Politischer Betrugsversuch oder alltägliche Verwaltungsschlamperei?

Bewertung von
Claus Jotzo

Die Einladung zur heutigen Stadtratssitzung wurde zeitig verschickt. Sie liegt den Mitgliedern seit über einer Woche vor. Darauf vermerkt der Tagesordnungspunkt 11 “Öffentlich-rechtliche Vereinbarung über Finanzausgleichsleistungen des Landkreises Bad Kreuznach an die Stadt Bad Kreuznach”. Auch in der amtlichen Bekanntmachung, die zur Information der Einwohner*Innen gesetzlich vorgeschrieben ist, findet sich dieser TOP.

Wer allerdings das sogenannte Ratsinformationssystem auf bad-kreuznach.de aufruft, stellt verblüfft fest: dort folgt seit gestern auf den Tagesordnungspunkt 10 unmittelbar 12. Den TOP 11 gibt es dort nicht. Diese Tatsache läßt nur zwei relevante Erklärungen zu: entweder kann man bei der zuständigen Stelle der Stadtverwaltung nicht sicher bis elf zählen. Und Arbeitskontrolle findet nicht statt. Weil es allen dort bezahlten Kräften im Ergebnis egal ist, ob Fehler gemacht werden oder nicht. Hauptsache die Kohle ist am Monatsende auf dem Konto. Oder aber es handelt sich um eine bewußte Streichung, einen politischen Betrugsversuch.

Weil das Thema spätestens mit dem Ablauf und dem Beschluß der Finanzausschußsitzung vom Dienstagabend eine der Oberbürgermeisterin unangenehme Wendung genommen hat. Denn das Gremium hat dem Stadtrat mit 11 zu 1 Stimmen empfohlen die Finanzvereinbarung mit dem Kreis zum Stadtjugendamt abzulehnen. Wenn der Stadtrat dem folgt – und dafür spricht einiges – wird folgendes passieren: der Kreis wird der Stadt für 2020 und die Folgejahre nur noch jene Beträge zahlen, die sich ergeben würden, wenn die Vereinbarung unterschrieben worden wäre. Die Stadt wird dann dagegen klagen. Es gibt irgendwann ein Urteil. Oder einen Vergleich. Was daran wäre so schlimm?

Beim Tourismusbeitrag geht es um eine ähnliche finanzielle Größenordnung. Weder die am Dienstagabend empört die Sitzung verlassenden Grünen noch die Boykott-SPD hat bis heute auch nur ein Wort mit dem Kläger in dieser Sache gesprochen, um eine aussergerichtliche Lösung zu finden. Und das hat einen ganz einfachen Grund. Gewinnt Antonio Valentino erneut, fehlen in der Stadtkasse zwar bis zu 1,5 Millionen Euro. Aber diese Niederlage werden Linke, Grüne und SPD Beitragsfreund Wolfgang Heinrich anhängen. Ihre eigene politische Unfähigkeit auf seit 2016 von Einwohner*Innen vorgetragene Sachbedenken zu reagieren, blenden sie da einfach aus. Beim Jugendamt ist das nicht so einfach.

Bereits eine Weigerung des Stadtrates zum Abschluß der Finanzvereinbarung wird von den Mitarbeitenden dort und von der Öffentlichkeit als das Scheitern der Dr. Kaster-Meurer-Taktik wahrgenommen. Denn allein die Oberbürgermeisterin ist dafür verantwortlich, dass sie die Verhandlungen mit mehr als einjähriger Verspätung aufgenommen hat (wie Oliver John in der Sondersitzung des Finanzausschusses nachvollziehbar darlegte). Allein Dr. Kaster-Meurer hat entschieden, die Abrechnungen des städtischen Jugendamtes für 2015 erst Anfang 2020 mit dem Kreis endgültig abzustimmen. Das wissen auch die Mitarbeitenden im Jugendamt. Und erkennen jetzt: die Oberbürgermeisterin hat sich selbst ausgetrickst.

Der Vertrauensverlust ist mit Händen zu greifen. Er legt sich wie Mehltau über das Stadthaus. Die anhaltenden Fehlschläge als Baudezernentin tragen ein übriges dazu bei. Der Alleingang Dr. Kaster-Meurers in Sachen Rheingrafenstrasse läßt bis weit hinein in die SPD selbst altgediente Sozialdemokrat*Innen fragen, ob die krampfhafte Suche der OBin nach einem Wiederwahl-Wählerstimmenpotenial Aussicht auf Erfolg hat. Für die SPD tickt die Uhr unerbittlich: allerspätestens am 13. März 2022 muß die OB-Wahl stattfinden. Das sind nicht einmal mehr 18 Monate. Um deutlich zu machen, wie wenig Zeit das für eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten ist: die Kommunalwahl liegt jetzt 16 Monate zurück. Und wie schnell sind die vergangen …