlvorschlag durch die FDP zu stellen und einen zweiten für die Faire Liste, nutzt lediglich den von der Gemeindeordnung vorgegebenen Rahmen aus. Ob es mit der Rechtslage übereinstimmt, dass der Wahlvorschlag der Fairen Liste nicht von deren Vertreter Gerhard Merkelbach benannt wurde, sondern vom Freie-Wähler-Stadtrat Dr. Herbert Drumm, muß das Stadtrechtsamt klären.

Vertreter ohne Vertretungsmacht

Diesbezüglich stellen sich die von dieser Seite befragten Fachjuristen auf den Standpunkt, dass ein Wahlvorschlag ausdrücklich nur VON einem Wahlvorschlagsträger der vorhergehenden Kommunalwahl (das ist die Faire Liste) eingebracht werden kann. Und nicht FÜR ihn. Wenn dem so wäre, hätte Gerhard Merkelbach Oliver John vorschlagen müssen. Sowohl Jürgen Eitel als auch Dr. Herbert Drumm handelten bei ihren Wortbeiträgen als Vertreter ohne Vertretungsmacht, da sie nicht erklärten im Auftrag der Fairen Liste zu sprechen.

FDP, Faire Liste und Freie Wähler ohne Sorge bei Wahlwiederholung

So gesehen stand ein Wahlvorschlag zur Wahl, der nicht formvollendet gestellt wurde – mithin nicht abstimmungsfähig war. Die Konsequenz wäre die Ungültigkeit der Wahl insgesamt. Wobei sich FDP, Faire Liste und Freie Wähler vor einer Wiederholungswahl keine Sorgen machen müssen. Denn ganz egal was die anderen machen: zwei Mal drei Stimmen getrennt abgegeben führt (anders als sechs auf einen Wahlvorschlag) immer zu zwei Sitzen im Aufsichtsrat. Ohne jede juristische Bedenken ist die Leihstimme des SPD-Co-Fraktionsvorsitzender Holger Grumbach für die Grünen einzustufen.

Grüne Selbstbeschädigung

Denn jedes Ratsmitglied ist bei seinen Entscheidungen allein der Sachlage und seinem Gewissen verpflichtet. Allerdings hat Grumbach mit seinem Votum nicht nur sich, der SPD und der Oberbürgermeisterin, sondern auch den Grünen schwer geschadet. Wobei diese auch aktive Selbstbeschädigung betrieben. Denn den Mitgliedern der mit acht Sitzen im Rat der Stadt dritt größten Fraktion war bekannt, aus welchen Gründen ihre Fraktionssprecher an der Stadtratssitzung und anderen Präsenzterminen befristet nicht teilnehmen konnten und können.

SPD als Partner des Vertrauens

Statt das und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Aufsichtsratswahl mit allen anderen Fraktionen zu besprechen (zum Beispiel in der Telefonkonferenz der Fraktionsvorsitzenden am Abend zuvor), wählten sich die Grünen exklusiv die SPD als Partner ihres Vertrauens. Das war politisch mehr als ungeschickt. Denn die Mitglieder in den anderen Fraktionen, die sich bei der Zusammenarbeit mit den Grünen wegen derer inhaltlichen Positionierung schwer tun, haben jetzt ein zusätzliches Argument, um eine (z.B. schwarz-grün-gelbe) Zusammenarbeit abzulehnen:

Stimme des roten Grumbach für die Grünen fördert Politikverdrossenheit

Das besondere Vertrauensverhältnis der Grünen zu den Genossen. Holger Grumbach hat mit seinem – vollkommen legalen – Wahlverhalten als erstes Mitglied des Rates der Stadt eine bisher unangetastete Grenze überschritten. Der SPD-Co-Fraktionsvorsitzende befeuert mit seinem Verhalten die in der Bevölkerung ohnehin wachsenden Vorurteile, nachdem “denen in der Politik” jedes Mittel recht ist. Von dieser Stimmabgabe wird noch gesprochen, wenn der gewählte Aufsichtsrat nicht mehr im Amt ist (weiterer Text folgt).

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

28.11.20 – “Wird der Gewobau-Aufsichtsrat zur Losbude?”
27.11.20 – “Wahl-Posse um den Gewobau-Aufsichtsrat”
27.11.20 – “SPD-Co-Fraktionsvorsitzender Holger Grumbach stimmt für die Grünen”